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AutorenbildArmin Medic

The(G)net Review: Yakuza Like A Dragon

Gefühlt existieren knapp ein Dutzend Yakuza-Ableger. Die abgefahrene Gangstersimulaton im Beat'em Up-Gewand schickt diesmal den hitzköpfigen Jungspund Ichiban aber nicht auf einen erbarmungslosen Prügelmarathon, sondern verfrachtet unseren Helden plus Anhang in die rundenbasierte Welt eines JRPGs.



Nach 18 Jahren unschuldig im Knast für Mord kehrt Ichiban in seine Heimatstadt Yokohama zurück. Sein alter Boss hat ihm den Rücken gekehrt, seine früheren Freunde sind in alle Himmelsrichtungen verteilt und in seinem Geldbeutel herrscht Ebbe. Also Arsch hochkriegen und Kohle machen. Wer mit der Serie bereits vertraut ist, kennt den Ablauf. Ihr rennt durch ein japanisches Stadtviertel, erledigt Missionen, verhaut lokale Kleinkriminelle, sammelt allerlei Krimskrams und absolviert angefahrene Minigames, bei dem kein Auge trocken bleibt - bis auf die Neuerung in den Strassenfights.



Das neue Kampfsystem ist so simpel wie effektiv. Jeder der vier Hauptbuttons ist mit einer Aktion belegt, die euch jeweils eine Kampfoption pro Runde wählen lässt. Entweder zieht ihr mit eurer Waffe der Wahl (von Baseballschläger über Schlagstöcke, Massagestäbe, Handtaschen, Vorschlaghämmer, Schlagringe bis zu Spezialmodifikation und Extraschlagwerkzeug) den fiesen Strassendieben und Gangmitgliedern eins über die Rübe oder packt euer Skillset aus und greift auf Specialmoves, Zaubersprüche und Heiloptionen zurück.



Sämtliche Skills sind mit dem MP-Meter verbunden. Ist dieser aufgebraucht, hilft nur ein kräftiger Schluck aus der Elixierpulle, ein Besuch im Restaurant oder ihr verwendet eine der raren Auffüllstationen. Hilfreiche Zusätze und Sekundärwaffen wie Granaten, Energydrinks und Magiepotions werden im Item-Menu konsumiert. Als letzte Option bleibt euch die Deckung. Hier seid ihr zwar auf Verteidigung beschränkt, aber ihr kassiert so keinen Schaden. Optional kann aber auch in Echtzeit geblockt werden. Parriert ihr im richtigen Moment, minimiert oder negiert ihr den Schaden des Angreifers, Sekiro lässt grüssen. Wem die Konzentration für lange Rundenkämpfe fehlt, schaltet bequem auf den Automodus. Die CPU übernimmt das Kampfgeschehen und ihr entscheidet, wie aggressiv sich die Ichiban-Truppe verhalten soll.



Sobald ihr die erste Arbeitsamt-Quest absolviert habt, stehen euch 10 unterschiedliche Jobs bzw. Klassen zur Verfügung, von denen einzelne Berufe erst im Spielverlauf freigeschalten werden. Ihr habt beispielsweise die Wahl zwischen Leibwächter, Breakdancer, Held oder Hostess. Euch wird dabei nicht nur ein komplett neues Moveset pro Klasse spendiert, modebewusste Yakuzajäger dürfen sich auch über unterschiedliche Kostumierungsmöglichkeiten freuen, die aber nur Infight gewechselt werden. Ingame latscht Ichiban immer noch mit dem Day One-Zwirn durch das japanische Grossstadtquartier.



Ichiban kann bis zu 3 zusätzliche Partymitglieder rekrutieren, deren Klassen kundenfreundlich jederzeit gewechselt werden dürfen. Die Kirsche auf dem Sahnetörtchen sind eure Poundmates, eine Parodie auf die gewaltigen Summons aus Final Fantasy. Diese übermächtigen und grandios überzogenen Kampfexperten (Clanboss in Windeln, ein Riesenhuhn, Jason-Kopie usw.) werde herbeigerufen und malträtieren die mies gelaunte Gegnerschar bis kein Stein mehr auf dem anderen steht. Jedoch gibt es eine Haken an der ganzen Geschichte. Die Poundmates sind knallharte Kapitalisten. Zwar ist deren erster Einsatz gratis, danach muss Ichiban aber tief in die Tasche greifen, um die hilfreichen Sidekicks aufs Schachtfeld zu locken.



Unsere Teammitglieder sind keine gesichtlosen Statisten. In der Eckkneipe vertiefen wir in Gespächen mit Multiple Choice-Antworten die Bindung mit unseren Mitstreitern. Selbst eine Einladung in eines der zahlreichen Restaurants erhöht das Vertrauen. Je nach Ichibans Verhalten (meist als unterschiedliche Antwortoptionen getarnt) steigen eure Charakterwerte wie Charme, Intelligenz oder Stil. Gewisse Sidequests und NPC-Interaktionen schaltet ihr erst frei, wenn ihr einen gewissen Level eurer Statuseigenschaften erreicht habt. Beschleunigen lassen sich die Attribute in der stadteigenen Wissenschule beim Quiztest, welcher in Kategorien wie Sport, Wissen oder Segas Universum unterteilt ist und erst nach einem Griff in die Portokasse zur Verfügung steht. Beantwortet ihr 3 von 5 Fragen korrekt, werdet ihr nicht nur mit einem Diplom belohnt, sondern packt noch zusätzliche Puntke auf eure Charakterwerte.



Ein wenig Grind und Farming darf natürlich in keinem JRPG fehlen. In der Kanalisation fightet ihr euch durch karge Untergrundsysteme und sammelt tonnenweise nützliche Items oder messt euch in der Arena mit über motivierten Kontrahenten. Für angehende BWL-Studenten ist die obligtorische Wirtschaftssimulation natürlich auch dabei (Häuser kaufen, Shareholder bezirzen und Arbeiter anheuren). Ichiban macht sogar einen auf Hobbygärtner. Gefundene Samen werden in stadtweiten Blumentöpfen gepflanzt, nach einiger Zeit geerntet und dann in der lokalen Eckkneipe zu energiespendenden Menus verarbeitet.



Auf unserer Reise durch die Gassen und Strassen von Yokohama treffen wir auf allerlei kurioses Fussvolk. Den Charme und Witz aus den Vorgängern hat Sega natürlich beibehalten und treibt es sogar schon zu Beginn auf die Spitze. Schon in wenigen Minuten treffen wir auf die lokale Schnapsnase, werden von halbstarken Rüpeln mit den übelsten Schimpfwörtern beworfen und wohnen einem klassischen Schnipp-Schnapp-Kleiner Finger ab"-Yakuzaklischee bei. Das Spiel lässt euch dabei stets die Wahl, ob ihr in 3rd-Person- oder aus der Egosicht durch Yokohamas sprintet. Gehetzte Spielernaturen rollenspielen sich in knapp unter 25 Stunden durch den neusten Yakuza Ableger, realistischer sind aber 35+. Wer Yakuza komplettieren will, kratzt knapp an der 100 Stunden-Marke.



Fazit:

Sega hat sich für einen harten Cut entschieden. Prügelte ich noch zuvor in Echtzeit durch Japans Hinterhöfe, schaltet "Like a Dragon" einen Gang zurück. Und ich gratuliere Sega zu dieser mutigen Entscheidung. Klar, Hardcore Yakuzafanboys ärgern sich ein Loch in den Bauch, aber wie lange hätte man noch die gleiche Leier durchziehen können? Und bis auf den Gameplay-Wechsel bleibt die Grundlage von Yakuza dieselbe. Ihr kriegt die durchgeknallten Minigames, die bizarren NPCs, die überzogenen Einspieler und wilden Storywechsel pausenlos ins Gesicht geklatscht. Langeweile ist ein Fremdwort. Sollte man in der Hauptstory stecken bleiben, gibt's genügend Aktivitäten, die man nebenbei erledigen kann und so seine Helden gepflegt auflevelt. In der ersten Hälfte kommen Anfänger wie auch Profis zügig voran, aber ab Kapitel 8 steigt der Schwierigkeitsgrad so rasant an, dass man ohne Grind kaum vom Fleck kommt. Also heisst es Gegner plätten, Kohle scheffeln, Ausrüstung und Waffen verstärken. Ungeduldige Naturen stören sich über diese künstliche Hürde und so kann ein Bosskampf schon gut und gerne 15 Minuten dauern, besonders ärgerlich wenn man dann kurz vor dem Sieg ins Gras beisst. Aber hier macht der automatische Kampfablauf endlich Sinn. Zu Beginn noch belächelt, bewirkt das Zusammenspiel aus CPU-Steuerung und partialem Eingreifen besonders bei härteren Gegnern wahre Wunder. Einfach bei konstant latentem Energieschwund kurz auf Heilung priorisieren und warten bis die Truppe bei Kräften ist, dann auf manuellen Angriff wechseln, rinse and repeat. Ich hätte mir ein wenig mehr Bewegungsfreiheit der Protagonisten gewünscht, denn zu oft steht einer meiner Kameraden an der falschen Stelle und kriegt von den Spitztbuben die komplette Packung verpasst.



In unserer Testversion, die wir auf der Xbox One X auseinander genommen haben, wahren zwischen den Cutscenes und Gameplay-Areal sekundenlange schwarze Bidschirme oder kurze Freezes keine Seltenheit. Dies hatte keinen Einfluss auf's generelle Spielgeschehen, vermittelte aber nach einiger Zeit ein leicht genervtes Gefühl von mangelnder finaler, techischer Optimierung. Das extrem ausgeschmückte Yokohama (oder besser gesagt ein Teil davon) bügeln das aber problemlos wieder aus. Eine malerische Hafengegend wechselt sich mit einem lebhaften Stadtpark, typisch japanischen Strassenzügen, dem örtlichen Hauptbahnhof und einem heruntergekommenem Flussquartier ab. Japanische Detailversessenheit trifft auf grossartige Levelabschnitte. Gepaart mit abwechslungsreichen Melodien aus allen Stilrichtungen und irren Soundeffekten, macht Yakuza 7 akustisch nichts falsch.



In Sachen Zwischensequenzen schiesst 2020 den Vogel ab. So eine schiere Masse an Cuts und Storybögen findet man nicht mal in LOUS2 oder GOT, Yakuza 7 übertrumpf sie alle. Viel Zuviel für meinen Geschmack, aber das ist nur Meckern auf hohem Niveau. Auf der technischen Seite gibt's ebenfalls keine grossen Ausreisser. Zwar sind die Loadingscreens zwischen den Abschnitten kurz geraten, aber ein nahtloses Zusammenspiel aus Game und Storysequenzen bleibt Besitzern der Current Gen-Version verwehrt. Wer eine Xbox Series X besitzt, kennt dieses Problem nicht mehr.


Obwohl ich meine JRPG-Karriere schon seit ein paar Generationen an den Nagel gehängt habe, trifft Yakuza 7 genau meinen Spielernerv und Geschmack. Ich geb's ja zu, schuldig im Sinne der Anklage, ich bin ein Yakuza-Fanboy und habe mich mit Ichiban und Co. köstlich unterhalten. Die kleinen Ecken und Kanten sind zwar da, jedoch im Gesamtpaket ist es ein mit allen Wassern gewaschenes Rollenspiel, das sich weder mit seinem Umfang, noch mit seiner ausgezeichneten Story vor Szenegrössen verstecken muss



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