Wer auf gigantische Roboter, realistische Kriegs-Simulationen und abgefahrene Peripherie steht, bekommt mit Capcom's Vorzeige-Mech-Game gleich alles in einem Paket. Voraussetzung ist lediglich etwas "Kleingeld" und natürlich eine Xbox!
Eigentlich ist es völlig unwirtschaftlich, so ein Spiel wie Steel Battalion zu realisieren. Der monströse Doppel-Joystick allein wiegt rund 8 kg und man muss sich den administrativen Aufwand mal vorstellen, all die grossen und gewichtigen Dinger in Paketen an Händler und von dort an Endkunden auszuliefern. Das wird teuer und eigentlich rechneten wir aufgrund dessen nicht mit einer Veröffentlichung in Europa. Schliesslich sind wir Europäer nicht gerade bekannt für unsere Vernarrtheit in schwerbewaffnete, Hochhaus-grosse Metall-Monster - ganz im Gegensatz zu unseren japanischen Freunden. Aber vielleicht gelingt es Capcom ja jetzt, uns mit diesem ziemlich aussergewöhnlichen Spiel umzupolen.
50% der Faszination von Steel Battalion geht natürlich vom mega-fetten Steuerpult samt Fusspedalen aus. Hat man die drei einzelnen Einheiten erstmal zu einem Ganzen zusammengebastelt und eingesteckt, fängts auch schon überall zu blinken und zu leuchten an. 40 (vierzig!) Buttons stehen dem ambitionierten Mech-Piloten zur Verfügung und allein für das Aufstarten der Bord-Systeme werden 8 dieser Knöpfe benötigt.
Zu Beginn ist man schlicht erschlagen von den vielen Optionen, Knöpfen, Drehreglern und den damit verbundenen Funktionen des Mechs. Eigentlich nennt man die Mechs in Steel Battalion „VT’s“ (Vertical-Tanks) was den Mix aus Roboter und Panzer recht gut umschreibt. Weil das Spiel sozusagen eine hardcore-Simulation ist, steuern sich die Stahl-Kollosse relativ träge übers Schlachtfeld. Erwartet also keine super-schnelle Action à la Armored Core oder so. Ihr müsst viel Geduld, Lernwillen und Geschick mitbringen, wollt ihr zu den top VT-Piloten gehören und auch die letzte der 23 Missionen heil überstehen! Leider bietet euch das Spiel keinen Tutorial- oder Trainings-Modus, ihr werdet gleich ins kalte Wasser geworfen, dürft jedoch jede beendete Mission im Free-Play nochmals bestreiten und eure Highscores verbessern.
Zur Story: Das Jahr 2080. Die Entwicklung militärischer Systeme stagniert. Im Zuge der Abrüstung wurden viele militärischen Projekte auf Eis gelegt und unnötig grosse Armeen reduziert (was für ein Wunschdenken!). Der VT, mit seiner unglaublichen Feuerkraft in Kombination mit der Möglichkeit, von nur einer Person gelenkt zu werden, ersetzt bewaffnete Streitkräfte wie Soldaten und Panzer und ist zur wichtigsten Waffe der meisten internationalen Streitkräfte geworden. Der Spieler meldet sich nun freiwillig zum Dienst bei der 7. Spezial Panzer-Division, wird aber noch vor seinem ersten Test-Kampf im Simulator gezwungen, einen echten VT zu besteigen, weil feindliche Truppen plötzlich den heimischen Militär-Stützpunkt überrumpeln... schlussendlich soll der Held der Geschichte den jahrelangen Konflikt beenden.
Die Missionen sind inhaltlich sehr abwechslungsreich und motivierend. Ihr verteidigt Convoys, wehrt Luftangriffe ab, infiltriert eine VT-Fabrik, kämpft in Städten oder an Sandstränden (D-Day2?), sucht nach Gift-Containern im Dschungel, bestreitet Nacht-Einsätze und vieles mehr. Leider drückt ständig ein Zeit-Limit auf den Stress-Nerv, was nicht immer langsames und taktisches Vorgehen zulässt. Wer hirnlos in die Action rennt, wird bald vom Eject-Button gebrauch machen müssen. Wer das verpennt, verliert - und jetzt kommts! - nicht nur sein Leben und seinen VT, sondern auch gleich den ganzen Spielstand! Wie im echten Leben eben. Dann heisst es ganz von vorne anfangen!
Während der militärischen Karriere darf der talentierte Mech-Pilot an über 20 verschiedenen VTs aus vier Generationen Hand anlegen. Die "1st Generation VTs" sind eher klein, schwerfällig und verhältnismässig schwach bewaffnet („Decider“). Die Reichweite der Waffensysteme und des Radars lassen noch stark zu wünschen übrig, genauso wie das eingeschränkte Sichtfeld. Viele altertümlich wirkende Anzeigen und Info-Bildschirme verdecken über die Hälfte des Screens. Die neueste Generation VTs hingegen ist gross, extrem agil, gut gepanzert und strotzt nur so von Feuerkraft („Juggernaut“). Diese Klasse bietet ausserdem den Luxus digitaler Anzeigen und eines Wide-Screen Multi-Monitors im Cockpit, somit habt ihr wieder die Hälfte des Screens für die Action zur Verfügung.
Fazit:
Optisch überzeugt Steel Battalion durch die vielen kleinen Details: wunderschöne Explosionen, herumfliegende Dreck- und Steinbrocken, einstürzende Hochhäuser, kleine Soldaten und Panzer (die ihr auch zerstampfen könnt) und viele kleine, grafische Gags wie z.B. Dreck/Wasser an der Frontscheibe oder die konstanten Störungs-Filter bei der Monitor-Übertragung (was das Ganze noch realistischer aussehen lässt). Dadurch wirkt aber alles leicht unscharf und verschwommen. Capcom versteckt dahinter vielfach auch technische Schwächen, wie etwa verwaschene oder unscharfe Texturen. Leider schafft es auch die Grafik-Engine nicht zu jeder Zeit die angepeilten 30 Frames zu halten und das, obwohl die Backgrounds relativ spät und gut sichtbar aufbauen. Glücklicherweise tun diese kleinen Patzer dem Spielspass keinen Abbruch. Ich muss aber zugeben, dass dies hauptsächlich am abgefahrenen Controller liegt. Steel Battalion ist ohne Zweifel eine einzigartige und äusserst intensive Spielerfahrung, wie ich sie in meiner langjährigen Gamer-Karriere selten erlebt habe und ohne die erwähnten Patzer hätte sich Steel Battalion den Gold-Award verdient gehabt!
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