Kein Land ist die letzten Tage und Wochen mehr in den Schlagzeilen anzutreffen als Japan. Dass das Land der aufgehenden Sonne dadurch nicht zum Reiseziel Nummer eins wird, ist mehr als naheliegend. Wer trotzdem einige schöne Tage in Tokyo verbringen will, darf das in Yakuza 4 tun.
Mit über einem Jahr Verspätung schafft es der vierte Teil von Segas Genre-Mix nach Europa. Gleich vornweg, an der Lokalisierung kann es kaum gelegen haben. Gesprochen wird nach wie vor alles in Japanisch. Der nicht sprachunkundige Spieler verfolgt die Gespräche via ausschliesslich englischer Untertitel. Ansonsten erwartet uns Europäer erfreulicherweise eine nahezu unveränderte Spielfassung.
Kenner des Vorgängers dürfen den nächsten Abschnitt überlesen, viel getan hat sich nicht im Vergleich zu Teil drei. Sega brannte Tokyos Vergnügungsmeile Kabukicho auf die PlayStation-Disc, in Yakuza aber unter dem Namen Kamurocho bekannt. Was wir hier die nächsten Tage erleben, bleibt grösstenteils uns überlassen. So verfolgen wir strikt die spannende Storyline rund um verfeindete Yakuza-Clans oder lassen uns von unzähligen Minispielen und Substories ablenken. Einzig die immer wieder kehrenden Zufallskämpfe in den lebendigen Strassen von Kamurocho sind unumgänglich. Dank Charakterentwicklung, actionreichen Kampfeinlagen, Open-World System und cineastischer Story bietet Yakuza 4 von allem etwas. Eine bunte Mischung aus Japan-RPG, Streets of Rage und Grand Theft Auto.
Yakuza Neulinge erwartet eine riesige, unbekannte Spielwiese. Spieler vom dritten Teil erleben vieles noch einmal, unterlegt mit einer frischen Story. Statt wie im Vorgänger nur mit dem ex-Yakuza Kazuma Kiryu unterwegs zu sein, werden die vier Parts des Spiels mit unterschiedlichen Charakteren bestritten. Gestartet wird mit Kredithai Shun Akiyama. Weiter geht es mit Taiga Saejima, der seine Todesstrafe hinter Gittern abwartet. Passend dazu durchkreuzen wir die Strassen des Rotlicht-Viertels kurz darauf mit dem Cop Tanimura. Die Zusammenkunft der drei wird abgeschlossen mit dem finalen und wunderbar eingebetteten Auftritt des altbekannten Yakuza Veteranen Kiryu. Allesamt mit einer individuellen Hintergrundgeschichte ausgestattet, die zum Ende hin zusammengeführt wird. Alles weitere zur intrigen- und verratsgespickten Story möchte ich ungern vorweg nehmen. Nur soviel sei gesagt, spannend bleibt es bis zum grossen Finale und die eine oder andere ungeahnte Wendung darf man durchaus erwarten.
Nebst dem starken Story-Hauptstrang warten diverse Nebenmissionen, jeweils auf den individuellen Kämpfer abgestimmt. So hübschen wir unsere Hostessen auf, um die Clubgäste in unserem Lokal zu mehr Geldausgaben zu bewegen oder wir graben uns durch die Kanalisation zu einem versteckten Schatz. Selbst skurrile Date Hilfestellungen bieten wir oder es geht schlicht bei den Docks zum Angeln. Ebenso finden und knipsen wir spezielle Action-Szenen im richtigen Moment oder suchen Dutzende von Schliessfächer-Schlüsseln, die über den ganzen Stadtteil verteilt herumliegen. Reicht das noch nicht, geht’s auf in die Sega Spielhalle oder gleich an den Black Jack Tisch. Wer nur die Story spielt, verpasst Unmengen an Aktivitäten. Wird Yakuza 4 bis zum letzten Winkel ausgereizt, braucht man eine ganze Weile für keine weitere Videospiel-Unterhaltung mehr zu sorgen.
Neu bewegen wir uns nicht nur durch die Neonlichter gespickten Seitengassen sondern wagen uns ebenso auf die Dächer, in Tiefgaragen sowie die Kanalisation. Nicht fehlen darf auch dieses Mal nicht das Salz in der Suppe: Die mannigfaltigen Keilereien. Die vier im Laufe der Zeit spielbaren Jungs besitzen alle ihren eigenen Kampfstil und sorgen so für ein Plus an Abwechslung. Immer noch erwarten jeden der Vier unzählige Zufallskämpfe gegen Strassenrowdys und andere Halbstarke. Das ist auch gut so; dadurch wird der Charakter gestärkt und man erhält ein immer reichhaltigeres Schlagrepertoire. Nicht unwichtig für die Gegnermassen die uns in der Story aufwarten sowie deren besonders hartnäckigen Anführer. Nebst den einfachen Tritt und Schlagattacken und daraus resultierenden Combos fordern ab und an kurzweilige Quick-Time Events.
Technisch ist Yakuza 4 ein Auf und Ab. Obschon die Strassen von Kamurocho bei Regen sowie Sonne, Tag oder Nacht noch immer gefallen, zeigte die Konkurrenz auf, dass es heute deutlich mehr sein könnte. Die Grafik wurde kaum aufgepeppt im Vergleich zum letzten PS3 Teil. Sind sowohl Gegner als auch Hauptcharaktere eher holprig und weniger elegant unterwegs, überzeugen die Animationen in den Zwischensequenzen mit sensationellen Gesichtsausdrücken und Kameraeinstellungen. In diesem Punkt gewinnt Sega gegen die gesamte Rockstar Konkurrenz mit Bravour. So interessant und mitreissend wünsche ich mir jede Storyerzählung in Videospielen. Gesprochen wird, wie bereits erwähnt, ausschliesslich in Japanisch. Das aber von professionellen Synchronsprechern. Viele Gespräche, besonders bei Subquests, sind aber dem lesenden Spieler vorenthalten. Macht uns Europäern nichts, schliesslich lesen wir gezwungenermassen auch die gesprochenen Inhalte mit. Die Soundkulisse passt im übrigen Spielverlauf wie die Faust aufs Auge. Einzig der wuchtig grelle Menü Klick-Ton wirkt stets deplaziert.
Fazit:
Gut zwei Dutzend Stunden habe ich mich bestens in Kamurocho unterhalten. Die mitreissende und hervorragend präsentierte Geschichte rund um die Yakuza bewegte mich zum stetigen Weiterspielen. Langweilig wird es dank der x Substories und Zusatzaufgaben auch sonst garantiert nie. Eine Affinität zu Nippon und Tokyo macht das Szenario und den akkurat umgesetzten Stadtteil gar noch faszinierender. Doch auch für nicht Japanologen ist der Ausflug auf die Insel alle mal seine Zeit wert. Die Kämpfe steuern sich durchwegs flüssig gut und gehen locker von der Hand. Optisch macht Yakuza 4 seine Sache stets passabel genug um noch im Jahr 2011 zu überzeugen und die Charaktere sind allesamt tiefgründiger als alle bisherigen GTA Typen zusammen. Würde technisch noch eine Schippe drauf gelegt und eine neue Engine aus dem Hut gezaubert werden; hätte ich mich möglicherweise noch ausführlicher an die Nebenaufgaben gewagt. So bleibt beste Unterhaltung für Stunden, garniert mit einer für Videospiel-Verhältnisse selten packenden Story.
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