Muss man als Videospielheld mindestens ein halbes Dutzend Wummen tragen können, fünf verschiedene Kampfsportarten beherrschen oder Muskelpakete flexen wie zwei Hulks? Nein! In The Pedestrian reicht auch ein simples Strichmännchen, um die Konsolenbude zu rocken.
Auch ein Strichmännchen hat Ambitionen. The Pedestrian hat die Schnauze voll vom ewig starren Rumstehen auf irgendeinem Strassenschild. Er will raus. Das Problem ist nur, wie transferiere ich meinen 3D-Körper in den dreidimensionalen Raum? Gar nicht, denn The Pedestrian übernimmt einfach die Kontrolle über zahlreiche Panels, Schilder, Poster und Anzeigetafeln.
Das Konzept ist so simpel wie genial. Ihr steuert den gezeichneten Fussgänger durch unterschiedliche Bereiche und löst konstant Rätsel und kleine Puzzles. Anfänglich handelt es sich um simple Sprung- oder Kombinations-Knobeleien, die kaum mehr als zwei Bildschirme ausfüllen. Je weiter unser Held aber voranschreitet, desto kniffliger werden die Exkursionen. Plötzlich muss man Panels in korrekter Reihenfolge arrangieren, verbinden und einen Schlüssel in einen anderen Raum transportieren. Später legt man zwei Bilder übereinander, um einen geheimen Zugang freizuschalten. Manchmal muss der flotter Schreiter auch mehrere Teilrätsel lösen, um gewisse Items zu ergattern, die dann wieder für die Lösung des Haupträtsels benötigt werden.
Die Steuerung ist sehr übersichtlich, entweder springt ihr leichtfüssig durch die Bildstrecken, schiebt oder stösst Blöcke, verbindet ein paar Stromkreise oder zerbrecht euch das schmale Köpfchen an komplexen Knacknüssen. Nach jedem Levelabschluss verbindet eine Rendersequenz die beiden Abschnitte, die zwar keinen Einfluss auf das Spielgeschehen hat, aber wunderbar zur kreativen Präsentation passt.
The Pedestrian benötigt auch keine grossen Einstiegshilfen. Die paar Fähigkeiten unseres Strichkameraden sind umgehend erlernt. Der Rest ergibt sich ganz natürlich durch Ausprobieren und ein wenig Nachdenken. Wer stecken bleibt, ist auf sich allein gestellt. Lösungshilfen oder Tipps&Tricks sucht ihr vergebens. Natürlich ist The Pedestrian kein Umfangmonster. Im Schnitt dauert es 5 bis 6 Stunden, bis man sich wieder vom Hauptakteur verabschiedet.
Fazit:
Es gibt ja immer wieder solche Spiele. Da sieht man irgendwo einen Schnipsel in einem Trailer, macht sich eine mentale Notiz und vergisst es dann wieder. So geschehen bei The Pedestrian. Erst als ich den Titel im PS Store sah, klickte es wieder. Nach dem zweiten Klicken war dann die erste Überraschung 2021 auch schon auf der SDD. Selbstverständlich ist die Erwartungshaltung an so einen kleinen Indie Titel anders, als bei AAA-Hit&Misses, aber die Vergangenheit hat schon oft gezeigt, dass auch kleine Entwickler-Teams genauso innovative Spielkonzepte abliefern können – ich querverweise da auf Celeste, Hollow Knight oder Hades – ohne Millionenbudgets und einer Marketingarmee im Rücken. The Pedestrian punktet ganz klar in Sachen Präsentation. Auch wenn die 4K-Rendereien, die die Levels verbinden, reine Fassade sind, wirkt das Zusammenspiel mit Pedestrian und Panelaction wie aus einem Guss. Als alter Knobelonkel befürworte ich auch, dass ich nicht wie ein Kleinkind mit Hints und Hilfen durch die Levels geschleust werde. Den Mangel an Hilfsoptionen sehe ich sogar als weiteren Pluspunkt, denn die Rätsel sind absolut lösbar. In solchen Fällen kann man ja auch Zockerkumpels und Gamekollegen einladen. Trotz des Singleplayercharakters kann man Strichmans' Abenteuer nämlich auch in der Gruppe spielen. Ab und zu ein wenig Trial and Error gehört dazu. The Pedestrian ist zwar kurz im Umfang, aber im Gegensatz zu anderen Genrekollegen sieht man, dass hier alle Register gezogen wurden, um dem Spieler ein einzigartiges Erlebnis zu bieten. Drei Gründe, warum ich The Pedestrian jedem Playstation Besitzer empfehle: Erstens mit CHF 16.- ist es ein Schnäppchen, zweitens gibt es momentan nicht so viel aufregendes auf der PS5 in dieser Richtung und zu guter Letzt noch die Technik; Einwandfrei, keine Bugs, keine Abstürze. Bravo!
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