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AutorenbildSascha Böhme

The(G)net Review: Too Human

Eine ganze Dekade – so lange haben Silicon Knights gebraucht, um den ersten Teil ihrer altnordischen Steampunk-Göttersage auf den Markt zu bringen. Nach all dieser Zeit sollten Silicon Knights besser einen echten Kracher für die Gamerschaft haben.


Too Human Xbox 360 Test, Review, Testbericht.

In den nordischen Göttersagen wird Balder als ein gutmütiger Gott beschrieben. Er soll so schön sein, dass er heller noch erstrahlt als die Sonne. Ständig wird er von Träumen und Visionen geplagt, die seinen eigenen Tod ankündigen. Aus dieser Angst heraus, liess seine Mutter Frigga alle Dinge – Kreaturen, Menschen, Pflanzen – auf Midgard (unserer Erde) schwören, dass sie Balder niemals Leid zufügen werden. Schwüre stehen im Norden über allem – einen zu brechen ist ein schwerwiegendes Vergehen, welches mit dem Tode und der anschliessenden Verdammnis in den eisigen Untiefen der nordischen Unterwelt, Hel, verurteilt wird. Also war das eine todsichere Methode, Balders Überleben zu garantieren, denn sein Tod würde Ragnarök einleiten, den Untergang der Götter.


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So viel zur Hintergrundgeschichte auf der Too Human aufbaut – bloss gibt es da einige gravierende Unterschiede. Too Human spielt in der Vergangenheit, aber irgendwie auch in der Zukunft. Einer technisch unglaublich hoch entwickelten Zukunft, in der intelligente Maschinenrassen anfangen, Fleisch zu fressen um menschlicher zu werden, und Menschen sowie Götter hart daran arbeiten, sich mit immer mehr kybernetischen Teilen zu verbessern. Der leuchtend-blau tätowierte Balder ist da keine Ausnahme, allerdings wird er von den anderen Aesir (die nordischen Götter) für zu menschlich gehalten, also: Too Human. Für diejenigen, die es noch nicht erraten haben: Es ist ausgerechnet seine Haut, in die ihr schlüpfen werdet, mit dem Ziel eine Monsterhorden nach der anderen zu bezwingen.


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Anfangs habt ihr die Qual der Wahl zwischen fünf Charakterklassen. Der Berserker ist darauf spezialisiert, massig Schaden mit einem Schwert in jeder Hand auszuteilen. Als Heiler fungiert der Bio-Engineer, der seine Nanotechnologie auch für Buffs und dergleichen einsetzen kann. Der Commando spielt sich am besten mit richtig grossen Kanonen, aber auch der Einsatz von Minen ist nicht ausserhalb seiner Fähigkeiten. Am schwierigsten in den Boden zu stampfen seid ihr als Defender – eine Charakterklasse, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Aufmerksamkeit aller Monster auf sich zu ziehen. Der typische All-Rounder ist der Champion, mit einem bisschen zusätzlicher Critical-Chance und mehr Air-Combat, um sich von den anderen Klassen abzuheben. Noch mehr Spezialisierung bringen die Talentbäume ins Spiel, sowie die Entscheidung, ob ihr lieber dem kybernetischen, oder dem menschlichen Pfad folgen wollt.


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Anders als in bekannten Actionspielen wie Ninja Gaiden, Devil May Cry oder God of War erfolgen Attacken nicht durch komplizierte Tastenkombos, sondern werden über den rechten Analogstick eingegeben, während der linke Stick Balder steuert. In der Theorie hört sich das wunderbar an – in der Praxis kann einem nach besonders intensiven Spielesessions schon mal gehörig der Daumen schmerzen. In die Richtung in die ihr den Stick schwenkt, schwingt Balder auch seine Klingen, beziehungsweise slidet in die nächstbeste Gruppe Gegner rein. Nachdem so beide Analogsticks belegt sind, bleibt der Kamerawinkel praktisch konstant fixiert. Dies ist kein allzu grosses Hindernis, jedoch trotzdem auf lange Sicht nicht gerade wenig nervig. Der Fernkampf an sich ist relativ geradlinig, immerhin erfordert er nur etwas Druck auf den rechten Trigger auszuüben, und schon ballert Balder (dank automatischem Zielsystem) auf seine Gegner.


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In Too Human habt ihr es, zumindest ausserhalb der Bosskämpfe, nicht nur mit einem Gegner zu tun. Ganze Horden stürmen auf euch zu, auf eine Welle folgt gleich die nächste. Prinzipiell kämpft ihr gegen mechanische Gegner, wobei ihr am häufigsten auf "Goblins" treffen werdet, später aber auch "Trolle" recht häufig auftreten werden, genauso wie Spinnengetier und Svartalfar (Dunkelelfen). Die Anführer dieser Gruppen haben allesamt Namen und sind neben erhöhten Healthpoints ferner mit Schutzschilden gegen euren unablässigen Sturm kalten Stahles abgeschirmt. Es ist besonders ratsam, blau- und rotglühende Gegner aus sicherer Distanz heraus auszuschalten, explodieren/frieren sie euch doch ein, wenn sie sterben.


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Ein gutes Stichwort – in nordischen Göttersagen wird von wunderschönen Walküren berichtet, welche die Krieger, die tapfer im Kampfe gestorben sind, nach Valhalla bringen, wo sie dann auf ewig Kämpfen und Futtern dürfen. Überraschung – Too Human versorgt Balder mit seiner ganz persönlichen Walküre. Irgendwas scheint aber mit ihr nicht zustimmen: immer wieder setzt sie den guten Balder mit voller Gesundheit in ein- und demselben Kampf, in dem er sein Leben lassen musste, ab. Die einzige Bestrafung, derer ihr euch in Too Human gegenüberseht, wenn ihr sterbt, ist eine Sequenz, in der die Walküre Balder abholt – und sich dabei schön viel Zeit lässt. Macht euch keine Illusionen, Balder wird ständig aufs Neue ins Gras beissen – allen anderen Gründen (wie mehr Gegner als selbst ein Gott auf einmal schaffen kann) voran die Tatsache, dass ihr keine Möglichkeit habt, euch mit Items zu heilen. Eure einzige Hoffnung sind rote Healthorbs, die eure Gegner (sehr, sehr zufällig und nicht etwa strategisch platziert) fallen lassen.


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Aber selbst so macht es überhaupt keinen Sinn, nicht einfach bis zum letzten Atemzug zu kämpfen, sich dann die Walküren-Sequenz anzutun (vorzugsweise mit Buch oder Handheld an eurer Seite), um dann erneut in denselben Kampf einzusteigen. Die Anzahl der Gegner resettet sich nicht, ihre Healthbars laden sich nicht erneut auf – Too Human kann man nicht nicht durchspielen. Dafür ist es viel zu anspruchslos einfach. Wieso eine Heilklasse spielen, wenn der Tod eines Charakters ja doch keine langzeitigen Auswirkungen hat? Zumindest kommen Lootsüchtler voll auf ihre Kosten – in einem durchschnittlichen Kampf droppen an die 50 Ausrüstungsgegenstände, die dann auch problemlos equippt werden können, sofern Balder den erforderlichen Level besitzt. Das Leveldesign an sich ist alles andere als erstaunlich: die meisten Areale ähneln sich stark, und gekämpft wird praktisch immer auf grossen, freien Strassen.


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Dafür sind die Hintergründe jedoch optimal – imposante, technisch beeindruckende Metallkonstrukte ranken sich gen Himmel, stossen gegen Eisdecken, bohren sich ineinander. Das Gegenstück zu dieser Welt ist der Cyberspace der Nornen, eine digitale, aber dafür ausgesprochen grüne Welt, in der von euch ausgelöste Veränderungen sich auch auf die echte Welt auswirken – Tore öffnen sich, plötzlich entstehen Brücken, et cetera. Die Animationen wirken ein ganz klein wenig steif, besonders beim Treppen steigen – dieses Gefühl verfliegt aber, sobald man Balder im Kampf sieht. Für viel Atmosphäre sorgt der gelungene Soundtrack und speziell das Voiceacting von Too Human. Verschiedene Sprachen stehen zur Auswahl – selbst japanisch klingt bei den nordischen Göttern natürlich und emotionsgeladen. Gelungen ist auch der Coop-Modus – so können sich zwei Balder den Maschinenhorden widmen, untereinander Items tauschen und gewisse Gruppenskills nutzen, von denen sonst nicht einmal das klägliche Team ständig erneut sterbender Soldaten, die euch dann und wann mal begleiten, profitieren.



Fazit:

Zehn Jahre hatte Silicon Knights Zeit, um Too Human zu perfektionieren, daran zu feilen, und es zum perfekten Einstieg in eine epische Triologie zu machen. Nordische Göttersagen in einer eindeutigen Cyberpunk-Umgebung – ein wundervolles Konzept. Es hätte so viel mehr werden können, aber jetzt kommen alle gut gemeinten Änderungsvorschläge zu spät. Too Human hat immenses Potential und spielt sich auch richtig gut, nur der fixierte Kamerawinkel und das Gefühl absoluter Überflüssigkeit, das aufkommt wenn man immer wieder sterben kann ohne Konsequenzen davonzutragen, stören den guten Gesamteindruck. Ein an sich fabelhaftes Spiel, aber irgendwas fehlt.


Too Human Xbox 360 Test, Review, Testbericht.


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