Nach Xenoblade Chronicles folgt ein weiterer RPG-Leckerbissen aus Japan, exklusiv für die Wii. Diesmal sind es jedoch keine Debütanten, die sich an dem Genre versuchen, sondern der Altmeister Hironobu Sakaguchi (ehemals bei Squaresoft) mit seinen Mistwalker Studios. Kann The Last Story in Xenoblades Fussstapfen treten und dem J-RPG-Genre einen weiteren Stromstoss zur Wiederbelebung geben? Ob die Operation gelungen ist, erfahrt ihr jetzt..
Die meisten RPGs aus japanischem Hause fühlen sich in Form und Aussehen etwa gleich an. Beweglose Kulissen, mit denen sich nicht interagieren lässt, kleinste Hindernisse, die sich nicht überwinden lassen und Zufallskämpfe, welche in einer speziellen Arena geführt werden. Genau hier tanzt The Last Story aber aus der Reihe. Genreuntypisch lässt sich das Spiel, ähnlich wie ein Action Adventure, aus der dritten Dimension/Perspektive steuern. Mit den Kulissen lässt sich auch so allerhand anstellen, was alles realer und integrierter erscheinen lässt. Brücken fallen in sich zusammen, Säulen stürzen um und viele Türen lassen sich öffnen. Vor allem aber lassen sich die Kämpfe ohne Übergangsphase und in Echtzeit führen. Es gibt sogar die Möglichkeit, sich an Gegner anzuschleichen um sich so einen Kampfvorteil zu verschaffen oder einige Widersacher aus der Ego-Perspektive mit einem gezielten Pfeilschuss zu erledigen.
Trotz radikaler Änderungen fühlt sich das ganze aber trotzdem wie ein klassisches RPG an. Nicht zuletzt, weil die Schwerthiebe automatisch ausgeführt werden sobald man sich in der Nähe eines Gegners befindet. Doch auch in der dritten Perspektive sind taktische Entscheide gefragt und Spezialattacken lassen sich wie in anderen J-RPG-Serien nur nach einer vorgegebenen Wartezeit mehrmals verwenden. Es gibt Zaubersprüche, Schwerter, Heilzauber und alles andere was es so braucht um Schlachten zu überstehen. Trotz neuem Gewand sollten Rollenspiel-Fans also kein Problem damit haben, direkt in das System eintauchen zu können.
Die Story macht es einem auch leicht, sich in die fantastische Welt hinabsinken zu lassen. Das Eintauchen sollte auch bei der Story kein Problem sein. Das Spiel orchestriert (in einer im Vergleich eher kurzen Spielzeit von circa 20 Stunden) ein fantasievolles Märchen, das es in sich hat. Das Spiel dreht sich um Zael und seine Freunde, welche allesamt Söldner sind und einen Auftrag auf der friedlichen Insel Lazulis erfüllen sollen. Während dieses Auftrags stolpert die Bande aber in ein viel grösseres Abenteuer und wird mit einem diabolischen Übel konfrontiert. Die Story bietet vielleicht am wenigsten Innovation jedoch müssen recycelte Szenarien keinesfalls einen Schuss in den Ofen bedeuten.
Zugegebenermassen wären aber Klischees wie der Waisenjunge, die Prinzessin mit magischen Kräften und die Söldnerbande mit mysteriösem Hintergrund nicht unbedingt nötig gewesen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden, ein paar Neuerungen hin und wieder wären aber wünschenswert. Dafür finden die Protagonisten rund um Zael umso mehr gefallen. Trotz des scheinbar omnipräsenten Hangs zur Metrosexualisierung aller Charaktere in Japan, kann diese Gruppe von Söldnern punkten. Dies liegt wohl daran, dass im Gegensatz zu Square-Enix’ letzten Eskapaden zumindest die Männer einen Hauch von Testosteron besitzen.
Anteil daran hat natürlich auch die aussergewöhnlich gut gelungenene englische Lokalisierung. Die Briten scheinen mit Xenoblade Chronicles gute Werbung betrieben zu haben, denn die bunt gemischten Dialekte der Britischen Inseln kehren in The Last Story zurück. Von der immer gut gelaunten und meist angeheiterten Syrenne mit bestem Englisch aus dem nordischen Manchester bis zum arroganten Bösewicht mit schottischem Kauderwelsch. Nicht einmal während einer Rucksacktour durch das Vereinigte Königreich würde man mehr verschiedene Akzente zu hören bekommen.
Die Präsentation des Spiels kann sich sehen lassen. Es ist eines der hübschesten Wii-Spiele, die bis heute erhältlich sind, was - aber leider trotzdem kein Vergleich zur Konkurrenz in HD bedeutet. Das Design der Umgebungen und der Charaktere gehen aber nahtlos ineinander über und kreieren eine Welt, in der man sich gerne verliert. Mittelalterliche Städte, vulkanische Höhlen, Wälder und Friedhöfe gehören zu den facettenreichen Schauplätzen. Ein grösserer Teil des Spiels findet sogar auf Schiffen statt. Die Musik des Altmeisters Nobou Uematsu garantiert übrigens, dass euch die malerischen Welten in ihren Bann ziehen werden.
Wer glaubt, dass 20 Stunden in dieser Traumwelt zu wenig sein sollten, ist übrigens auf dem Holzweg. Die Kurzweiligkeit und das exzellente Kampfsystem packen das Spiel voll mit Inhalt und lassen keine unnötigen Hänger während des Fortschritts zu. Ausserdem lebt das Spiel ausschliesslich von der Story und gibt dem Spieler keine mühsamen Sammelaufträge um die Spieldauer künstlich in die Länge zu ziehen. Speziell J-RPG-Fans, welche keine Zeit mehr für Games mit 60 Stunden aufwärts haben, könnten Gefallen an der relativ bescheidenen Spielzeit finden. Sidequests gibt es aber trotzdem zu erleben. Wer nach dem Abenteuer aber noch Lust haben sollte weiter zu spielen, der darf sich gerne im Multiplayer gegen menschliche Kontrahenten messen.
Fazit:
The Last Story überzeugt mit kleinen Innovationen an einer versteinerten Formel. Die langweiligen Wartepartien im Kampf gehören hier der Vergangenheit an und fusionieren traditionelle J-RPG-Kämpfe mit einem Feeling von Action-Adventures. Wer also die typischen Gameplay-Situationen aus japanischen Rollenspielen satt hat, aber nicht auf monumentale und verträumte Geschichten in Videospielen verzichten will, der sollte sich Mistwalkers neusten Wurf genauer ansehen. Das Duo Sakaguchi/Uematsu hat zwar seit längerem keinen richtigen Hit mehr gelandet, beweisen aber mit The Last Story, dass sie ihr Handwerk immer noch bestens verstehen.
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