Fünf Jahre ist es her, seit uns Bethesda mit Oblivion jegliche Freizeit geraubt hat. Stunde um Stunde haben wir in der Provinz Cyrodiil zugebracht. Ein schweres Erbe in dessen Fußstapfen nun der langersehnte Nachfolger tritt.
Ich war ein sehr grosser Fan von Oblivion. Die schier grenzenlosen Freiheiten, die malerischen Landschaften und unzählige, fantasiereiche Quests haben mich derzeit um meinen Schlaf gebracht. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an Skyirm, möglicherweise zu hoch. Zumindest habe ich das zu Beginn meines Abenteuers gedacht. Der Einstieg ins Epos im Norden von Himmelsrand, oder im Original "Skyrim", war eher beschwerlich. Die Grafik war ein wenig ernüchternd, das Charakterdesign gewöhnungsbedürftig. Die ersten Aufgaben im Dörfchen nach der Flucht haben mich nicht in den von Olivion bekannten Bann gezogen. Zu diesem Zeitpunkt schauderte es mir vor dem bevorstehenden Review. Ein durchschnittliches Review zu Skyrim dürfte Massen von empörten Fans auf den Plan rufen. Doch nach Flusswald geht das Spiel selbstverständlich weiter, viel weiter.
Weisslauf, die erste ernstzunehmende Stadt, beeindruckt jetzt richtig. Ich spürte regelrecht wie mich The Elder Scrolls V von Minute zu Minute mehr hineinzog. Die virtuelle Welt bietet unendlich viele Möglichkeiten, NPC-Charaktere, Landschaftsbilder, Aufgaben und Überraschungen, es ist schwierig, der Faszination zu entkommen. Oblivion-Veteranen kennen die Situation. Eben noch diese eine Quest abschliessen, bedarf es doch nur noch einen kurzen, geschätzt 5-minütigen Fussmarsch zum nächsten Dorf. Auf dem Weg dahin entdecken wir ein altes Gemäuer. Sollten wir jenem mehr Aufmerksamkeit schenken als erst gedacht, ist es nicht unwahrscheinlich, gleich in die nächste mögliche Aufgabe zu geraten. Und wo wir schon mal da sind, können wir doch die Sache „schnell“ erledigen. Aus dem kurz angedachten Dungeon wird möglicherweise eine unerwartet zeitintensive Schatzsucher-Erfahrung die uns nicht vom Joypad lässt. Kaum abgeschlossen geht’s weiter zum ursprünglich anvisierten Dorf. Auf dem Weg begegnen uns Diebe, Mammuts, Riesen oder gar Drachen – aus den fünf Minuten werden Stunden. Zudem haben wir am Ende der Odyssee eine Quest erledigt, vier neue im Gepäck, und das alles ohne die eigentliche geplante abgeschlossen zu haben.
Es gibt immer etwas zu tun in der grossen Weite von Skyrim. Der Entdeckerdrang wird in jeder Sekunde gefordert und befriedigt. In Städten gibt es Unmengen an problembehafteten Bewohnern. Mit Sicherheit können wir, sofern wir denn wollen, jedem von ihnen helfen – oder sie hinterrücks austricksen. Dafür kriegen wir neue Ausrüstung wie Waffen, Nahrung, Zaubertränke und nicht zuletzt Gold. Mit dem edlen Metall rüsten wir uns beim umliegenden Händler auf und erstehen gar Immobilien wo wir unsere hunderte von Gegenständen verstauen. Ein Wegelagerer hindert uns am Weiterkommen? Wir drohen, belügen, bestechen oder töten ihn, die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Einsame Abenteurer finden ebenso ihr Glück wie sozial engagiertere Personen. Verschiedenste NPCs helfen und unterstützen uns nach getaner Arbeit, um beispielsweise ihre Schuld abzuleisten. Mehr als ein Begleiter gibt’s aber nicht, das Spiel würde wohl zu stark vereinfacht. Dafür haben wir noch immer die Möglichkeit des Helden Füsse zu schonen und auf dem Rücken eines Pferdes durch das Land zu streifen – die Begleiter rennen allerdings hinterher.
Trotz dieser Weitläufigkeit hat Bethesda es nicht versäumt, einen roten Faden durch die riesige Welt zu ziehen: Schon zu Beginn entkommen wir nur knapp einem Drachenangriff. Kurz darauf wird uns gesagt, dass wir ein seltenes Drachenblut seien. Das bringt nicht nur ungeahnte Fähigkeiten sondern lässt uns auch zur einzigen grossen Hoffnung des Bezirks werden. So steht es dem Spieler frei der Story zu folgen oder sich durch unzählige Quests „ablenken“ zu lassen. Denn auch abseits der Probleme mit den fliegenden Ungeheuern sind Widrigkeiten zu erwarten. Im Land gibt es Verrat, Frauenprobleme, Neid, Gier sowie politische Turbulenzen – und überall können wir uns hinein ziehen lassen, sofern wir denn wollen.
Bei der Entwicklung des Charakters sind kaum Grenzen gesetzt. Wie bei Rollenspielen üblich, verbessern wir stetig unsere Fähigkeiten. Bei Skyrim so logisch und naheliegend wie in kaum einem anderen Spiel. Nutzen wir den Langbogen vermehrt, verbessern wir uns im Bogenschiessen. Zaubert der angehende Held gerne, wird er in naher Zukunft zum grossen Magier. Wohin gegen der stetige Schwertkampf zum Anstieg des entsprechenden Attributs führt. So ist ein „verleveln“ glücklicherweise nicht möglich. Die einzelnen Verbesserungen führen jeweils zu einem zentralen Levelanstieg. Jener eröffnet die Möglichkeit, eine Spezialfähigkeit frei zu schalten. So verbessern wir die Konversationsfähigkeiten zunehmend, knacken Schlösser in kürzerer Zeit oder steigern die Werte der leichten und schweren Rüstung.
Über Skyrim und die Geschehnisse in den Wäldern, auf den schneebedeckten Bergen und bei den strömenden Flüssen könnte man stundenlang schreiben. Dennoch würde sich kaum der Eindruck vermitteln, der beim Spiel selbst aufkommt. Obschon die Grafik nicht mit Over the Top Qualität glänzt, ist sie speziell in Anbetracht der veralteten Hardware-Generation sowie der schieren Weltengrösse und der offerierten Spielfreiheiten grossartig. Zumal das Gesamtbild in sich stets stimmig ist und man sich effektiv fühlt, als sei man in Skyrim unterwegs. Dazu trägt genau so der überragende Soundtrack bei. Einzig die deutsche Sprachausgabe hinkt typischerweise dem restlichen Technikschmaus hinterher, Englischsprechenden sei die UK Version ans Herz gelegt. Bitte nicht falsch verstehen, schlecht ist die Sprachausgabe keinesfalls, nur nicht ganz so hervorragend wie das bei der Originalvertonung der Fall ist.
Zu guter letzt noch zwei, drei negative Punkte: Bei einem Projekt wie diesem sind KI- oder Enginefehler oftmals in Hülle und Fülle vertreten. Das ist bei Skyrim glücklicherweise nicht der Fall. Obschon ab und an ein Mammut durch die Lüfte segelt, die KI an Steinen hängen bleibt oder Grafikfehler das Gesamtbild trüben, stören diese Dinge den Spielfluss und das Erlebnis kaum. In Anbetracht der enormen Weitläufigkeit von Himmelsrand durchaus zu verzeihen. Einzig die Hartnäckigkeit einzelner Gegner mag ab und an zur Verwunderung führen.
Wenn man sich ohne jegliche Probleme durch ein riesiges Höhlensystem kämpft, nur um dann beim Höhlenvorsteher durch einen einzigen Schlag das zeitliche segnet, wirkt das nicht wie ein Balanceakt des Spieldesigners. Diese Situation muss dem Spieler nicht zwingend begegnen. Wenn sie es tut, nervt es allerdings – speziell weil die vorangegangen Gegner kaum darauf hingewiesen hätten, dass wir mit dem aktuellen Charakterlevel zu schwach wären, um in deren Behausung für Stunk zu sorgen. Jetzt noch eine Bitte an die Entwickler: Dark Souls zeigt, wie ein modernes Kampfsystem aussieht, mit einem Treffer-Feedback der ersten Güteklasse. Hiervon ist auch Skyrim noch weit entfernt - dennoch macht das Blocken und Ansetzen von Hieben ordentlich Spass - perfekt ist es aber bei weitem nicht.
Fazit:
Von anfänglicher Skepsis zum Dauerbrenner. Die Entwicklung, die Skyrim bei mir durchgemacht hat, machen nur die wenigsten Spiele. Noch dazu in einem Spieleherbst, der Tophits am Laufmeter bringt. Da will es was heissen, wenn man sich ausschliesslich durch den Kontinenten Tamriel bewegen will. Drake und der Ruf der Pflicht stehen hinten an – zu Recht. Ein riesiges, magnetisierendes Land welches mir nahezu grenzenlose Freiheiten im Spielablauf gewährt - das fast perfekte Rollenspiel. Da schaue ich mit Freuden über einige Grafik- und KI-Fehler hinweg, zumal die Dungeons im Vergleich zu Oblivion endlich nicht nur interessant sind, sondern es auch bleiben. Jeder der Skelettrittern, Trollen, Riesen und einer gigantischen in sich schlüssigen Fantasywelt nicht abgeneigt ist, muss (ja, er muss!) Skyrim spielen. Ich gratuliere Bethesda zum vorzeitigem „game of the year“-Titel.
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