Die Frage, die ich mir immer stelle, wenn ich einen Bericht schreibe: "Womit fange ich am besten an?". Steht mal die Einleitung und der erste Absatz, dann geht alles andere im Vergleich ziemlich einfach von der Hand. Bei Two Worlds 2 hab ich anfänglich zwei Möglichkeiten gesehen, den Bericht einzuleiten. Entweder damit, wie schlecht doch der erste Teil war oder mit einer Lobpreisung auf den zweiten Teil. Da beides etwas zu lahm gewesen wäre, lass ich das hier jetzt einfach stehen, wechsle zum ersten Absatz und vermische die beiden Ideen die ich für die Einleitung hatte.
Two Worlds war eine massive Enttäuschung. Nicht nur dass nach spätestens der Hälfte des Spiels praktisch kein Balancing mehr vorhanden war, nein: Auch die ewigen Bugs, welche die PC und Konsolen-Version plagten, haben dem Spielvergnügen nicht sonderlich auf die Sprünge geholfen. Man hat versprochen. Und versprochen. Es würde beim zweiten Teil ALLES besser werden. Aber wie oft haben wir das schon gehört? Wie oft fühlten wir uns als Spieler nicht veräppelt, wenn nach ein zwei Jahren Entwicklungszeit wieder ein völliges Schundprodukt in die Läden gestellt wurde? Das beste Beispiel dafür ist sicherlich die Gothic-Reihe, die - zumindest im deutschsprachigen Raum - den Thron der Action-RPGs halten konnte. Der dritte Teil war dermassen kaputt, dass man - auch wenn man dem Spiel eine Chance geben wollte - mitunter nach spätestens 120 Minuten an irgend einem Bug hängen geblieben ist. Oder an einem kampflustigen Wildschwein. Die Erwartungen meinerseits bezüglich Two Worlds 2 lagen also schon ziemlich im Keller. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Reality Pump nun ein Meisterwerk hinknallen würde: Die Karten dazu standen einfach zu schlecht.
Doch auch wir besserwisserischen Videospiel-Kritiker lassen uns gerne eines Besseren belehren. Denn das vornweg. Steht ihr auf westliche Rollenspiele, dann könnt ihr ab hier aufhören zu lesen: Two Worlds 2 ist ein Must Have! Für alle anderen gehts weiter im Text. Der aus dem ersten Teil bekannte namenlose Held wird mit seiner (auch aus dem ersten Teil bekannten) Schwester eingesperrt und ausgerechnet von den verhassten Orks befreit. Die geliebete Schwester im Verlies zurücklassend, macht sich unser Held auf in ein grosses, langes Abenteuer. Wer jetzt erwartet, Two Worlds 2 würde den Spieler ebenfalls fast kommentarlos in eine riesige Spielewelt werfen, dem sei gesagt, dass die Entwickler auch daran geschraubt haben.
Die Spielewelt ist nicht von Anfang an komplett offen. Andere Bereiche können erst mit bestimmten Quests betreten werden, genau so wie Dungeons, die ihr in der Spielewelt findet. Das mag auf der einen Seite eine Einschränkung sein, zum anderen konnten die Entwickler aber dadurch sicherstellen, dass man als Spieler erst ab einem gewissen Level an gewisse Orte kommt. Damit wird das ganze nie zu einem unfairen Gehacke, bei welchem der Spieler so oder so keine Chance hat zu gewinnen. Allgemein haben die Jungs von Reality Pump mehr auf die Balance geachtet als noch im ersten Teil, wo gegen Schluss das Verhältnis ins Nirgendwo verschwunden ist. Auch die vorgegebenen Klassen aus dem ersten Teil sind verschwunden. In keinem anderen aktuellen Konsolen-Rollenspiel hat man so viele Freiheiten wie in Two Worlds 2. Ihr könnt euren Charakter skillen und tunen wie ihr gerade lustig seid. Ob er ein richtiger Haudrauf-Typ wird oder eher etwas ausgewogen (eine Mischung aus Magier und Kämpfer) bleibt komplett euch überlassen. Auch das Crafting wurde mächtig aufgebohrt. So könnt ihr nun aufgelesene Gegenstände direkt in ihre Bestandteile zerlegen und beim Schmied (ab einem gewissen Skill sogar selber) wieder in andere Gegenstände einsetzen.
Auch die Spielewelt von Two Worlds 2 weiss im Gegensatz zu seinem Vorgänger zu überzeugen. Die ganze Welt wirkt - abgesehen von ein paar Animationsschwächen - aus einem Guss und so richtig echt. Durch die tolle Kombination zwischen authentisch wirkenden Charakteren und Ortschaften, die ihre Eigenheiten aufweisen, habt ihr nie das Gefühl, in einer künstlichen Welt zu sein. Alles wirkt von Anfang an 'echt'. Reality Pump verspricht eine Spielewelt um die 60 Quadratkilometer. Der Vorgänger, der nur mit halb so viel Masse aufgewartet hat, sieht dabei nicht nur aufgrund der Quantität alt aus. Auch die Qualität steht in Two Worlds 2 im Vordergrund. Nicht nur dass die 60 Quadratkilometer weitaus besser wirken, nein: Auch die unzähligen kleinen Nebenquests sind weitaus besser in der Welt verteilt als noch im ersten Teil.
Verlaufen könnt ihr euch dabei aber nie. Eine praktische Übersichtskarte zeigt euch auf Wunsch immer an, wo die nächste Storyquest zu finden ist. Doch genug über die Welt geredet. Two Worlds 2 wäre kein waschechtes Rollenspiel, wenn ihr nicht die Hälfte der Spielzeit in Menüs verbringt, um euren Charakter euren Bedürfnissen und Wünschen anzupassen. In den komplexen aber übersichtlichen Menüs bastelt ihr euch euren eigenen Helden, der auf euer Spielprinzip zugeschnitten ist. Einzig die Wahl zwischen den drei verfügbaren Waffensets hätte man noch etwas stärker an die Konsolen anpassen dürfen. Man muss die ganze Zeit zwischen den Outfits switchen um den Überblick einigermassen zu wahren. Viel zu oft ist es leider passiert, dass ich auf dem falschen Waffenset etwas geändert habe. Ein kleines Übersichtsfensterchen über die anderen Sets hätte hier nicht geschadet.
Die Vertonung von Two Worlds 2, die nicht nur massiv zur Atmosphäre der Welt beiträgt, zählt zu den besten, die ich seit langen in einem Rollenspiel gehört habe. Dietmar Wunder - seines Zeichen Synchronsprecher von Daniel Craig - übernimmt die Dialoge eures Helden. Aber keine Angst: Wunder legt hier nicht die eintönige James Bond-Synchronisation hin. Lauscht und geniesst. Als Wermutstropfen sind leider die tollen Dialoge nicht gerade lippensynchron und die merklichen Animationspatzer der Charaktere (sei es beim Laufen, Kämpfen oder eben Reden) tragen nicht gerade dazu bei, dass die Welt euch komplett aufsaugt. Aber einen kleinen Patzer gibts ja immer. Ausserdem sind RPG-Fans sowieso nicht als die grössten Grafikfetischisten bekannt. Dafür sieht die Welt in Two Worlds 2 prächtig aus. Durch die wunderschöne Ausleuchtung fallen auch die ab und an verschwommenen Texturen nicht allzusehr auf.
Fazit:
Wer auf Rollenspiele steht, muss Two Worlds 2 haben. Wer durchrennt, hat alleine dann 20 - 25h Spielzeit hinter sich. Wer die gesamte Welt inklusive Minispielen (Musik machen, Pokern, Würfeln, Segeln) an sich ranlässt, dürfte gut und gerne um die 60 - 80h beschäftigt sein. Zugreifen lautet hier die Devise. Wichtig: ihr solltet das Spiel unbedingt auf eurer Festplatte installieren. Die andernfalls auftretenden Ladezeiten sind teils unerträglich. Mit einer Installation beugt ihr diesem kleinen Problechmen vor und könnt Two Worlds 2 in vollen Zügen geniessen.
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