The(G)net Review: The Witcher 3: Wild Hunt

Seit dem Debüt von The Witcher im Jahr 2007 legte die Serie die Latte für Rollenspiele höher und höher. Das Konzept der Spiele wurde mit jedem Titel weiterentwickelt und verfeinert. The Witcher 3: Wild Hunt ist bis dato der ambitiöseste Versuch. Dank ausgiebigen Verbesserungen, einer gigantischen und lebhaften Spielwelt und spannenden Entscheidungen, welche einen Einfluss auf das spätere Geschehen haben, ist The Witcher 3 eines der besten Spiele, das ich in den letzten Jahren gespielt habe.

Eine gewisse Entscheidungsfreiheit in Games ist nichts Neues. Was aber die Entscheidungen in The Witcher 3 so spannend machen, ist die Welt in der sie getroffen werden. Von schneebedeckten Bergen zu wunderschönen Wasserfällen, wilde Tiere, welche die Wälder unsicher machen, CD Projekt Red hat eine Landschaft mit einem atemberaubenden Detailgrad geschaffen und diese zu erkunden ist die Begeisterung schlechthin. Hinter jeder Ecke kann sich eine versteckte Höhle befinden, unter der Wasseroberfläche gibt es Höhlen oder Schatzkisten zu entdecken und seltenes Material für eure Rüstungen wartet in den weiten der Wälder darauf, von euch aufgespürt zu werden.

Die Städte und Dörfer sind wahre Schmelztiegel in denen es drunter und drüber geht. So kann neben euch plötzlich eine Kneipenschlägerei losbrechen oder ein Haus in Flammen aufgehen. Immer seid ihr mittendrin im Geschehen und nicht bloss ein statischer Beobachter der Ereignisse. Die Beteiligung an solchen Vorkommnissen liegt dabei komplett bei euch, aber seid euch bewusst, dass jede auch noch so kleine Entscheidung spürbare Konsequenzen mit sich zieht.

Natürlich sind auch zahlreiche Quests vorhanden die bestritten werden wollen. Bauern bitten euch beispielsweise ein besonders gefährliches Monster zur Strecke zu bringen oder seltene Kostbarkeiten zu finden. Kleinere Aufgaben drehen sich um die Stadtbewohner und deren Schicksale. Überraschend dabei ist die Vielfalt und die hervorragenden Scripts welche fast alle Quests zu etwas speziellem machen. Jede Geschichte hat eine unerwartete Wendung und brennt sich so ins Gedächtnis ein, ganz zu schweigen vom Einfluss je nach getroffenen Entscheidungen. Die ganze Umgebung spürt die Veränderung, nicht nur der Witcher Geralt von Rivia. So ist es möglich die Welt in plötzlichen Reichtum zu führen oder sie ins Verderben zu stürzen.

Noch nie habe ich mich zu einer virtuellen Welt so verbunden gefühlt oder eine solche Macht gespürt mitbestimmen zu können. Die Dilemmas, welche gelöst werden wollen waren noch nie so abwechslungsreich und können auf verschiedenste Weisen bestritten werden. Trotzdem hatte ich nie das Gefühl aufgrund meiner Entscheidungen beurteilt zu werden. Es ist zu keiner Zeit klar wem zu trauen ist, jede Situation muss sorgfältig hinterfragt werden. Die Welt ist brutal und voll von Lügnern und Betrügern die nur darauf warten euch auszutricksen.

Meistens gehören diese Missionen allerdings nicht zur Hauptstory. Die hervorragende Main-Quest vermag ebenfalls völlig zu überzeugen. Allerdings ist es ratsam die Vorgänger gespielt zu haben um in den vollen Genuss der Handlung zu kommen. Geralt ist immer noch der berechnende Held den wir in den anderen Teilen kennengelernt haben, doch diesmal wird seine Vergangenheit portraitiert. Das zeigt erstmals eine emotionale Seite des Witchers. Mit Sicherheit liegt dieses Verhalten an Ciri, die wir während der Hauptmission zu finden versuchen. Sie ist wie eine Tochter für Geralt. Sein väterliches Verhalten in gewissen Situationen ist eine interessante Wandlung für den Charakter den wir als kühl und reserviert kennen.

Nicht nur der Hauptprotagonist hat eine Wandlung hinter sich, auch zurückkehrende Co-Stars sind anders, als wir sie in Erinnerung haben. Geralts frühere Flamme Triss kehrt mit einer eigenen Storyline im Gepäck zurück und das Liebesdreieck um Geralt, Yennefer und Triss wirkt authentischer und glaubhafter denn je. Die Romanzen bieten mehr an Substanz als in den früheren Titeln und decken eine weite Palette an Emotionen und komplexe Themen ab.

Abgesehen vom fantastischen Writing und den heftigen Entscheidungen hat das Gameplay ebenfalls riesige Fortschritte gemacht. Dank einem verfeinerten Interface und dem wählbaren Schwierigkeitsgrad und weiteren Verbesserungen ist es mit Abstand der einsteigerfreundlichste Teil der Serie. Im Kampf reagiert Geralt einiges besser auf eure Inputs. Die Kämpfe sind allgemein actionreicher gestaltet als die oft statischen Auseinandersetzungen von früher. Das heisst aber nicht, dass sie weniger herausfordernd sind. Strategische Schlachtpläne, gute Vorbereitung und die Schwachstellen des Gegners auszunutzen ist ebenso wichtig wie eine gute Verteidigung oder eine Ausweich-Rolle im richtigen Moment. Taktik ist eine Notwendigkeit um das Schlachtfeld lebend wieder zu verlassen.

Gefahren lauern überall und Feinde können Geralt von allen Seiten attackieren, sei es aus der Luft oder aus dem Wasser. Die neue Armbrust macht fliegende Gegner ein wenig erträglicher, ist im Kampf aber sehr langsam und schwach, und kann die Auseinandersetzungen in die Länge ziehen. Kämpfe sind aber immer intensiv geführt und bieten eine Herausforderung, die euch zwingt alle Mittel und Waffen die euch zur Verfügung stehen auszuprobieren. Natürlich könnt ihr euer Alter Ego auch auf euren Spielstil zuschneiden und beispielsweise Magieattribute verbessern oder euch auf Alchemie konzentrieren.

Alles in allem habe ich nur ein paar kleine Reklamationen an CD Projekt Red. Die Ladezeiten könnten beispielsweis etwas kürzer sein. Kaputte Waffen haben mich öfters zu einem Rückzug gezwungen als gewünscht. Die Passagen in denen wir in die Haut von Ciri schlüpfen konnten mich ausserdem nicht ganz überzeugen. Eigentlich ist es lobenswert andere spielbare Charaktere einzubauen und Ciri ist sehr interessant und spannend aber ihre Sequenzen teilen diese Eigenschaften leider nicht. Auf der technischen Seite fällt eigentlich nur die suboptimale Framerate auf. Allerdings tut die dem Spielspass keinen Abbruch.

Fazit:

The Witcher 3: Wild Hunt beinhaltet alles was ich mir für die Zukunft von Rollenspielen wünsche. Das Spiel übertrifft dank fantastischem Writing, den unzähligen, spannenden Quests sowie der enormen Entscheidungsfreiheit seine Konkurrenz um Meilen. Noch immer werde ich von einigen meiner (Fehl-)Entscheidungen heimgesucht und grüble über deren Auswirkungen. Normalerweise müssen die Entwickler einige Opfer bringen um eine solch ambitiöse Welt zu schaffen. Doch bei The Witcher 3 stimmt einfach alles.