Wenn man die deutsche Spieleschmiede Piranha Bytes erwähnt, kann einem vieles durch den Kopf gehen. Die beiden fantastischen Spiele Gothic 1 und 2, oder auch das praktisch unspielbare Gothic 3. Da die Gothic Rechte aber beim damaligen Publisher Jowood liegen, hat Piranha Bytes einfach den Namen des neuen Projektes in „Risen“ geändert und präsentiert uns hier eigentlich das innoffizielle Gothic 4.
Die Geschichte in Risen ist gleichermassen schnell erzählt, wie wohl bekannt. Die alten Götter haben die Welt verlassen und damit die böse Kraft freigesetzt, welche unzählige Tempel des Bösen aus dem Boden schiessen lassen. Dazu kommen Banditen, welche von Inquisitoren aus der Stadt vertrieben wurden, Magier die zwar eher auf der Seite der Inquisitoren sind, die Bandinten aber trozdem in Ruhe lassen und ein Inquisitor der herausfinden will, was es mit einem geheimnisvollen Tor auf sich hat und fertig ist der Plott.
Als namenloser Held werdet ihr am Strand einer Insel in der Faranga-Inselgruppen nach einem Schiffbruch angespült und müsst, nach einer kurzen Einfürhung durch die ebenfalls überlebende Sara, euch einen Weg durch die Insel schlagen. Dabei trennt sich der Pfad schon nach den ersten zwanzig Spiel-Minuten. Es bleibt komplett euch überlassen, ob ihr dem netten Neil ins Banditenlager folgt, oder ob dieser euch nach eurer Bitte direkt zur Hafenstadt bringen soll. Für meinen Test hab ich mich für das Banditenlager entschieden.
Dort angekommen zeigt sich schnell, wieviel Desingverliebtheit die Entwickler für Risen an den Tag gelegt haben. Die Bewohner der Lager schlafen in der Nacht und gehen am Tag ihrer Arbeit nach. Die einzelnen Charaktere haben viel Tiefgang und einzigartige Charakterzüge. Fragt ihr beispielsweise etwas wie „Was ist eigentlich in all den Artefaktkisten?“ dürft ihr mit einem rupigen „Artefakte natürlich du Idiot.“ rechnen. Und genau durch solche Konversationen wirkt Risen unglaublich lebendig und echt. Selbst die deutsche Synchronisation hat Piranha Bytes mit Bravour hingekriegt. Hier merkt man sichtlich, dass die Gothic-Macher sich bei den Fans mit Risen auch für das praktsich unspielbare Gothic III entschuldigen wollten.
Nach ein paar ersten kleineren Aufträgen für den Don (beziehungsweise für die Banditen) geht es dann schon daran, sich in dessen Lager einen Namen zu machen. Dazu muss der Held sich mit dem Lager-Rüpel Brogar anlegen und diesen schlussendlich in einem Kampf 1:1 besiegen. In diesem Punkt zeigen sich leider die ersten Schwächen von Risen. Die Konsolen-Steuerung ist (besonders in den Kämpfen) wirklich hackelig. Dass ihr trotz „Char-Aiming“-Funktion nach jeder seitlichen Bewegung eurerseits, oder des Kontrahenten, eure Kamera wieder justieren müsst um dem Strolch überhaupt eins auf die Mütze zu geben, ist dabei noch das kleinste Übel. Die Konter-Funktion hat (auch auf höheren Stufen) starke Input-Lags was es beinahe unmöglich macht den Schlag eines Gegners zu kontern und die Ausweich-Funktion ist ebenfalls so langsam, dass man besser beraten ist, den Schild ständig oben zu halten um die Schlage so abzuwehren.
Doch da unser Held sich ein paar Heiltränke in die Schnellzugriff-Slots gelegt hat, ist auch der Kampf gegen Brogar keine wirkliche Herausforderung (Schwierigkeitsgrad: normal). Und hier hat sich auch schon ein weitere Designschnitzer der Konsolenumsetzung gezeigt. Wählt ihr nämlich aus dem „Alle Objekte“-Inventar einen Trank über die verschiedenen Objekt-Slots aus und setzt in in die Shortcut-Slots, springt das Programm danach wieder auf das Register zurück, welches euch alle im Inventar befindlichen Objekte anzeigt. Das Füllen der Shortcuts kann euch somit doch gut und gern fünf Minuten kosten, weil ihr euch jedesmal mühselig wieder zum richtigen Register durchklicken müsst.
Ebenfalls sind mir während der Testphase kleinere Unschönheiten wie flackernde Texturen, schlecht plazierte Türeingänge (nach deren betreten man unweigerlich auf das Dach des Hauses katapultiert wird), unschöne Wegfindung von NPC’s und teilweise schlechte Kollisionsabfrage mit Umgebungsobjekten aufgefallen. Nach allem was ich aber von Schreiber-Kollegen über die PC-Version gehört habe, scheinen sich (besonders die grafischen Glitches) hauptsächlich auf die Konsolenversion zu beschränken und hoffe somit auf ein baldiges Update dieser Schnitzer. Abgesehen von den technischen Mängeln kann man Risen höchstens noch vorwerfen, dass Rollenspiel-Anfänger mit den Möglichkeiten hoffnungslos überfordert sind. Das Tutorial beschränkt sich nur auf die grundlegende Steuerung, aber wie ihr euch in der Welt zurechtfindet (als Anfänger) müsst ihr selbst herausfinden. Oblivion oder Gothic-Fans dürften aber keinerlei Schwierigkeiten haben sich in der Welt zu bewegen.
Zu den Quests kann man auch hier nur sagen: Hut ab vor Piranha Bytes. Selbstverständlich finden sich auch in Risen die typischen „Töte so und soviele Grabmotten“ oder „Hohl mir eine bestimmte Anzahl einer Pflanze her“. Aber das hält sich stark in Grenzen. Meistens sind auch kleine Quests liebevoll mit einer glaubwürdigen Story unterlegt. Ob ihr nun für den tolpatschigen Fischer seine Fischbude verkaufen sollt („Ich hab überhautp keine Ahnung von Fischen…“) oder ob ihr für die kranke Bauersfrau irgendwo ein kuscheliges Genesungslager finden sollt. Alles passt wunderbar in die Risen-Welt!
Fazit:
Ja, Risen hat seine Mängel, wie ihr dem obigen Text entnehmen könnt. Trotzdem hat mich das Rollenspiel aus deutschem Hause wirklich begeistert. Die tolle Atmosphäre, das ausbalancierte Gameplay, die packende Story (die sich aber erst nach ein paar Stunden, oder besser im zweiten Akt des Spiels entfaltet) und die schier unendlichen Möglichkeiten, euch die Zeit zu vertreiben, machen so vieles wieder wett. Dass die rupige Sprache der Welt von Risen viel Leben einhaucht, dürfte wohl nur noch damit getoppt werden, dass ihr auf Wunsch auch ein Schäferstündchen mit Dirnen abhalten könnt. Zwar nicht gerade jugendfrei, aber bestimmt 1A von der Atomsphäre her.
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