Vor gut zwei Jahren startete Ubisoft mit einer neuen Franchise namens Watch Dogs ins Rennen um die Käuferschaft. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen. Immerhin war es eines der ersten Open World-Spiele für die damals aktuelle Konsolen-Generation und das Hacker-Setting brachte frischen Wind ins Genre. Watch Dogs hat damals vieles richtig gemacht, leider aber nicht alles. Ähnlich war es auch beim ersten Assassins Creed (ebenfalls von Ubisoft). Nun ist der zweite Teil von Watch Dogs erschienen und wir sagen euch jetzt, ob die Entwickler aus den Fehlern des Vorgängers gelernt haben.
Die Geschichte beginnt mit Marcus Holloway, der gleich in der ersten Mission beweisen muss, dass er ein würdiges neues Mitglied der Hackergruppe Dedsec ist. Diese bekämpft die Blume-Corporation, ein mächtiger Konzern, der das ctOS-Netzwerk kontrolliert und so auf ziemlich jedermanns Daten Zugriff hat. Das Thema ich heute wohl aktueller als je zuvor, sind wir doch alle in irgendeiner Form vernetzt. Natürlich meistert Marcus seinen Auftrag ohne Probleme und so lernen wir an der darauf folgenden „Feier“ die weiteren Mitglieder Wrench, Sitara, Josh und Horatio kennen. Aiden Pierce ist - bis auf einen kurzen Gast-Auftritt in einer Neben-Quest - nicht mehr mit von der Partie.
Gleich zu Beginn haben wir Zugriff auf die gesamte Karte von San Francisco. Was sofort auffällt: Im Vergleich zum Vorgänger ist die Umgebung nun um einiges bunter und vor allem belebter. Es lohnt sich, das nächst beste Fahrzeug zu schnappen, oder zu Fuss durch die Stadt zu spazieren. Immer wieder begegnet man kuriosen Personen und witzigen Ereignissen. Einmal traf ich zum Beispiel ein streitendes Paar in einer Seitengasse und ich musste stehen bleiben, weil ich unbedingt wisse wollte, wie die Situation ausging. Natürlich haben wir auch selber wieder die Möglichkeit, unsere Umgebung zu beeinflussen. Wir können tanzen, mit Passanten flirten, sie beleidigen oder "hacken". Wer das Ergebnis festhalten möchte, kann dies mit seinem Smartphone tun. Das mag witzig sein, ist aber nichts im Vergleich dazu, was wir sonst noch mit unserem Super-Smartphone anstellen können. Per Knopfdruck manipulieren wir Ampeln oder lassen Fahndungen für Personen unserer Wahl raus. Kurz darauf kommt auch schon die Polizei um die Ecke und nimmt das ahnungslose Opfer mit. Mit all diesen Möglichkeiten können locker einige Stunde vergehen, ohne dass man auch nur eine Mission gespielt hat.
Wen man dann doch Lust auf richtige Aufgaben hat, ist die Liste genau solang. Zwar ist Watch Dogs 2 grundsätzlich ein Singelplayer-Spiel, dennoch bietet es die Möglichkeit, mit anderen Spielern zu interagieren. Wie aus dem Vorgänger bekannt, kann es vorkommen, dass ein anderer Spieler in unserer Spielwelt auftaucht und unsere Daten klauen will. Ähnlich wie im GTA Online gibt es auch kooperative Missionen, in denen wir im Team eine Aufgabe lösen müssen. Und wen wir uns zu viel zu Schulden kommen lassen, wird ein Kopfgeld auf uns ausgesetzt und bis zu drei andere Spieler machen jagt auf uns. Wer lieber ungestört und alleine spielt, aknn diese Features optional deaktivieren. Leider waren die Server zum Release des Spiels noch nicht verfügbar, was etwas ärgerlich ist. Eigentlich wollten wir doch keine unfertigen Spiele mehr zum Releasetag. Aber vielleicht trösten uns ja die Kampagnen-Missionen darüber weg.
Obwohl Marcus zu Unrecht bestraft wurde, geht es in der Story nicht direkt um Rache. Vielmehr wollen die Hacker von Dedsec dagegen vorgehen, dass Blume die Daten der Gesellschaft sammelt, weiterverkauft und immer mehr Kontrolle übernimmt. Sie setzen sich für die Freiheit der User und deren Daten ein. Das machen sie in verschiedenen Haupt- und Nebenmissionen. Diese teilen sich wiederum in einzelne Aufträge auf. Wir können also entscheiden, wo wir weitermachen wollen, nachdem wir ein Ziel erreicht haben. Die Missionsauswahl findet übrigens ebenfalls über unser Smartphone statt. Oftmals geht es natürlich darum, uns Zugang zu einem Gebiet zu verschaffen, welches gut gesichert ist. Klar können wir mit gezückter Waffe am Zielort auftauchen und uns mit dem Wachpersonal anlegen, aber in den meisten Fällen haben wir kaum eine Chance. Die Gegner sind genug schlau, unsere Deckung zu umlaufen oder Verstärkung zu rufen. Ausserdem sind wir ein Hacker und nicht John Rambo.
Relativ früh im Spiel können wir per 3D-Drucker (!) eine Drohne erstellen, mit der wir das Gebiet von Oben erkunden und nach möglichen Wegen und Feinden Ausschau halten. Dies ist aber nur eine nützliche Erneuerung zum Vorgänger. Neu übernehmen wir auch die Steuerung von Fahrzeugen und fahren so Gegner einfach über den Haufen. Wir können ebenfalls einen kleinen ferngesteuerten Roboter, den „Jumper“ durch Lüftungsschächte lotsen und uns so Zugang zu Laptops und Informationen verschaffen, ohne auch nur einen Fuss ins feindliche Gebiet zu setzen. Oftmals gibt es auch einen Weg von Oben. Marcus ich flink und erklimmt schnell mal das Dach eines Gebäudes, was ebenfalls ein Weg zum Lösen der Aufgabe sein kann. Mit all diesen Fähigkeiten und Tools gibt es also unzählige Möglichkeiten, eine Mission erfolgreich abzuschliessen. Ein witziger Gag, der storytechnisch sogar Sinn macht: wir erhalten keine "normalen" Erfahrungspunkte, sondern stattdessen Follower. Und je mehr wir haben, desto mehr Rechenleistung besitzen wir und können so neue Skills freischalten. So sind wir froh, können wir mal kurz einigen Häuserblocks den Strom abdrehen, wen uns mal wieder die Polizei auf den Fersen ist.
Ein Wort zur PC Umsetzung: Wir PC Spieler wurden in der Vergangenheit nicht nur verwöhnt mit Umsetzungen. Da gab es richtig schlechte Portierungen wie auch gerade zu fantastische, Stichwort GTA 5. Jene haben aber auch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Watch Dogs 2 wählt den Mittelweg. Zwar dauerte es gut zwei Wochen länger bis zum Release, dafür geniessen Spieler am Rechner deutlich aufgemotzte Licht- und Nebel-Effekte sowie sichtbar hübschere Texturen. Watch Dogs 2 ist mal wieder ein Spiel, das Besitzern einer GTX 1080 in Erinnerung zurück ruft, wieso denn unbedingt soviel Kohle in eine neue Grafikkarte gesteckt werden musste. In diesem Sinne nachfolgend noch der Nvidia Trailer zur PC-Version, die ansonsten selbstverständlich den selben Inhalt wie die Konsolen-Fassung bietet.
Fazit:
Die Jungs und Mädels von Ubisoft haben sich die Feedbacks zum ersten Watch Dogs zu Herzen genommen. Die neue Spielwelt in und rund um San Francisco wirkt viel lebendiger und kann sogar fast mit Genre-Primus GTA mithalten. Die Fahrphysik wurde angepasst und der Hauptcharakter ist nun viel flinker unterwegs. Am meisten fallen aber die neuen Gadgets und Möglichkeiten auf, die Marcus zur Verfügung stehen. So haben wir mehr spielerische Freiheiten in- und neben den Missionen. Aber was mir und bestimmt auch anderen weniger gefällt sind die neuen Charaktere und ihre Geschichten. Wo es im Vorgänger noch um eine düstere Rache-Story ging, haben wir nun eine Gruppe ausgeflippter Jugendlicher, die gegen den grossen Konzern Blume rebellieren und so die Welt verändern wollen. Die Kampagne-Missionen sind zwar spannend, aber irgendwie fehlt mir einfach die Ernsthaftigkeit. Dafür funktionieren einige Anspielungen auf die 80er und 90er Jahre, die im Spiel versteckt sind. Alles in allem ist die Story wie auch die Charaktere natürlich Geschmackssache. Spielerisch lohnt sich Watch Dogs 2 aber auf jeden Fall. Mit allen Missionen, Sammelaufgaben und den cleveren Multiplayer-Features wird man eine gute Weile wunderbar unterhalten. Wir hoffen jedenfalls, dass Dedsec auch noch in einem dritten Teil eine Stadt unsicher machen wird.
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