Eidos und Guerilla Games geben sozusagen den Startschuss für die grosse Vietnam-Game Offensive. Gleich drei Vertreter zum Thema werden diesen Monat erscheinen. Shellshock NAM ’67 stellt aber in gewisser Weise ein Unikum dar, hat man doch grossen Wert auf eine möglichst "realitätsnahe Kriegs-Berichterstattung“ gelegt.
Mit dem Thema „Gewalt in Videospielen“ gingen die Entwickler überhaupt nicht zimperlich um und treten fast schon in die Fussstapfen der berühmt-berüchtigten Rockstar-Truppe (Manhunt, GTA). So ist es nicht verwunderlich, dass Shellshock mit grossen, roten Buchstaben auf die Altersfreigabe ab 18 Jahren auf dem Cover hinweist, und tatsächlich ist das Ganze stellenweise wirklich nichts für Kinder oder schwache Gemüter. Da werden schon mal kaltblütig Zivilisten abgemurkst, Köpfe auf Pfählen aufgespiesst und vermeintliche VC-Spione mit dem Buschmesser traktiert.
Hinter der blutigen Fassade verbirgt sich dann aber ein ziemlich durchschnittlicher 3rd Person Shooter. Gleich zu Beginn werdet ihr ohne grosse Umschweife in feindlichem Gebiet „abgeworfen“ und die Schlacht beginnt. Euer befehlshabender Offizier wartet bereits auf euch und erklärt ein paar wenige Kampf-Grundlagen. Eure Söldner kann Schleichen, Robben, um Ecken spähen, Handgranaten werfen und entfernte Ziele via 1st Person View ausschalten. Getöteten Feinden kann man Waffen, Munition und andere Gegenstände abnehmen, die im Boot-Camp zu Geld gemacht werden und das Missions-Rating verbessern.
Die Missionen sind allesamt sehr linear und lassen nur selten Spielraum zum Experimentieren oder Auskundschaften. Meist müsst ihr irgendwelche Stellungen ausheben, Tunnels oder stationäre Artillerie zerstören oder Zivilisten beschützen. Der Rest ist Baller-Action pur. Es gibt nur eine Mission die sich vom Action-Brei abhebt. Diese "Stealth-Mission" kann man aber mit Rambo-Manier schneller hinter sich bringen als mit „Stealth“, was sicher nicht im Sinne der Entwickler war. Die Feinde sind nicht besonders clever und rennen meist ohne zu überlegen wie Kanonen-Futter auf euch zu. Ausserdem sehen sie ziemlich gut und manchmal auch unglaublich weit.
Habt ihr eine Mission hinter euch gebracht geht es ab ins Boot-Camp, quasi eurem zu Hause. Hier werden gesammelte Items zu „Chits“ umgewandelt (eine eigene Währung die vom US-Militär in – und nur in - Vietnam verwendet wurde). Hier könnt ihr mit Kameraden quatschen, Drogen, Aufputschmittel und andere, verbotene Items kaufen, euch mit den lokalen Prostituierten vergnügen (!), eure Skills im Schiessstand verbessern oder euch für die kommende Mission besser ausrüsten – sollte das Standard-Equipment nicht euren Vorstellungen entsprechen.
Im Boot-Camp kommt ihr auch in den Genuss einiger weltberühmter Songs aus dieser Zeit, während Huey Helikopter über euren Köpfen kreisen. Die NAM-Stimmung wurde eigentlich sauber eingefangen und vermittelt euch einen guten Eindruck, wie es an so einem Ort zu und her gegangen sein muss.
Das Standard Controller-Layout ist leider nicht besonders clever. So muss man zum Liegen den weissen Button gedrückt halten und kann so natürlich nicht mehr Zielen. Zum Glück gibt’s die Möglichkeit alle Button-Funktionen zu editieren, was man gleich zu Beginn schleunigst tun sollte. Ansonsten hilft euch das Spiel mit einer mehr oder weniger brauchbaren Auto-Aim Funktion, die allerdings auf härteren Spielstufen automatisch ausgeschaltet wird. Überhaupt ist das Zielen eine Tortur, da sehr ungenau und „nervös“. Dauerfeuer bringt nur in den seltensten Fällen einen Kill. Nur mit kurzen Feuerstössen erledigt ihr die heranrückenden Truppen, was zwar "realistisch" ist (Streuverlust) aber nicht so richtig in ein Action-Game dieser (schnellen) Sorte passen will. Schliesslich wird man gewzungen schnell vorzugehen, um eine der Medaillen am Ende der Mission zu ergattern und somit Goodies freizuspielen.
Für Langzeitmotivation sorgen versteckte "Trophys" wie z.B. Orden gefallener Soldaten, Fahnen, Wimpel oder persönliche Notizbücher der Vietcong, sowie spezielle Waffen feindlicher Offiziere. In jeder Mission gilt es eine bestimmte Anzahl dieser Trophäen zu ergattern und nur wer wirklich jeden Toten und jeden Winkel eines Levels durchsucht, wird alle Items finden.
Die Grafik von Shellshock ist einerseits sehr stimmungsvoll, andererseits trüben jedoch dicker Nebel, horrende Pop-Ups und einige Clipping-Fehler den Spielspass. Die Textur-Qualität lässt stellenweise arg zu Wünschen übrig. Alles wirkt sehr farbarm und verwaschen, speziell in Nachtmissionen, wenn alles Braun in Schwarz gehalten ist. Selbst mit allen diesen "Sparmassnahmen" läuft die Grafik-Engine nicht immer flüssig. Die Gesichter von Freund und Feind sind dagegen gut gelungen, auch wenn die Lippen-Synchronisation in den meisten Fällen versagt. Die Sound-Effekte klingen sehr dumpf, vor allem die Schussgeräusche. Etwas mehr „fine-Tuning“ hätte dem Titel wirklich gut zu Gesicht gestanden. Hier wurde tatsächlich viel Potential verschenkt und wenn dies die hoch-gelobte „Killzone“-Engine darstellt, dürfte die Enttäuschung später gross sein, wenn ihr wisst was ich meine…
Fazit:
Ich will Shellshock wirklich mögen, kann aber nicht über die vielen Fehler hinwegsehen. Kriegsspiele gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und darum hätte Entwickler Guerilla mehr bieten müssen, um an der Spitze des Genres mitzumischen. Weil es bisher jedoch der erste NAM-Titel für Konsolen ist und voller noch nie dagewesener Gewaltszenen, werden wohl viele ein Auge zu drücken. Auch ich hab das Spiel zu einem gewissen Grad gemocht aber auch nur, weil ich Kriegsspiele im allgemeinen faszinierend finde. Fans der Materie können mal reinschauen, allen anderen empfehle ich auf andere Genre-Vertreter zurückzugreifen bzw. zu warten. Conflict: Vietnam und Vietcong: Purple Haze stehen bereits in den Startlöchern.
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