Echtfilmintro? GTA im 15. Jahrhundert? Rustler bricht mit gängigen Videospieltraditionen und präsentiert uns einen politisch unkorrekten Mittelaltersimulator mit viel schwarzem Humor und britischem Flair.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Rustler ist angelehnt an GTA 2 und nicht an den fünften Teil. Das heisst Vogelperspektive und Topdown-Action. Wir begleiten Guy, einen hoffnungslosen Dorfsäufer. Sein grosser Traum ist nicht nur das königliche Ritterturnier, sondern auch das Herz der dazugehörigen Prinzessin zu gewinnen. Seine Chancen stehen aber situationsbedingt ziemlich schlecht. Vom letzten Trinkgelage noch einen dicken Brummschädel, torkelt unser Antiheld durch das mittelalterliche England mit dem Ziel, sich den nächsten Krug Bier oder eine Pulle Schnaps rein zu pfeifen.
Guy ist nicht nur ein egoistischer Rüpel, er kennt auch kein Nein, wenn ihn zwielichtige Gestalten um Gefälligkeiten mit illegalem Charakter beten – solange der Rubel rollt. In der ersten Mission klaut unser fauler Sack einen reitbaren Untersatz. Leider wird der Pferdedieb entdeckt und das mittelalterliche Ordnungsamt macht Jagd auf ihn. Die berittenen Gesetzeshüter mit Signallampe auf dem Kopf sind dabei gnadenlos. Zwar lassen sich die Verfolger mit viele Geschick abschütteln, sinnvoller ist es aber, wenn Guy durch den „Pimp my Ride“-Shop galoppiert und den Gaul automatisch umlackiert. Haben euch die Cops dennoch erwischt, geht’s nicht ins Burgverlies, sondern zurück zum letzten Speicherstand.
Guy scheut auch vor roher Gewalt nicht zurück. Entweder wird mit Keule oder Schwert zugeschlagen (simpler Wechsel per D-Pad), mit dem Schild blockiert und mit der Armbrust fiese Wegelagerer aus der Ferne ausser Gefecht gesetzt. Oder wir sprengen die Party einfach mit einer Weihwasser-Granate.
Auf musikalische Untermalung muss Guy nicht verzichten. Trefft ihr auf einen Barden, könnt ihr den Dorfmusikanten anheuern. Dieser folgt euch auf Schritt und Tritt und spielt euch etwas aus seinem Repertoire vor. Habt ihr genug von seinem Singsang, verpasst ihr dem Sängerknaben eine schallende Ohrfeige und der Troubadour wechselt den Song. Typischer Rustler-Humor.
Trotz seiner ungesunden Lebensweise pumpen wir die verdienten Skillpoints in unterschiedliche Fähigkeiten wie höhere Schlagkraft, schnellere Abklingzeit bei Schusswaffen, mehr Lebensenergie – der übliche Standard, wie man ihn schon dutzendfach gesehen hat.
Guys alkoholschwangerer Trip dauert im Schnitt 10 Stunden.
Fazit:
Der trashige Video-Opener verwirrte mich im ersten Augenblick. Wer macht denn heute noch amateurhafte Reallife-Intros für Games? Ach so, ein Indie Entwickler mit begrenztem Budget. Da kann man schon mal ein Auge zudrücken, auch wenn die schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller zu wünschen übrig lassen. Kaum das Intro verdaut, geht’s in gleicher Manier weiter. Beatboxende Barden, Alkoholleichen überall im Dorf und auf einem Dach steht eine Kuh. Ich weiss zwar nicht genau was los ist, aber der Humor stimmt schon mal für mich. Die ersten paar Stunden mit Guy sorgen für Gelächter, aber auch für Frustration. Wer legt die Map denn auf L3? Ständig poppt die Weltkarte auf, weil ich ungewollt beim Steuern von Guy auf den Analogstick drücke. Auch das Reiten hat seine Tücken. Ich habe zwar 3 verschiedene Geschwindigkeiten, doch der Galopp ist eindeutig zu schnell für die Top Down-Ansicht. Ständig krache ich bei der Flucht vor der Gendarmerie in Mauern, Felsen oder andere Barrikaden, weil ich die Gefahr zu spät erkenne. Die Missionen reichen von mehr oder weniger interessanten Aufgaben bis hin zu absolut sinnlosen Quests. Nicht nur Rustlers Zeitstrang liegt gut ein halbes Jahrhundert zurück, auch das Spielprinzip hat die besten Jahre bereits hinter sich. Nach ein paar Missionen liegt bei mir der Motivationsfaktor brach. Rustler ist ein typischer Fall von gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Eine nette Spielerei für ein paar Stunden, aber als vollwertiges Erlebnis nur bedingt empfehlenswert. Wer auf brachialen Fäkalhumor steht und keine grossen Ansprüche ans Gameplay stellt, wird mit Guys Eskapaden dennoch adäquat unterhalten.
Wir haben Rustler auf PS5 getestet. Das Test-Muster stammt von Publisher Modus Games. Das Spiel ist auch für Xbox Series X|S, Xbox One, PS4, Switch und PC erhältlich.
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