Als Redakteur für ein PC- und Videospielemagazin baut man sich den Bericht im Kopf ja schon beim Spielen des zu kritisierenden Produktes zusammen. Mein erster Gedanke war, eine Attitüde auf Robert Stevenson's Dr. Jerkyll & Mr. Hyde zu verfassen. Das hat aber leider nicht so geklappt, wie ich es mir gewünscht habe.
Die nächste Idee war irgend etwas mit Werwölfen, doch um das Spielerlebnis von Sonic Unleashed in eine perfekte Symbiose zwischen Bericht und Horrorliteratur zu bringen, ist das Spiel schlicht zu knallig und zu bunt. Darum hab ich mich nach etlichen Versuchen dazu entschieden, euch am besten frisch von der Leber weg, etwas über das Spiel zu erzählen.
Schande über mich! Ich hoffe ich werde jetzt nicht gleich mit „Hass-Mails“ zugebombt, aber ich muss euch folgendes gestehen: „Ich habe bis jetzt noch nie ein Sonic Spiel gezockt!.“ Klar hab ich mich ansatzweise daran versucht, aber so richtig gepackt hat mich die Serie nie. Vielleicht bin ich aber auch deswegen geeignet euch etwas über das Spiel zu berichten, da ich nicht voreingenommen bin. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass ein Fan der Serie das Spiel falsch bewertet – als Fan muss man ein Produkt sogar mit seinen Vorgängern vergleichen, das versteh ich vollkommen. Aber als „nicht Kenner“ kann man eventuell etwas objektiver an die Sache rangehen und genau das will ich jetzt hier versuchen.
Den Silberling eingelegt, präsentiert euch Sonic Unleashed ein stark an Star Wars erinnerndes Render-Intro. Aber auch nur in den ersten paar Sekunden, bis der bööööse Dr. Eggman (man kann diesen Eierkopf einfach partout nicht ernst nehmen) auf der Leinwand erscheint und den knuddeligen ADS-Igel, durch die gebündelte Energie der Chaos Emeralds, in einen Zwitter Igel-Werwolf verwandelt und ihn auf seinen Heimatplaneten zurück katapultiert. Als netter Nebeneffekt – aus der Sicht des Eiermanns - zerspringt Sonics Planet durch die freigesetzte Energie eines Ungeheuers, in 9 Teile. Es sieht ganz danach aus, als hätte Dr. Ivo Robotnik (ja, trotz meines Unwissens über Sonic, hab ich recherchiert) es endlich geschafft, die Weltherrschaft an sich zu reissen und dabei erinnerte mich Eggman irgendwie doch ein wenig an Brain aus der Serie „Pinky&The Brain“.
Nach einer etwas unsanften Landung auf einem kleinen, schnukeligen (Zitat meiner besseren Hälfte: „Och wie süüüüüüüüssss....schau mal.....die kleinen niedlichen Flügelchen!!“) „etwas“, könnt ihr auch schon selbst Hand anlegen und den Flitzer, der auch gut ein Adidas oder Nike Werbeträger sein könnte, zur ersten Stadt im Spiel geleiten. Immer mit dabei: die weiche, süsse Landemöglichkeit, die von Werwolf-Sonic schon bald mit dem Namen „Chip“ getauft wird. Die arme Sau hat einfach ein kleines Problem. Wenn nämlich ein rosa Flügel-Wesen mit einem Igel-Werwolf (Massstab 1:10) zusammenprallt entsteht entweder Himbeer-Marmalade oder, wie im Fall von Chip, Amnesie. Der kleine Flieger mit der nervigen Stimme hat nämlich beim Zusammenprall sein Gedächtnis verloren. Hilfsbereit wie Igel-Werwölfe eben sind, entschliesst sich Sonic, neben seiner Weltrettungsmission auch noch, Chip zu seinem Gedächtnis zu verhelfen. Auf ins Abenteuer.
Das Ziel des Spiels: Die zersprungenen Kontinente wieder zu einer funktionierenden Kugel zusammenzusetzen. Dies erreicht ihr, indem ihr durch verschiedene Städte streift (ja, das Spiel besitzt rudimentäre RPG-Elemente), und die Levels nacheinander abarbeitet. Spielt ihr das Spiel am „Tag“ verwandelt sich Werhog-Sonic zurück in seine normale Gestalt und ihr flitzt mit einem Affenzahn durch coole Levels, überwindet per Knopfdruck Hindernisse und sammelt dabei goldene Ringe ein, die euch entweder „Boost“ oder – Sonic typisch – ein Leben schenken. Dabei macht euch ab und an die etwas störrische Kamera einen Strich durch die Rechnung, da diese teilweise neben Sonic „mitfährt“ und euch dabei den Blick auf nahende Stolpersteine verweigert. Das Trial&Error-Prinzip lässt grüssen.
Wenn der Tag dann der Nacht weicht (nach etwa einer Stunde Spielzeit könnt ihr manuell zwischen Tag und Nacht wechseln), wird aus Hedgehog-Sonic der Werwolfartige Werhog-Sonic. Ab jetzt wird nicht mehr mit Überschallgeschwindigkeit durch die Levels gedüst, sondern ihr prügelt euch mit Horden Eggmans Roboter-Schergen. Mit seinen riesigen Pranken verteilt Sonic richtige „Ohrwatschen“ à la Bud Spencer. BAMM – einfach auf die Blech-Backe drauf und gut ist. Habt ihr einen Robo-Schergen genug geprügelt offeriert euch das Spiel ein kurzes Quick-Time-Event für einen „Finishing-Move“. Eine weitere Neuerung seitens SEGA sind Werhog-Sonic's neue Fähigkeiten. Durch die durchgeführte Transfusion hat das Kerlchen nun Gummiarme, die sich prima dazu eigenen, an Kanten entlang zu hangeln. Simple „Schieb-die-Kiste-dahin-wo-es-leuchtet“ Rätsel runden die doch relativ einfach gehaltenen Prügeleien etwas auf. Nach jedem erfolgreich absolvierten Level gibts Erfahrungspunkte die ihr Rollenspielartig auf Werhog oder Hedgehog verteilen könnt um Skills wie Geschwindigkeit, Lebensenergie, Ringenergie oder Kraft investieren könnt. Nett, aber nicht unbedingt notwendig.
Im grafischen Bereich gibts nichts zu meckern. Sonic Unleashed ist jetzt nicht der Überflieger der Next-Gen-Games, mischt aber bestimmt ganz oben mit, wovon man aber durch Sonics Geschwindigkeitsrausch nicht so viel mitbekommt. Schade! Synchronisation und Soundtrack sind ebenso stimmig, wie die Grafik und machen aus Sonic Unsleashed ein tolles Spiele-Erlebnis. Einzig die Stimme von Chip („Sonäääääääc“) hat mich bereits nach dem zweiten mal abgöttisch genervt! Ach ja – die Rendersequenzen – nur um die so am Rande zu erwähnen: eine AUGENWEIDE. Die haben locker Pixar-Niveau!
Fazit:
Ob blasphemisch oder nicht. Mir hat Sonic Unleashed eine Menge Spass gemacht und ich kann das Spiel Jump & Run Fans eigentlich uneingeschränkt empfehlen. Die störrische Kamera ist verzeihbar und die etwas langatmigen Werwolf-Passagen nicht so schlimm, wie ich es durch die zahlreichen Fan-Reviews erwartet habe. Was ich unter keinen Umständen bewerten will ist das Spielgefühl für einen Sonic-Fan. Die sollten sich das Spiel zuerst anschauen, bevor sie es kaufen. Wenn es dann nur für die Sammlung sein soll, kann man sich das Teil auch später noch holen, wenn es als Budget-Titel ausliegt.
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