Im Jahre 2002 gab es nur ein Spiel, welches die Power der XBOX richtig demonstrierte: Splinter Cell. Grafisch ein Überflieger, konnte der Titel aber auch mit vielen neuen Ideen überzeugen. "Stealth Action Redefined" hiess das damals, und so war es auch.
Die Stealth-Fans hieften den grau-melierten Sam Fisher an die Spitze des Genres - vor seinen "Ur-Vater" Solid Snake. Wer hätte das gedacht, und wer hätte gedacht, dass hier noch eine Steigerung möglich ist!? Vermutlich niemand, ausser die Jungs bei Ubisoft, die mit Pandora Tomorrow zum zweiten, grossen Schlag ausholen und diesmal das online-Gaming neu definieren wollen.
Man darf vorne weg sagen, dass unsere französischen Nachbarn den Mund nicht zu voll genommen haben. Der neue Sam Fisher sieht besser aus, ist noch "sneakier", noch agiler, hat noch besseres High-Tech Spielzeug dabei und bietet einen wirklich tollen Grund für XBOX Live!: Den einzigartigen Multiplayer Mode - und das, obwohl man eigentlich nur zu viert an einem Match teilnimmt (aber mehr dazu später).
Von der Story her ist die Story-Kampagne mit den Online-Missionen verbunden, jedoch sind beides eigenständige Modi mit völlig unterschiedlichen Stages und Objektiven, schliesslich ist Sam sonst nur allein unterwegs. Deshalb brauchen Single Player auch keine Angst zu haben, Pandora Tomorrow bietet gegenüber dem Vorgänger alles und noch mehr. Auf die Grundlagen der offline-Kampagne gehe ich daher nur kurz ein, denn die sind eigentlich immer noch die gleichen geblieben. Es wird im Dunkeln und lautlos agiert, es werden Schlösser geknackt, Kameras und Alarmsysteme lahmgelegt, Gespräche belauscht, Geiseln beschützt, Leichen entsorgt, Daten gehackt und biologische Waffen geklaut.
Um Letztere geht es auch im Spiel. Diese werden von Terroristen gestohlen und sollen gegen die "freie Welt" eingesetzt werden, was Fisher mit einer etwas längeren Nacht-und-Nebel-Aktion verhindern soll, wobei einige der Missionen so überhaupt nicht in der Nacht spielen. Speziell im Dschungel von Indonesien, wenn sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne durch die Kronen der Palmen auf ein dicht bewachsenes und sich im Wind wiegendes Gras-Feld werfen, während einem eine Vielzahl unbekannter Geräusche von noch unbekannteren Urwald-Bewohnern in glasklarem 7.1-Surround in die Ohren dringen (lästige Fliegen inklusive!). Sowas von "im-Dschungel" hab ich mich noch nie gefühlt, einfach atemberaubend. Das dunkle, industrielle Setting weicht hier abendrötlicher Karibik-Stimmung. Aber auch bei Regen: Die "Frischluft" steht Splinter Cell wirklich ausserordentlich gut zu Gesicht. Und jede der 8 langen und teilweise ultra-schweren Missionen hält ein neues, grafisches Schmankerl bereit. Respekt, dass man die grafische Leistung von damals noch toppen konnte.
Die wahre Pracht von Pandora Tomorrow liegt aber im faszinierenden online Multiplayer Modus. Es geht maximal zu viert entweder als Spion oder Söldner zur Sache (Aufteilung 1vs1, 1vs2, 1vs3 oder 2vs2). Spione infiltrieren, stehlen oder sabotieren und die Söldner sollten tunlichst versuchen das zu verhindern. Spione spielen in der gewohnten und übersichtlichen 3rd Person-View, während Söldnern nur die Ego-Perspektive zur Verfügung steht. Eine coole Idee, aus der Ubisoft eine Menge gemacht hat. Die beiden Parteien haben nämlich völlig unterschiedliches Equipment im Gepäck! Dennoch ist ein gewisses Gleichgewicht hergestellt: Als Soldat verfügt man zwar über mächtige Waffen und ein ausgeklügeltes, elektronisches Sicherheitssystem aus Bewegungs-Meldern, Kameras und explosiven Fallen, sieht im Verhältnis aber sehr schlecht und kann nicht klettern oder hangeln, was grosse Pluspunkte der Spione sind. So ist es z.B. als Spion möglich, den Söldnern GPS-Sender oder Mikros anzuhängen, um deren Aufenthaltsorte im Radar zu sehen oder den Funkverkehr abzuhören (man hört sonst logischerweise nur den/die eigenen Team-Partner). Hat der Spion einen Söldner von hinten gepackt, dürfen die beiden mittels weissem Knopf miteinander kommunizieren, so nach dem Motto: "Hast' noch nen letzten Wunsch bevor Du stirbst?". Coole Sache!
Obwohl Spione die Söldner auf viele Arten attackieren können, ist ein Kill nur mit einem Genickbruch sicher. Schläge, Blendgranaten, Gas- oder Strom-Angriffe zehren zwar an den Energiereserven, setzen die Söldner aber nur kurzzeitig ausser Gefecht. Team-Geist, Planung und ein vorsichtiges Vorgehen ist als Spion unabdingbar. Die Söldner setzen auf Waffengewalt Marke "Rambo", können verschiedenste Fallen legen und werden durch das Argus-Sicherheitssystem mit all seinen Laser-Schranken und Video-Cams gewarnt und informiert.
Die Maps sind dementsprechend ausgeklügelt designt und bieten für beide Parteien unheimlich viele Schleichwege, Verstecke und dunkle Korridore. Jede Karte bietet neue Herausforderungen und fordern von beiden Teams jeweils andere Vorgehensweisen.
Die exzellente Verpackung in Sachen Grafik und Sound schaffen speziell online eine unheimlich dichte Atmosphäre. Die klaustrophobische Stimmung als Söldner, ausgerüstet mit Motion-Tracker und Taschenlampe, in Erwartung eines Angriffs, der zu jeder Zeit von überall her kommen könnte, wird wohl nur noch durch den Film "Aliens" übertroffen, wenn überhaupt. Genau so wie die Angst, die jedem Spion im Gesicht geschrieben steht, wenn der besagte, bis an die Zähne bewaffnete Söldner in Richtung des vermeintlich sicheren Verstecks läuft und einem schlussendlich mit der Taschenlampe ins Gesicht zündet. Panik pur, einfach göttlich!
Das tolle Konzept wird nur durch die etwas schwache Sprachübertragung getrübt. So hört man seinen Gesprächspartner in der Lobby oder Hilferufe des Kollegen im Spiel meistens erst 2 Sekunden später. Ubisoft hat es ausserdem verpasst, den etwas unschönen "Tearing-Effect" bei schnellen Kamera-Bewegungen zu eliminieren. Die nicht ganz konstante Framerate lasse ich angesichts der phenomenalen Optik aussen vor, sie beeinträchtigt in keiner Weise das Gameplay.
Fazit:
Stealth-Action redefined... again!? Ganz recht! Was ist eigentlich mit Ubisoft los in letzter Zeit, die haben wohl eine kreative Phase? Beyond Good and Evil, Prince of Persia, das geniale Rainbow Six 3 und jetzt Pandora. Die guten Leistungen und der Erfolg scheinen nicht abzubrechen. Im Stealth-Genre kann man mit der heutigen Technik jedenfalls nicht mehr sehr viel mehr bewerkstelligen und man kann sich der neidischen Blicke seitens Konami sicher sein. Das neue Splinter Cell wird dem Hype jedenfalls gerecht und wer sich jetzt immer noch keinen Live!-Service besorgt, verpasst zudem eines der wegweisendsten Online-Erlebnisse der letzten Jahre.
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