Jedem Nintendo System sein eigener Mario Release. Switch Käufer mussten mehr als ein halbes Jahr auf den ersten Ausflug des Klempners warten. Ob sich das gelohnt hat und die zugegebenermassen hohen Erwartungen erfüllt wurden, haben wir uns auf dem Weg zur Rettung der holden Prinzessin angesehen.
Selten fiebern wir einem Spiel dermassen entgegen, wie das bei einem neuerlichen Ausflug ins Pilz-Königreich der Fall war. Umso grösser war die Freude, als wir den Latzhosen-Träger wieder durch üppige 3-D Welten steuern durften. 2017 ist Mario nicht mehr in weit entfernten Galaxien und auf Planeten unterwegs, sondern (mehrheitlich) zurück auf der altbekannten Erde. Mindestens genauso bekannt sind Marios Probleme, mit welchen er sich einmal mehr rum zu schlagen hat. Peach wurde entführt, ein Running-Gag im Pilz-Königreich. Wer damit zu tun hat ist sofort klar: Bowser ist mit von der Partie und möchte die liebliche Prinzessin auch gleich heiraten. Um das zu verhindern verfolgt der Klempner die Riesen-Echse auf deren Weg der Hochzeitsvorbereitungen. Unterstützung gibt’s diesmal nicht von Yoshi, sondern der eigenen Mütze. Jene lernt Mario gleich zu Beginn im Hut-Land kennen. Da beide ähnliche Ziele verfolgen (auch der Mützen-Kollege möchte seine Angebetete zurück nach Hause bringen) liegt eine Zusammenarbeit geradezu auf der Hand.
Und hier wären wir auch schon bei der Gameplay Innovation schlechthin: Der neu hinzugewonnene Freund darf auf unzählige Freunde, Feinde und gar Gegenstände geworfen werden. Das verschönert jene nicht nur ungemein, Mario schlüpft auch gleich in deren Haut. Fortan wird über Goombas, Dinos und Lakitu bis hin zu Gabeln allerlei selbst kontrolliert und durch die 3D Landschaften gesteuert. Jeder der in den Levels rumlungernden Anhänger Bowsers hat dabei seine eigene Spezialfähigkeit. So rutscht der gemeine Goomba nicht auf eisigen Flächen und Hammer-Brüder lassen uns wenig überraschend Hämmer durch die Gegend werfen. Hier wollen wir nicht zu weit vorgreifen oder zu viel erzählen. Das Entdecken der verschiedenen Möglichkeiten und die unterschiedlichsten Formen der Interaktion machen einen Grossteil der eigenen Spielerfahrung aus. Durch das „in eine andere Haut schlüpfen“ offenbart das Spiel mal einfachere, mal schwierigere Rätsel, um an begehrte Gegenstände zu gelangen.
Waren es die Sterne, welche in vergangenen Mario-Eskapaden zum Objekt der Begierde wurden, sind es heuer Monde. Eine gewisse Anzahl davon will in jedem Level gefunden werden, um die eigene Odyssey wieder flugfähig zu machen, nur mit jener klappt der Wechsel in andere Welten. Die kleinen Himmelskörper sind überall in den Abschnitten verteilt und wollen auf unterschiedlichste Arten gefunden werden. Durch das Lösen von Rätseln, das Besiegen von Zwischen- und Endgegnern sowie schlicht den Kauf im Kleinladen um die Ecke. Jener befindet sich jeweils einmal in jedem Level und offeriert auch Zusatz-Energie oder unzählige neue Mario-Kostüme. Selbstredend nur gegen Bares, die dazu notwendigen Münzen liegen ebenso in den Levels rum oder werden altbekannt durch das Besiegen von Feinden abgreifbar. Zudem gibt es in jedem Level eine feste Anzahl violetter Münzen, welche nur im jeweiligen Level ausgegeben werden dürfen. Die Kostüme selbst haben bis auf den kosmetischen Part und in wenigen Fällen als Einlass-Notwendigkeit keine Funktion. Dennoch ist es unerwartet spassig, Mario auch mal ungewohnte Klamotten zu verpassen und beispielsweise als Pirat durch die Levels zu hüpfen.
Als ob es der gebotenen Abwechslung nicht schon genug wäre, lassen auch die unterschiedlichen Levels zu keinem Moment Langeweile aufkommen. Von der Südsee-Insel über die Wüste bis hin zum Schlemmer-Land oder einem kleinen aber feinen Dark-Souls inspirierten Hügel. Dabei hat jeder Level seine ganz spezifischen Eigenheiten und erfordert andere Herangehensweisen. Oft werden die anwesenden Kreaturen und Gegenstände zum eigenen Vorteil verwendet; das erfordert nicht nur etwas Kreativität, es hält den gesamten Weg durchs Spiel auch äusserst frisch. Zu keinem Zeitpunkt entsteht der Gedanke, man hätte dies oder jenes schon zuvor gesehen. Zudem wirkt der Titel sowohl auf dem heimischen Grossbild-Fernseher wie auch im Handheld-Modus technisch nahezu perfekt. Die richtig hübschen 3D-Welten untermalt mit wohlklingenden Remixen alter Mario Songs und dazu passende SFX – mehr geht im Mario Universum kaum. Einzig die frei regulierbare Kamera könnte in einigen Situationen besser automatisiert funktionieren. Übrigens gibt es auch mit dem, aus Super Mario Bros bekannten, 2D Mario ein Wiedersehen; die perfekte Integration von 2D und 3D Gameplay, alleine jene Abschnitte wären schon den Kauf des Spiels wert.
Sucht man Kritikpunkte, findet man auch welche. Bei diesem Titel muss dafür aber tatsächlich die sprichwörtliche Lupe hervorgekramt werden. Zwischen den Levels wird uns regelmässig ein Teil der Steuerung erklärt, dazu müssen zwei bis drei Textboxen weggedrückt werden, unnötig. Zudem ist die Kontrolle über einige wenige Objekte nicht über jeden Zweifel erhaben. Ist das oft kaum auffallend, sind speziell die Kugelwillis (Kanonen-Geschosse) etwas eigenwillig durch enge Gassen zu führen. Das sind letztendlich komplett zu vernachlässigende Dinge, die in einem Test aber dennoch nicht unerwähnt bleiben wollen. Zu guter Letzt gibt es übrigens noch einen Zweispieler-Modus, in welchem ein Spieler die Mütze übernimmt. Eine nette Dreingabe, die aber wohl nur wenige wirklich nutzen werden.
Fazit:
Super Mario Odyssey ist ein seltenes Gut Software-Geschichte. Ein Spiel, welches man wirklich jedem empfehlen kann, oder gar muss. Ein Spiel, dass jeder Videospieler erlebt haben sollte. Eines, das nicht nur den Kauf der Konsole alleine rechtfertigt, auch eines, das nicht mehr in Vergessenheit geraten wird. Nintendo hat Mario nicht neu erfunden, aber tatsächlich revolutioniert. Derart viele kreative Gameplay Ideen wie hier, haben wir gebündelt in noch keinem Spiel zuvor gesehen. Das schöne in Odyssey ist das eigene Entdecken dieser Dinge, weswegen nur von YouTube- und Let’s Play-Videos abgeraten werden kann. Jede Minute die wir auf der Suche nach Monden und Münzen im Pilz-Land verbringen, ist ein wahrer Videospiel-Hochgenuss. Schön, dass jener lange nicht zu Ende sein muss; selbst nach Bowsers Niederlage darf weiter nach noch nicht gefundenen Monden gesucht werden und der Titel offenbart danach noch die eine oder andere Überraschung. Was bleibt ist den kreativen Köpfen bei Nintendo einen grossen Dank auszusprechen und dem geneigten Leser mit auf den Weg zu geben, sich dieses Feuerwerk der wohltuend frischen Ideen keinesfalls entgehen zu lassen.
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