Die Idee hinter Boss Team Games' RetroRealms ist gut; es soll eine Plattform für kleine 2D Arcade Horror-Spiele sein, die in Zukunft mit anderen Franchises erweitert werden soll. Den Anfang machen die zwei B-Movie Lieblinge Halloween und Ash vs. Evil Dead. Beide stammen von den Pixel-Künstlern WayForward und wie jeder gute Slasher-Film sind auch sie voller Monster, Blut und Gedärme!
Die ersten Spiele im neuen "RetroRealms Universum" sind Action Sidescroller zweier ikonischer Horror-Franchises. Bevor es losgeht betreten wir aber erstmal eine herrlich gruselige 3D Kulisse in Form einer heruntergekommenen Spielhalle. In dieser Oberwelt befinden sich zwei Arcade-Automaten, an denen die Spiele Ash vs. Evil Dead und Halloween laufen, sowie ein Video- und Galerie-Raum. Die Stimmung ist hier schon bemerkenswert unheimlich, obwohl eigentlich überhaupt nichts Gruseliges passiert. Im Galerie-Raum schauen wir uns Memorabilia wie ikonische Kostüme, Waffen oder Masken aus den Filmen an, während im Videoraum VHS Bänder mit Entwicklerinterviews und anderen BTS-Infos auf uns warten. Wohlgemerkt müssen Inhalte für die Räume erst freigespielt werden, indem wir die beiden Automaten ausgiebig zocken.
Die Spiele selbst sind in ihren Geschichten miteinander verbunden und spielen sich auch praktisch identisch. Alles dreht sich um den "Overlord", einem Dämon, der über das Reich der Albträume herrscht. Genau die will er zu jedermanns Problem machen. Je nachdem, welchen Charakter wir wählen, verläuft das Spiel etwas anders. Spielen wir als Myers, wachen wir in einer seltsam vertrauten Irrenanstalt auf und als Ash auf der Couch unseres heruntergekommenen Wohnwagens.
Abgesehen von einigen Zwischensequenzen wird der Grossteil der Story durch die Umgebung erzählt und auch wenn es hilft, die beiden Filme gesehen zu haben, ist das nicht unbedingt nötig. Man merkt aber, dass die Spiele mit viel Liebe für Fans gemacht wurden, mit ihren Easter-Eggs, Anspielungen und Insider-Witzen. Michael reist von der Anstalt und dem Schrottplatz nach Haddonfield und darüber hinaus, während Ash schon bald seinen geliebten Wohnwagen zugunsten einer unheilverkündenden Hütte im Wald hinter sich lässt. Er versucht das gestohlene Necronomicon zurückzuerobern, während sein stummer Kollege mit der Shatner-Maske dem Overlord folgt, der auf der Suche nach dem Grabstein seiner Schwester alles tötet, was sich ihm in den Weg stellt.
Spielerisch sind beide Spiele identisch und wir dürfen sogar mit Ash in Michaels Spiel mitmischen und Visa Versa. Mit Ashs Kettensäge, Michaels Messer und - falls ihr euch den DLC bzw. die Disk-Version geholt habt - Laurie Strodes Stricknadeln sowie Kelly Maxwells Fleischklopfer, verarbeiten wir die Monster-Brut in tropfendes Frischfleisch. Kämpfe fühlen sich von Beginn an sehr knackig an, werden aber mit Zeit noch besser und auch einfacher, weil wir weitere Moves freischalten, die sowohl den Fight- als auch den Jump'n'Run Parts mehr Tiefe verleihen. Dazu kommen begrenzte Waffen-Pick Ups wie Schaufeln, Mistgabeln und Bomben bis hin zu Kleiderbügel-Bumerangs und Discokugeln, die die Zeit verlangsamen.
Ein neuartiges Plattformelement ergibt sich aus dem Wechsel zwischen dem Hier-und-Jetzt und der Nightmare-Realm des Overlords. Auf Knopfdruck wechseln wir die komplette Hintergrund-Grafik mitsamt allen Gegnern aus. In dieser Albtraum-Hölle ist die Bedrohnung um einiges grösser als in der normalen Welt, es eröffnen sich dafür neue Wege, Bereiche und Plattformen, was nötig ist, um an alle Collectables und die wichtigen Tickets zu kommen (dazu später mehr). Ein Timer hindert uns jedoch daran, für längere Zeit im Dämonen-Reich zu verweilen, weswegen unsere Aktionen dort gut überlegt und getimet sein wollen.
Als Side-Scrolling-Plattformer bieten RetroRealms: Halloween und Ash vs. Evil Dead alle Mechaniken, die man von so einem Spiel erwarten würde. Obwohl alle Charaktere die gleichen allgemeinen Bewegungen ausführen, verfügt jeder von ihnen über einzigartige Waffen, Pick-Ups und Kräfte. Das Beste daran: Wir dürfen jeden Charakter in jedem Level und in beiden Spielen verwenden. Myers kann sich mit dem Schattenschritt durch die Gegner bewegen, Fallen umgehen und Bosse aus dem Hinterhalt angreifen, um sie gekonnt auszuweiden. Laurie derweil verfügt über einen Doppelsprung, wodurch ansonsten eher schwierige Plattformsequenzen vereinfacht werden.
Später statten wir alle mit ein paar Upgrades aus, vorausgesetzt, wir haben genug Pillen bzw. Geld gesammelt (die beiden Währungen im Spiel). Im Shop-Menü tauschen wir jene gegen eine Vielzahl von Boni ein, wie mehr Gesundheit, mehr Munition und mehr Albtraum-Zeit oder wir schalten neue Moves frei, die das tödliche Arsenal der Heldentruppe erweitern. Gefundene Tickets, jeweils drei davon sind pro Level versteckt, schalten schliesslich Erinnerungsstücke für den Galerie-Raum der Spielhalle frei.
Der Schwierigkeitsgrad erinnert an ältere Jump'n'Runs und bietet zahlreiche nervenaufreibende Abschnitte. Das ist OK, denn besonders lang sind die Spiele ja nicht. Gelegentlich stellt sich die Herausforderung auf etwas unfaire Weise dar, indem Feinde an Stellen platziert werden, an denen es schwierig wird, ihnen beim ersten Versuch auszuweichen oder sie zu töten. Das kommt zum Glück nicht allzu häufig vor, kann aber frustrierend sein. Die Meta-Progression bedeutet dafür, dass selbst mittelmässige Jump'n'Run-Spieler sich mit genügend Zeit ihren Weg zum B-Movie Finale bahnen können. Die Möglichkeit, Ash, Michael, Kelly und Laurie in jeder Phase einzusetzen, bedeutet weitere Möglichkeiten, einen Level zu anzugehen. Zugleich steigt so der Wiederspielwert, sowohl aufgrund der unterschiedlichen Spielweisen als auch aufgrund der veränderten Dialoge, die die fehl am Platz wirkenden Charaktere anerkennen. Ich bin echt beeindruckt, wie viel Aufwand in diesen Aspekt geflossen ist und empfehle für ein paar zusätzliche Lacher unbedingt alle Charaktere in beiden Spielen auszuprobieren!
Ebenfalls beeindruckt hat mich, wie unterschiedlich die beiden Reiche aussehen. Ein Fest für jeden Pixel-Fan! Genau so verhält es sich mit den herrlich gezeichneten Figuren und Animationen. Das Spiel spart nicht mit Pixel-Blut und Gedärmen. Da spritzt die rote Suppe schon mal an die Kamera und läuft den Bildschirm runter, was für eine passende Slasher-Ästhetik sorgt. Dank des Einsatzes von Parallaxen-Hintergründen und Bildüberlagerungen ist selbst in den Backdrops immer etwas los. Von Bäumen, die sich im Nebel wiegen, bis hin zu Zombies, die hilflose Überlebende zerfleischen. Die Hintergründe wirken lebendiger und "cooler" als in den meisten Jump 'n' Runs. WayForward sind schon Meister ihres Fachs, wenn es um Pixel-Art geht. Schlussendlich trägt auch die Musik viel dazu bei, eine schaurig-schöne Stimmung mit oldschool Flair zu schaffen, die dem Ausgangsmaterial absolut gerecht wird.
Fazit:
RetroRealms nimmt sich zwei der beliebtesten Horror-Serien zur Brust und verwandelt sie Dank WayForwards Talent in unterhaltsame 2D oldschool Arcade-Games. Das Level-Desing kann manchmal etwas gemein sein und die Platzierung des einen oder anderen Gegners erscheint unfair. Trotzdem hatte ich mit den beiden Spielen eine Menge Spass. Wer Fans der Filme ist, Arcade-Games und hübsche Pixel-Grafik mag, macht mit dem Kauf absolut nichts falsch. Ich bin schon gespannt, welche anderen Filme in Zukunft einen Auftritt in der RetroRealms Spielhalle haben werden. Wir wärs z.B. mit Freddy Krüger oder Gigers Alien!?
RetroRealms: Halloween + Ash vs. Evil Dead ist für PC, PlayStation 4/5, Xbox One/Series X|S sowie Nintendo Switch erschienen. Wir haben uns das Spiel selbst gekauft und auf der Xbox Series X getestet.
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