“25 Years in the Making” - Wenn es um die Entwicklung und Veröffentlichung von Bethesda's neustem Mega Rollenspiel Starfield geht, hat man sich beim Marketing in keinster Weise zurückgehalten. Für Xbox und Bethesda steht mit dem Science Fiction Epos auch viel auf dem Spiel. Die Erwartungen waren also massiv. Deshalb haben wir uns auch viel Zeit genommen, um möglichst viel von den Weiten des Weltalls zu erkunden. Taugt der Weltraum-Simulator was?
Das Setup ist so stabil wie altbekannt von Bethesda: Man startet als Nobody, der per Zufall in eine lebensverändernde Situation geworfen wird, was in einem der grössten Abenteuer aller Zeiten endet. In diesem Fall ist es ein ganz normaler Gig als Space-Minenarbeiter. Während einer gewöhnlichen Schicht findet man ein mysteriöses Artefakt, das einem eine abgefahrene Vision beschert. Dadurch weckt man das Interesse von Constellation, einer Gruppe von Entdeckern und Forschern, die alles über diese Artefakte wissen wollen. Sie statten einen mit einem Raumschiff, ein paar Ressourcen und Koordinaten für weitere Artefakte aus. Und damit steht einem schon die ganze Galaxie frei zu bereisen. Ob man dabei der Mission von Constellation oder einem eigenen Pfad folgen will, steht einem komplett offen.
Die Hauptgeschichte rund um die Artefakte und ihre Geheimnisse startet zwar interessant, verliert aber schnell an Momentum und plätschert dann nur noch vor sich hin. Sie nimmt im späteren Verlauf zwar wieder etwas Fahrt auf, ist jedoch selten spannend genug, um einen zu motivieren, stur dem roten Faden zu folgen. Dafür gibt es zu viele Nebengeschichten, die um Aufmerksamkeit buhlen und in der Regel deutlich interessanter sind. Wie die Entwickler zurecht mit Stolz sagen, ist Starfield ihr erstes eigenes Spiel-Universum seit langer Zeit. Dieser Aspekt verdient auch viel Lob. Das Sternenfeld fühlt sich grossartig an. Es bietet viel Hintergrundgeschichte zum Eintauchen, welche den Werdegang der Menschheit in das 24. Jahrhundert in allen Details beleuchtet. Es gibt ein Dutzend systemumspannende Fraktionen, kleinere auf Planeten ansässige Gruppierungen, Religionen, Ereignisse, Korporationen und Berühmtheiten, die man bis ins kleinste Detail kennenlernen kann. Es kommt dabei nicht um viele Sci-Fi Klischees herum. Es schafft es aber auch, viele dieser Tropen zu umschiffen oder sogar eigene Wege einzuschlagen. Wer jedoch nur ins Spiel eintauchen will und sich wenig um all diese Informationen kümmert, wird damit nicht unnötig bombardiert und gelangweilt.
Die erwähnten Hauptfraktionen bieten zum Teil auch umfangreiche Quests an. Dabei kann man gleichzeitig allen beitreten, wobei dieser Aspekt spielerischer Freiheit wichtiger ist als hundertprozentige, logische Immersion. In einer Mission steigt man in den Rängen der Crimson Fleet Piraten auf, nur um eine Stunde später den guten und braven United Colonies bei einem Alienproblem zu helfen, um als Belohnung eine Staatsbürgerschaft zu erhalten. Auf Kosten der Logik kann man dadurch in einem Playthrough alle verfügbaren Missionen spielen, was ich als sehr entgegenkommend empfinde, auch wenn es sich im Spiel durchaus komisch und zusammenhanglos anfühlen kann. In diesen Fraktionsmissionen werden auch tolle Geschichten erzählt, bei denen man als Spieler oft selbst entscheiden kann, in welche Richtung man diese Stories leiten will. Ob man sich z.B. durch eine Undercover Mission, bei der man Space Piraten infiltrieren muss, dann tatsächlich auf deren Seite schlägt oder ob man den Weltraum-Polizisten der Vanguard treu bleibt, hängt vom eigenen Verhalten während den Missionen und der eigenen Einstellung ab.
Neben diesen langen Questlines, die gerne fünf oder mehr Stunden in Anspruch nehmen können, gibt es noch viele kleinere Quests, die den Weltraum lebendig werden lassen. Oft sind das sehr simple Sammel- oder Kill-Aufgaben, dennoch geben sie einen guten Einblick in das Leben der Bewohner von Starfield. Dazu tragen auch zufällige Ereignisse bei, die im Weltraum oder auf den Planeten passieren können. Eine frühe Quest gibt einem die Möglichkeit, die Mantis zu finden, ein Raumschiff, das von einem Vigilanten genutzt wurde, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Fliegt man die Mantis und wird von Spacern angegriffen, besteht die Möglichkeit, dass sie das Schiff erkennen und panisch versuchen, aus dem System zu fliegen, weil sie wissen, dass sie gleich aus dem All gepustet werden. Diese Momente, die überhaupt keinen Einfluss auf die Geschichte haben und einen nicht mit Credits, Erfahrungspunkten oder Loot überhäufen, machen Starfield zu einem echten Erlebnis. Es fühlt sich organisch an und macht jede Menge Spass.
Auf der Seite des Gameplays gibt es ebenfalls sehr viel zu erwähnen. Das fängt mit einem umfangreichen Charakter Editor an, in dem man sich viel Zeit dabei lassen kann, seine eigene Heldin (oder Held) zu gestalten. Neben den offensichtlichen physischen Attributen, muss man sich ebenfalls für eine Klasse und mehrere Merkmale zur eigenen Herkunft entscheiden. Die Klasse gibt einem einige erste Skillpunkte, wodurch man von Anfang an vielleicht ein wenig besser verhandeln oder ballern kann, viel Einfluss hat es jedoch nicht. Die erwähnten Merkmale bieten mehr Spielraum fürs Rollenspiel. Ist man ein Intro- oder Extrovert, wodurch man mehr Ausdauer hat, wenn man mit oder ohne Begleitung unterwegs ist? Gehört man schon einer der Hauptfraktionen an, wodurch man in Gesprächen teilweise mehr Optionen hat, um sich Gehör zu verschaffen? Neben dem leichten Einfluss aufs Gameplay, bieten sie einem die Möglichkeit, seinen Charakter noch mehr zu personalisieren, was schön ist. Gleichzeitig verdirbt man sich damit nicht spätere Möglichkeiten oder wird zu sehr auf eine bestimmte Schiene gelenkt, von der man nicht mehr wegkommt. Erfahrungspunkte werden klassisch durch das Killen von Gegnern, dem Erledigen von Quests oder anderen kleinen Aufgaben gesammelt. Steigt man im Level auf, erhält man einen Skillpunkt, um sich weiterzuentwickeln. Die Skills sind grob in Physik, Soziales, Wissenschaft, Tech und Kampf eingeteilt. Je mehr Punkte man investiert, desto mehr Möglichkeiten bietet jeder diese Talentbäume. Hier gibt es Talente, die einem im Spielverlauf hilfreicher sein können als andere, doch wirklich verskillen kann man sich trotzdem nicht. Hilfreich ist, dass man nicht alle Skills komplett hochleveln muss, um spürbare Vorteile zu erhalten. Oft reichen schon ein oder zwei Punkte in einer bestimmten Fertigkeit, um diese viel effektiver nutzen zu können.
Dank der Möglichkeit, sich durch Verteidigungsanlagen zu hacken, mit Stealth zu agieren und Gefahrensituationen in Gesprächen zu entschärfen, muss es nicht immer zum Kampf kommen. Wie es zu erwarten ist von einem Spiel dieser Art, kommt es jedoch trotzdem oft genug zu Scharmüzeln mit allerlei Gesindel und ausserirdischen Kreaturen. Starfield fühlt sich dabei, besonders im Vergleich zu Fallout 4, richtig gut an. Es gibt zwar die Möglichkeit mit Nahkampfwaffen loszustürmen, der Einsatz von Schusswaffen steht jedoch klar im Mittelpunkt. Die Waffen haben schon fast zu viel Rückstoss (bis man sie im späteren Spielverlauf mit allerlei hochleveligen Upgrades zu wortwörtlichen Lasern machen kann) und manchmal fehlt ein wenig das Trefferfeedback, wenn man gegen einen Gegner mit einem enorm grossen Healthpool kämpft, allzu störend fällt es jedoch nicht auf. Die Waffenauswahl ist abwechslungsreich und bietet damit Schiesseisen aus unseren heutigen Zeiten, moderne Versionen von bekannten Schiessprügeln und natürlich allerlei Laser- und Plasma-Gedöns. Leider konnte ich nichts finden, das sich wirklich abgefahren anfühlt, alles was ich in meinem Durchgang gesammelt und gekauft habe wirkt sehr geerdet und damit irgendwann fast schon langweilig. Trotzdem machen die Ballereien viel Spass, auch wenn sich die gegnerische KI auf dem normalen Schwierigkeitsgrad manchmal sehr tollpatschig anstellt. Nichtsdestotrotz nutzen sie ihre Booster für schnelle Stellungswechsel, versuchen einen mit Granaten aus der Deckung zu holen oder flankieren einen, um in den Nahkampf zu wechseln.
Nicht ganz so gelungen fühlt sich - zumindest anfänglich - der Kampf im Weltraum mit den Schiffen an. Das liegt aber nicht am Gameplay selbst, sondern daran, dass das Grundschiff nicht allzu stark ist und sich ohne bestimmte Punkte in den Talenten langsam und verwundbar anfühlt. Montiert man erst einmal bessere Teile oder wechselt gleich das ganze Schiff aus, werden auch die Dogfights deutlich unterhaltsamer und man kann sich auch gegen mehrere Gegner gleichzeitig effektiv wehren.
Neben den Kämpfen am Boden und im All verbringt man viel Zeit in Gesprächen mit den Bewohnern der Systeme, auf denen man landet. Diese sind in der Regel gut geschrieben und die englische Vertonung lässt kaum zu wünschen übrig. Manchmal erhält man auch die Möglichkeit, sein Gegenüber zu überreden, wobei der Erfolg hier von den eigenen Skills und dem Glück abhängt. Es sind unsichtbare Prozentwerte, die per Zufall darüber bestimmen, ob man jemanden überredet oder nicht. Hat man Glück, kann man solche Sequenzen auch mit kritischem Erfolg abschliessen, was sich oft sehr bizarr anfühlt. So musste ich jemanden davon überzeugen, mir einen Safeschlüssel zu geben, bevor es in Gewalt endete. Ich wählte eine Option, die sich als Einleitung zu weiteren Verhandlungen verstand, hatte aber einen kritischen Erfolg und mir wurde der gewünschte Schlüssel ohne weiteren Dialog ausgehändigt. Dies ist für mich deutlich schwerer zu verkraften in Sachen Immersion und hat einen faden Nachgeschmack hinterlassen.
Natürlich darf auch Crafting nicht fehlen, wobei die Optionen erneut eher mager ausfallen, solange man keine Skillpunkte in den jeweiligen Bereichen einsetzt. Man kann seine Waffen mit neuen Aufsätzen versehen, den Spacesuit erweitern und verbessern oder Drinks und Mahlzeiten zubereiten. Deutlich spannender ist die Möglichkeit sein eigenes Raumschiff zu gestalten, vom Reaktor im Kern bis zu allen Waffen-, Lagerungs- und Wohnoptionen. Etwas unverständlich ist, dass es anscheinend noch keine Möglichkeit gibt, ein Schiff komplett frisch zu kreieren. Stattdessen muss man ein bestehendes Schiff auseinander nehmen und kann sich dann daran setzen, etwas eigenes zu erschaffen oder sich etwas aus der Popkultur nachzubauen. Das Spiel gibt einem dabei sehr viel Spielraum, vorausgesetzt man hat sich die nötigen Teile gekauft und freigeschaltet. Ähnlich verhält es sich mit dem Bau von Aussenposten auf den Planeten. Man kann sich zwar beispielsweise ein simples Häuschen bauen, die Möglichkeiten sind jedoch viel grösser. Man baut sich Roboter, die gewissen Aufgaben nachgehen, stellt Extraktoren auf, die automatisch Ressourcen sammeln, welche ebenfalls automatisch zu anderen Aussenposten verschifft werden können, wo sie dann in andere Ressourcen oder Gegenstände verarbeitet werden. Das Spiel zwingt einen nicht dazu, einen Aussenposten zu bauen oder sich selbst Schiffe zusammenzustellen, die Optionen bieten aber viel Spielraum für alle, die sich richtig reinfuchsen wollen.
Schon vor dem Release hat Todd Howard von Bethesda mit viel Pomp bekannt gegeben, dass es in Starfield 1000 Planten in 100 Systemen gibt. Hier wäre in meinen Augen weniger mehr gewesen. Denn die meisten dieser Planeten sind nicht von Hand gemacht und wurden nur prozedural generiert, was an und für sich nicht schlimm ist. Es bedeutet aber auch, dass diese Planeten wenig zur Erkundung einladen. In nur wenigen Spielstunden findet man auf ganz verschiedenen Himmelskörpern immer wieder die genau gleichen Piraten, eroberten Basen oder Höhlen und scannt ominöses Getier- und Pflanzenleben. Planeten, Städte oder andere Wahrzeichen, die von Hand gestaltet und platziert wurden, wirken dafür sehr organisch. Der Rest fühlt sich wie ein sehr weiter und sehr seichter Ozean aus “Content” an.
Ein weiterer sehr grosser Negativpunkt sind die Menüs. Von denen gibt es nicht nur sehr viele, sie sind auch nicht übersichtlich, intuitiv, gut erklärt oder einfach zu bedienen. Man kann sich zwar im Spielverlauf daran gewöhnen, gut geht aber anders. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Spieler nach 100 oder noch mehr Spielstunden gewisse Features der Menüs schlicht noch nicht entdeckt haben, was für schlechtes Design spricht. Ebenfalls ziemlich immersionsbrechend ist die ständige Schnellreise von System zu System und Planet zu Planet. Man hat zwar die Möglichkeit, von einem Ende der Spielwelt zur anderen manuell zu fliegen, was aber nicht allzu viel Spass macht und enorm viel Zeit beansprucht. Stattdessen klickt man sich durch die Menüs, wählt seinen nächsten Zielpunkt und wird unzeremoniell per Ladebildschirm dorthin verfrachtet. Ladebildschirme sind wohl der grösste Immersionskiller überhaupt und Starfield hat davon viele. Ebenfalls zu bemängeln ist das Fehlen nützlicher Karten, wenn man zu Fuss unterwegs ist. Man kann sich zwar Marker für das Missionsziel anzeigen lassen, aber wer in einer Stadt einen bestimmten Händler finden will, ist sich selbst, der Spielwelt oder dem Internet überlassen.
Zumindest für mich (auf der Xbox Series X) hat Starfield technisch eigentlich kaum Wünsche offen gelassen. Es läuft zwar "nur" mit 30 Bildern pro Sekunde, welche sich auch in grossen Kämpfen oder bevölkerten Gebieten stabil anfühlen. Kleinere Bugs oder Clippingfehler, wie man sie von Bethesda gewohnt ist, gibt es zwar zu Hauf, meinen Spielspass haben diese aber nie gemindert. Komplettabstürze habe ich keine erlebt, was laut Nutzerberichten im Netz aber nicht für alle gilt. Der Soundtrack von Komponist Inon Zur ist exzellent und extrem atmosphärisch. Die englische Sprachausgabe ist ebenfalls sehr gut ausgefallen, auch wenn sich die deutsche Synchro nicht verstecken muss. Diese ist jedoch überhaupt nicht lippensynchron, was mich genug gestört hat um direkt wieder auf Englisch zu wechseln.
Fazit:
Ich hatte enorm viel Spass mit Starfield. Zumindest zum grössten Teil. Es ist schwierig dem Ganzen eine abschliessende Note zu verpassen. Betrachtet man es aus einem bestimmten Blickwinkel, ist es nicht viel mehr als die typische Bethesda-Formel im Weltraum. Aus einem anderen Blickwinkel ist es ein unglaublich tiefes Rollenspiel, in dem man sich für hunderte Stunden verlieren kann. Viele Features, die ein Teil der Spielerschaft wohl nie nutzen wird, wie der Bau von Aussenposten, hat so viele Schichten, die man nur mit viel Ausprobieren oder guten Tutorials überblicken kann. In anderen Aspekten ist es jedoch nicht einmal tiefer als eine Fingerbreite. Wer sich vorstellen kann, mit Starfield Spass zu haben, der wird diesen auf jeden Fall finden. Wem das alles überhaupt nicht zusagt, der sollte vielleicht lieber einen Bogen drum machen, auf weitere Updates warten oder eben in der Gamepass-Bibliothek darauf zugreifen.
Starfield ist für Xbox und PC erschienen. Wir haben uns das Spiel auf einer Xbox Series X angesehen. Das Test-Muster stammt von Bethesda, wofür wir uns herzlich bedanken!
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