Was wäre, wenn sich Amerika am 2. Weltkrieg nicht beteiligt hätte? Würde das machtbesessene Nazi-Deutschland die totale Kontrolle über Europa und Asien inne haben und möglicherweise das isolierte Amerika angreifen? Dieser Frage geht der Shooter Turning Point: Fall of Liberty nach.
Zu Beginn von Turning Point wird die Geschichte neu geschrieben: Winston Churchill wird im Jahre 1931 in New York bei einem Unfall von einem Taxi angefahren und getötet (was übrigens damals tatsächlich passierte, jedoch ohne tödliche Folgen, aber mit dem Resultat, dass er fortan am Stock gehen musste). Diese alternative und faszinierende Geschichte liefert den Hintergrund für Turning Point: Fall of Liberty. Was Spark Unlimited (Call of Duty Finest Hour) aus diesem potenten Thema macht, ist allerdings nicht mehr als ein seichter Egoshooter.
Das Spiel startet 1953. Ihr übernehmt die Rolle von Dan Carson, einem Stahlarbeiter, der gerade hoch oben auf einem Gerüst seiner Arbeit nach geht (Wolkenkratzerbau), als plötzlich die Deutsche Luftwaffe mit Bombern, Düsenjägern und riesigen, gepanzerten Zeppelinen (!) New York angreift. Der Anfangslevel ist spannend inszeniert und lässt auf ein grossartiges Spielerlebnis hoffen (dieser Level kann übrigens als Demoversion auf dem XBL Marktplatz herunter geladen werden). Leider sind die restlichen Missionen nicht annährend so spannend wie der furiose Start. Am meisten fällt die nicht existierende KI der Gegner auf.
Bis auf die letzten drei Level ist Turing Point der berühmte "Walk in the Park" mit wenig aggressiven, zum Teil sogar einfach ohne Durchblick in der Gegend herumstehenden Gegnern, die mich ab und zu sogar einfach ignorieren, auch wenn ich auf sie schiesse. Die Freude über meine Kills hielt sich entsprechend in Grenzen. Eine andere Spassbremse ist die Tatsache, dass getroffene Gegner praktisch keine Reaktion (oder Blut) zeigen. Das Spiel ist voll mit Swastikas, SS-Runen und Nazi-Flaggen (UK-Version, die PAL Version bietet das nicht), aber ich darf mir kein Blut ansehen?
Die Steuerung in Turning Point ist ebenfalls durchwachsen. Im Nahkampf scheint alles noch in Ordnung. Ziele auf Distanz trefft ihr allerdings sehr schlecht, selbst mit Sniper-Gewehr. Man kann kein richtiges Gefühl für die Steuerung entwickeln, weil die Empfindlichkeit von Waffe zu Waffe ändert. Das Spiel verwendet eine Handgranaten-Anzeige wie der Genre-Kollege Call of Duty. Jedoch ist diese so unpräzise, dass ihr selten einschätzen könnt, wie weit das Ei von euch entfernt oder wo genau es gelandet ist. Im Vergleich zu neueren Shootern wie CoD4, Bioshock oder Halo 3 wirkt Turning Point sehr archaisch. Das soll aber nicht heissen, dass man keinen Spass damit haben kann. Hardcore Shooter-Fans, die jede Knallerei gespielt haben müssen und sich auf einen neuen World-War-Shooter gefreut haben, werden Turning Point interessant finden. Das Spiel funktioniert und erzählt eine spannende Geschichte. Wären da nur nicht die vielen Unschönheiten als Folge schlampiger Programmierung.
Ein Beispiel dafür ist das "Hand"-Icon, dass überall dort auftauchen soll, wo der Spieler etwas manipulieren kann. Es funktioniert gut bei Türen, bei Knöpfen, Schaltern oder Leitern ist es jedoch teilweise wirklich schwer, das Icon zum Erscheinen zu bringen. Hallo? Ich spiele hier doch kein Point-and-Klick Adventure! Ich will mein Fadenkreuz nicht pixelgenau auf Objekten platzieren müssen, um eine verdammte Reaktion zu erzwingen! Bugs wie dieser nehmen Turning Point die Fahrt, und die ist ohnehin schon eher als lahm zu bezeichnen. Das ist doch alles nicht so wild, solange die Grafik stimmt, richtig? Turning Point sieht aber zu keiner Zeit beeindruckend aus und vielerorts gibts heftige Clipping-Fehler und Framerateneinbrüche. Für einen modernen Egoshooter auf einem Next-Gen System eine schlechte Performance.
Turning Point ist die Definition eines linearen Shooters. Wäre auch nicht so tragisch, wenn unterwegs spannend gescriptete Events statt finden würden, was leider nicht der Fall ist. Okay, es gibt ein paar gute Szenen, wo die Entwickler zumindest versucht haben auszubrechen und etwas neues zu probieren. Zum grössten Teil ist das Spiel jedoch eintönig und uninteressant. Es gibt auch keine Geheimnisse zu entdecken, keine versteckten Wege oder zu sammelnde Items. Was Turning Point gut macht sind Waffen und das "Grappling-System". Es gibt ein paar gelungene Schiessprügel zum Ausprobieren, wie z.B. die MP50, eine Weiterentwicklung der deutschen MP40 oder das KAR49. Die MP50 war gegen Ende des Krieges tatsächlich in Entwicklung, wurde aber nicht mehr produziert, da der ganze Spuk schon vorher zu Ende war. Mit dem "Grappling-Feature" greift ihr eure Gegner entweder von hinten oder vorne und könnt dann beispielsweise diesen als Schild benutzen oder mit einer spektakulären Animation ins Jenseits befördern, was ein gelungener Zusatz in einem Egoshooter darstellt.
Den Multiplayer-Part könnt ihr hingegen getrost vergessen, da gibt's bessere Spiele mit diesem Thema. Es gibt zwei Game-Modi: Deathmatch und Team-Deathmatch - zugänglich für bis zu 8 Spieler, online oder via XBL. Wählt eine Klasse und eine Waffe bevor ihr in den Match geht und schlaft dann ein.
Fazit:
Turning Point: Fall of Liberty ist ein glänzendes Beispiel für eine gute Idee, die lausig umgesetzt wurde. Man kann durchaus Spass mit diesem Spiel haben, es ist jedoch nicht das "grossartige Abenteuer", welches es vorgibt zu sein. In bekannten US-Metropolen auf Nazis zu ballern sollte eine aufregende Erfahrung sein und mich nicht zum Einschlafen bewegen. Weltkriegs-Fanatiker (und Zeppelin-Fetischisten) geben Turning Point eine Chance, alle anderen lassen es lieber bleiben.
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