Wenn eines meiner persönlichen Top 5 Games ein Remake bekommt, dann gibt es garantiert keine handelsübliche Review. Kompromisslos aus der Ich Perspektive. Let's Go!
Januar 2005. Als Game Cube Exklusivität war das Original natürlich ein Day One Pflichtkauf für mich. Obwohl ich die starre Perspektive aus den ersten drei Teilen nicht mochte und auch nie eines komplettiert hatte, wusste ich, dass mit der neuen Engine alles anders wird. Und ich hatte recht. Resident Evil 4 rasierte damals den Markt komplett und gilt heute noch als Blaupause für das Genre. Nachdem ich das Game anschliessend mehrmals auf PS2/4 und Switch durchgeackert hatte, war's dann auch mal genug. Dann kam die Remake Welle und nach dem bombastischen Erfolg des Resident Evil 2 Remakes und dem etwas zu kurzen Remake von Teil 3, war es nur eine Frage der Zeit, bis Capcom den besten Teil neu auflegen würde. Aber genug geschwafelt, kommen wir zum Hauptthema.
Leon S. Kennedy verschlägt es in die spanische Provinz. Auf der Suche nach Ashley, der Tochter des US Präsidenten, die von unbekannten Schmierfinken entführt wurde, wird er von zwei lokalen Gendarmen begleitet. Ziel ist ein kleines Dörfchen in der Pampa. Anfangs ist die Stimmung im Polizeiwagen noch heiter und die Herren Gesetzeshüter guter Laune. Am Zielort angekommen ist dann aber Schluss mit Lustig. Die Polizisten werden von finsteren Gesellen abgemurkst und Leon ist auf sich alleine gestellt. Im Anfangsgepäck haben wir ein Messer, eine 9mm Pistole und einen Heiltrank.
Kaum im Dorf angekommen, werde ich schon herzlich begrüsst. Aber nicht wie man es sich vorstellt. Die Dorfgemeinschaft, die ausschliesslich aus Mittfünfzigern und Senioren besteht, macht Jagd auf mich. Mit Beilen, Mistgabeln oder blanker Faust nehmen die Oldschooler Leon in die Zange. Durch geschicktes Ausweichen und den einen oder anderen sicheren Treffer schaffe ich es, dem wütenden Mob zu entkommen. Mein Puls ist auf 180, meine Munition geht zur Neige, mein Adrenalin steigt und als letzte Möglichkeit bleibt mir nur das Messer. Nachdem ein halbes Dutzend Dorfbewohner zu Salami verwurstet wurden, will das Messer nicht mehr. Ein Blick auf den Inventar Bildschirm bestätigt meinen Verdacht. Solange ich die Klinge nicht repariere, bleibt mir eine weitere Nutzung untersagt. Ich fluche ein leises "Wir sind hier doch nicht in Breath of the Wild!”, und lade meinen letzten Spielstand.
Beim 2. Versuch läuft es runder. Ich entdecke eine gelb markierte Kiste. Mit einem beherzten Tritt wird die Box in ihre Einzelteile zerlegt und ich werde mit einer Handgranate belohnt. Als ich die HG ausprobieren will, unterbricht eine Cutscene mein Unterfangen. Der sackgesichtige Kettensägen Psycho aus dem Original kündigt sich an. Schöne Scheisse! Meine Munition ist beinahe alle, meine Gesundheitsanzeige blinkt verdächtig und ich frage mich, wie ich es mit dem Irren aufnehmen kann. Als erstes werfe ich ihm die Granate vor die Füsse. Zwar haut es ihn kurz um, doch es dauert nicht lange, bis ich die Säge hinter mir kreischen höre. Es wird zu einem Katz und Mausspiel. Ich trete eine Tür auf, hechte aus dem gegenüberliegenden Fenster und renne eine Rampe hoch, in der Hoffnung, dass ich über die Häuserdächer wertvolle Zeit schinden kann. Plötzlich fängt der Dorfturm an zu bimmeln und wie gesteuert lässt die Dorfgemeinde samt Säge-Schorsch von der Verfolgung ab und verziehen sich in die Kirche.
Der ikonische Auftakt hat sich auch im Remake kaum verändert. Wer jetzt denkt, dass Capcom hier einfach nur die Texturen ausgetauscht und die Grafik hochskaliert hat, irrt sich. Zwar bleibt das Grundgerüst dem Original ähnlich, doch wurden teils ganze Abschnitte neu designt und/oder zusätzliche Parts hinzugefügt. Über den Storyaufbau will ich nicht zuviel verraten, denn der eine oder andere Plottwist sorgte selbst bei mir für grosses Staunen. Im Gameplay Bereich hat Capcom's Verjüngungskur auch bei Leon nicht halt gemacht. Die präzise Steuerung wurde mit der Strafe Funktion komplettiert, deren Fehlen im Original von Puristen bemängelt wurde. Dafür müssen wir auf den Laserpointer verzichten und haben im Remake ein simples Fadenkreuz als Zielhilfe. Die QTEs wurden durch kurze Push Button Events ersetzt und tauchen nur sehr selten auf. Gespeichert wird nach wie vor auf den grosszügig verteilten Schreibmaschinen. Im Remake speichert das Spiel im Gegensatz zum Game Cube-Erstling in regelmässigen Abständen zudem automatisch.
Von den zuvor abgemurksten Gegnern habe ich einigen Loot einkassiert, darunter auch eine handvoll Peseten. Mir ist bewusst, dass ich irgendwann auf den legendären Händler stossen muss, den mit Abstand coolsten NPC aus dem Vorgänger. Im 2. Kapitel ist es dann soweit, und der freundliche, einsilbige Dealer hat einen Haufen Überraschungen bereit. Im Inventar bietet er stets ein paar neue Ballermänner, dazugehörige Upgrades und sonstige nützliche Items wie Patronen oder Erste Hilfe Sprays zu gesalzenen Preisen an. Gefundene Schätze wie Diamanten, Juwelen und anderen Glitzerkram verhökere ich für gutes Geld. Gewisse Schmuckstücke lassen sich kombinieren und vervielfachen so ihren Wert. In regelmässigen Abständen bittet uns der Händler um Hilfe. Kleine Sidequests sollen erfüllt werden. Als Belohnung übergibt er uns Spindels, eine Art Edelstein. Je nach erwirtschafteter Menge kaufe ich damit in einem speziellen Inventar Menü exklusive Artikel, die nicht im regulären Shop angeboten werden. Ich schnappe mir ein Zielfernrohr für mein Jagdgewehr und habe auch noch genug Klunker für meinen ersten Charm übrig. Charms sind kleine Booster, die uns permanente Perks verleihen. Maximal drei Charms dürfen gleichzeitig ausgerüstet werden.
Meine erste, magere Einkaufstour beende ich mit einer Schrotflinte und ein paar Upgrades (Munitionskapazität, Nachladezeit, Schussstärke bzw. -Frequenz), denn bei Resident Evil 4 ist, bis auf die Gegner, gewohnt alles Mangelware. Es muss zwar nicht jeder Schuss treffen, doch unruhige Triggerfinger wie ich sollten es auch beim Remake vermeiden, wahllos rumzuschiessen. Glaubt mir, 3 verschossenen Schrotkugeln die nicht sitzen, können euch teuer zu stehen kommen, dafür sorgt die Spiele K.I. Wie schon beim Original können die Widersacher unerwartet ausweichen, beherrschen Sidesteps und kommen zudem selten alleine. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad reichen drei Hiebe und es geht schnurstracks zum Continue. Ruhig Blut, denn auch hier hat Capcom ein paar Lösungen parat. Die meisten Angriffe lassen sich neuerdings parieren, werfen den Gegner ein wenig taumelnd zurück und geben uns ein kleines Zeitfenster für weitere Angriffe. Treffen wir einen der Irren mit einem Headshot, erscheint ein kleines Icon über dessen Kopf und wir können den Miesepeter mit eine kräftigen Roundhousekick zu Boden werfen. In den meisten Fällen haben wir den Gegner damit besiegt. Will er trotzdem nicht abdanken, gebe ich ihm mit dem Messer den Rest. Wie schon erwähnt, kann das Messer nicht unbegrenzt eingesetzt werden. Beim Händler lässt sich das Teil aber wieder gegen entsprechende Zahlung in der Urzustand zurück versetzen. Zudem finde ich unterwegs immer wieder Buttermesser, die dieselbe Funktion übernehmen wie die Original Klinge, mit dem kleinen Unterschied, dass einmal zerbrochen, jene aus dem Inventar verschwinden. Eine kleine, aber nicht unwichtige Zugabe ist die Meuchelmörder Option. In geduckter Haltung kann ich mich den Normalogegnern von hinten nähern und sie lautlos mit dem Messer ausser Gefecht setzen. Ich habe dies nur selten benutzt, aber wie erwähnt, jede Kugel zählt.
Der Händler stellt auch beim Remake eine Schiessstand zur Verfügung. In drei unterschiedlichen Challenges (9mm, Gewehr oder beides zusammen) durchlöchere ich so viele Pappkameraden wie möglich, ehe der Timer abläuft. Schaffe ich einen perfekten Run, geht es richtig ab und in einer kurzen Bonussequenz kann ich meinen Highscore nochmals hochjagen. Als Preis sacken wir entweder Silber oder Goldmünzen ein. Haben wir drei in petto, stecken wir das Hartgeld in einen Münzautomaten. Je nach Wert erhalten wir einen besseren oder schlechteren Charm, der meistens waffenbasiert ist. Ich erhielt ein 20% Upgrade beim Craften von SMG-Patronen. Pech gehabt, da ich mich kurz zuvor gegen die Uzi und für eine andere Waffe entschieden hatte. Gute Idee, aber nicht perfekt umgesetzt. Apropos Craften. Ich bin eigentlich gar kein Fan von dieser Spielmechanik. Beim Remake hält sich das Ganze aber in angenehmen Grenzen. Erstens muss ich hier keine 5'000 Blumen pflücken, sondern kriege von Schatzkisten und Opfern genügend Material um mir Munition, Granaten und Heiltränke zusammen zu basteln und zweitens hält sich die ganze Crafterei dezent im Hintergrund und es muss nicht im minutentakt gewerkelt werden, als wäre ich in einer Werkstatt.
Von Resident Evil erwartet man nicht nur schweisstreibende Actionsequenzen, sondern gelegentlich das eine oder andere Rätsel. Und auch diesmal haben wir einen bunten Strauss von Schiebe-, Hebel-, Gewichts- und Item-Puzzles, die der aktuellen Technik angepasst wurden. Meistens steht die Lösung irgendwo auf einem naheliegenden Dokument oder wir inspizieren Key Items sowie die nähere Umgebung auf Hinweise.
Die Dorfgemeinde wird im späteren Spielverlauf von diversen anderen Feinden abgelöst. Einige mögen Veteranen bekannt vorkommen, andere feiern ihren ersten Auftritt. Auch den einen oder anderen NPC von der Vorlage treffen wir an. Das Ganze wirkt ein wenig wie eine Jubiläumsfeier - im guten Sinne. Der Waffenschrank füllt sich stetig, wobei man maximal 8 Knarren und Granaten der Digikreuz Shortcut zufügen kann. Mehr passt meistens sowieso nicht ins Inventar, welches sich beim Händler gegen gutes Geld erweitern lässt. Wer nun glaubt, dass die Umgebung von Resident 4 gegenüber Leon freundlicher eingestellt ist, liegt falsch. Bärenfallen liegen wahllos rum, in die man unerwartet tritt, Draht Minen müssen entschärft werden, damit uns das Ding nicht um die Ohren fliegt und wer sich zu lange auf einer Hängebrücke aufhält läuft Gefahr, dass ein Fiesling die Seile kappt und wir ins Game Over segeln.
Fazit:
Auch wenn es sich im Remake um die Resident Evil typische Level Struktur handelt, sind sämtliche Gebiete mit grosser Sorgfalt verbessert oder redesigned worden. Klar Schlauchlevel bleibt Schlauchlevel, aber bei so einer perfekten Inszenierung wie hier, ist mir das sowas von egal. Wer vom Gegenteil überzeugt ist, sollte sich einfach die extrem detaillierte Level Map anschauen. Sicherlich schwingt in dieser Review eine gute Portion Nostalgie mit, das will ich gar nicht abstreiten. Capcom trifft hier den Nagel auf den Kopf und hat sich mit Resident Evil 4 Remake selbst übertroffen. Resi 2 und 3 waren quasi die Vorspeise für den fulminanten Hauptgang, der uns der Street Fighter Entwickler hier serviert. Bombastischer Sound, Grafik aus der Edelboutique und ein noch verfeinertes Spielgefühl mit tollen Gegnern und dicken Bossen katapultiert die Neuauflage in die Liga der GOTY-Anwärter. Dass Capcom 100pro hinter dem Remake steht, sieht man nicht nur am Spiel selbst. Bei unserer Testversion mussten wir die branchenüblichen Review Vorgaben in Sachen Spoiler penibel einhalten. Capcom verpackte das ganze aber in ein liebevoll gestaltetes Manual mit Tipps zum Ablauf und Spielmechaniken, um dem geschundenen Redaktionslakaien das Leben ein wenig zu erleichtern. Und es ist noch lange nicht zu Ende. Bald wird der kostenlose Mercenaries-Modus, den ich im Original länger spielte als das Maingame und die VR-Variante, nachgeschoben. Brauche ich da noch mehr? Ja, denn der kostenpflichtige Ada Wong's Secret Ways DLC wird im 3. oder 4. Quartal das Remake komplettieren. Und wer weiss, vielleicht fügt Capcom auch noch das eine oder andere Extra-Zückerchen hinzu.
Wir haben Resident Evil 4 auf PlayStation 5 getestet. Das Spiel ist auch für Xbox Series X|S, PS4, Xbox One und PC erhältlich. Das Test-Muster stammt von Capcom, wofür wir uns herzlich bedanken!
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