Den grossen Durchbruch hat Virtual Reality bis heute nicht geschafft. Auch wenn die Technologien von Oculus, Valve, HTC oder Sony mit jedem neuen Modell besser werden und es an den Geräten fast nichts auszusetzen gibt, scheint die grosse Mehrheit der Spieler doch lieber traditionell vor den TV-Geräten zu sitzen. Vielleicht kann PlayStation VR2 daran ja was ändern?
Unter den VR-Geräten hatte die ursprüngliche PlayStation VR von Sony wahrscheinlich den grössten Erfolg. Dank enormer Userbase, einer leicht zugänglichen Quelle (der PS4) und eines günstigen Preises wurden weltweit mehr als fünf Millionen Headsets verkauft. PSVR hatte aber auch Schwächen. Neben sichtbaren Pixeln und einer gewissen Unschärfe war es vor allem die Steuerungsmethode, die zu wünschen übrig liess. Auch die Hardware, die das System antrieb, war im Vergleich zu PCs ziemlich leistungsschwach. Nun will Sony alles besser machen und es scheint so, als hätte man viele Lektionen gelernt. Sony verfügt nicht nur über das technische Know-how, um erstklassige VR-Erlebnisse zu bieten, sondern auch über ein umfangreiches Spieleangebot, das noch lange nicht ausgeschöpft ist.
PSVR2 leiht sich einige Designelemente von seinem älteren Gegenstück, spricht aber die gleiche ästhetischen Sprache wie die PlayStation 5. Es ist vor allem weiss mit schwarzen Akzenten und unterscheidet sich damit deutlich von den meisten anderen Headsets auf dem Markt. Das verwendete Material ist ein solider, robuster Kunststoff mit Ausnahmen der weichen, gepolsterten Bereiche an der Innenseite, beim Nackenband und dem Lichtschutz. Der letztgenannte Bereich ist aus flexiblem Silikonkautschuk und schirmt das Licht gut ab, ohne sich klaustrophobisch oder eng anzufühlen. Insgesamt fühlt sich das Headset und auch die Controller sehr hochwertig an.
Für ein VR-Headset ist das PSVR2 auffällig leicht und darum auch sehr bequem auf dem Kopf. Allerdings musst man darauf achten, dass es richtig sitzt, sonst reibt das harte Plastik am Nasenrücken, was schmerzhaft sein kann. Das Anlegen wird ähnlich wie bei der ursprünglichen PlayStation VR gehandhabt. Oben befindet sich ein Einstellrad, mit dem man den Linsenabstand einstellen kann, was sowohl für den Fokus als auch für die innovative Eye-Tracking-Technologie wichtig ist. Unten befindet sich eine Einschalttaste und eine weitere Taste, mit der das Headset in den Durchsichtsmodus geschaltet wird. So kann man die Umgebung in Schwarz-Weiss und in Echtzeit sehen.
An der Unterseite des Kopf-/Nackenbügels befindet sich ein Audioausgang, der mit allen kabelgebundenen Kopfhörern funktioniert. Mitgeliefert werden ein Paar In-Ear Stöpsel, die in den Kopfbügel eingesetzt werden, was uns das Gefühl gibt, als wären sie ein fest verbauter Bestandteil des Geräts. Auf beiden Seiten befinden sich zwei gummigeschützte Löcher, in denen die Kopfhörer aufbewahrt werden, wenn sie nicht in Gebrauch sind. Ein besseres 3D-Audio-Erlebnis bieten richtige Over-Ear Kopfhörer, aber die Ohrstöpsel sind extrem praktisch und bieten einen ziemlich guten 3D Klang. An der Frontseite des Okulars befinden sich vier Kameras, die dazu dienen, die Umgebung und mitgelieferten Sense-Controller zu erkennen und einige andere Funktionen während des Spiels erfüllen.
Wenn man PSVR2 zum ersten Mal verwendet, wird man durch den Installationsprozess geführt, einschliesslich der Aktivierung des Eye-Trackings und der Einrichtung des Spielbereichs. Das Headset kann auf drei verschiedene Arten verwendet werden - entweder im Stehen und in Bewegung, im Stillstand oder im Sitzen. Der Spielbereich (der natürlich auch vom Spiel abhängt) muss für die bevorzugte Spielweise angepasst werden. Wer im Stehen und mit Bewegung spielen will muss wissen, dass es dafür eine Mindestfläche von 2m x 2m braucht (am besten noch ein bisschen mehr). Sowohl im Stillstand als auch im Sitzen ist eine kleinere Spielfläche von 1m x 1m erforderlich. Der Spielbereich kann jederzeit über das PS5-Menü geändert werden, was sehr praktisch ist, da manche Spiele die eine oder die andere Variante nicht unterstützen.
Die Kameras an der Aussenseite des Headsets sind dabei eine grosse Hilfe. Sie scannen den Raum, stellen Hindernisse und die Höhe der Decke fest und erkennen sogar Objekte wie Möbel, die uns im Weg stehen könnten. Erkannte Hindernisse und Wände werden durch blaue Polygone markiert und wenn etwas nicht stimmt, kann einfach mit einem virtuellen Laser nachjustiert werden. Sollte man sich dem Rand des Spielbereichs nähern, warnen rote Kreise davor jenen ungewollt zu verlassen. Im Stillstand- oder Sitzmodus ist der einschränkende Bereich automatisch kreisförmig, wobei man selbst im Zentrum steht bzw. sitzt.
Als nächstes muss das Eye Tracking eingerichtet werden, aber auch das ist eine einfache und schnelle Angelegenheit. Man muss eigentlich nur sicher stellen, dass sich beide Augen in der Mitte der jeweiligen Linse befinden. Sollte das nicht der Fall sein, dreht man einfach am Abstandsrad oder rückt das Headset ein wenig zurecht. Danach schaut man auf ein paar farbige Punkte und die Kalibrierung ist abgeschlossen. Zum Schluss musst man noch die Sense-Controller einrichten.
Die Sense-Controller wurden komplett überarbeitet. Zunächst einmal verwenden sie kein Licht für das Tracking, wie das noch beim ersten PSVR der Fall war, sondern IR- und Bewegungssensoren. Tatsächlich erinnern die Controller mehr als alles andere an die Oculus Touch-Pendants. Ausserdem ist in jedem Controller DualSense-Technologie verbaut, mit ähnlich adaptiven Triggern und haptischem Feedback. Es gibt noch eine weitere Neuerung: Jeder Button, die Oberseite der Sticks und die Seitentasten sind berührungsempfindlich. So kann man z.B. die Finger innerhalb des Spiels bewegen, ohne tatsächlich auf eine Taste drücken zu müssen.
Die beeindruckendste Neuerung sind jedoch die OLED-Displays. Sie bietet eine Auflösung von 2000 x 2040 Pixeln pro Auge. Mit dieser hohen Auflösung kann man einzelne Pixel nur erkennen, wenn man genau hinsieht und auch nur unter bestimmten Umständen, z.B. bei einfarbigen, bildschirmfüllenden Flächen. Auch die Farbdarstellung und der Schwarzwert sind absolut hervorragend. Ausserdem ist es eines der wenigen Headsets, das HDR unterstützt. Für diejenigen, die bei früheren VR-Geräten mit Unbehagen oder Motion Sickness zu kämpfen hatten, gibt's auch gute News: So ist das Display mit einer Bildwiederholfrequenz von bis zu 120 Hz ausgestattet und bietet eine hohe FOV (Field of View) von 110 Grad. Bewegungen werden butterweich und ohne Verzögerungen ins Spiel übertragen, was besonders beeindruckt, wenn man den Kopf schüttelt. Beides hilft Motion Sickness zu minimieren.
Eye Tracking ist mehr als nur eine Spielerei. Games könnten ab sofort nicht nur deine Augenbewegungen nutzen, um dir z.B. Menü's oder Hinweise innerhalb der Spielewelt anzuzeigen, sondern - entsprechende Programmierung und Render-Technik vorausgesetzt - könnten sogar sicherzustellen, dass der Teil der Welt, auf den du gerade blickst, besonders scharf und detailliert dargestellt wird, während die Details an anderen Stellen reduziert werden, um eine bessere Grafikqualität zu erzielen und gleichzeitig die Ressourcen zu schonen. Das Beste daran ist, dass wir als Spieler das nicht einmal merken. Und nicht zuletzt ist der 110-Grad-Blickwinkel des Displays hervorragend und füllt die Sicht besser aus.
Wunderbare Technik hin oder her, ein VR-Headset ohne anständige Software ist nicht viel mehr als ein teures Stück Plastik und Glas. Zum Glück gibt es auf der PlayStation bereits einen grossen VR-Spielekatalog, mag jetzt manch einer sagen. Leider - und das wird vielen Umsteigern nicht gefallen - sind die originalen PlayStation VR-Spiele nicht mit PSVR2 kompatibel. Vermutlich ist dies eher eine bewusste Entscheidung, als eine technische, da man mit PSVR2 den Nutzern eine Steigerung präsentieren will. Weh tut es trotzdem, wenn man alte VR-Spiele in seiner Bibliothek nicht mehr nutzen kann. Viele ältere VR-Spiele werden jedoch aktualisiert, wobei leider nicht alle ein kostenloses Upgrade auf die PS5 Version anbieten. Ich kann verstehen, warum Sony diesen Weg gewählt hat, denn der Qualitätsunterschied ist wie Tag und Nacht, gerade wenn man das Flagschiff Horizon: Call of the Mountain spielt. Das Spiel ist auf PSVR2 einfach atemberaubend. Leider ist es so ziemlich das einzige, neue Spiel bis jetzt. Alles andere sind Updates alter Titel.
Der Hauptunterschied zwischen dieser und der letzten VR-Generation von PlayStation liegt in der Leistung. Es ist ganz einfach ein komplett anderes Erlebnis mit dem scharfen OLED-Display, perfektem Controller Tracking und der hohen Rechenleistung einer PS5 im Rücken. Das ist auch der Schlüssel zum Erfolg. Die PS5 ist so leistungsfähig, dass sie den Entwicklern einfach mehr Spielraum lässt, als es bei anderen Geräten wahrscheinlich der Fall ist. Sie kann die höchste Auflösung mit der schnellsten Bildrate liefern, um das beste Spielerlebnis zu bieten, das heute möglich ist, auch wenn man dafür ganz schön tief in die Tasche greifen muss.
Fazit:
Die PlayStation VR2 ist eine deutliche Verbesserung gegenüber ihrem Vorgänger. Das hochauflösende OLED Display mit 110 Grad Blickwinkel und 120Hz Bildwiederholrate stehen nicht nur für eine scharfe, farbkräftige Optik, sondern haben in meinem Fall sogar überraschend dafür gesorgt, dass ich wenig bis gar nicht mit Motion Sickness zu kämpfen hatte - wie das noch beim Vorgänger immer wieder der Fall war. Es ist sehr leicht und super angenehm zu tragen (auch für Brillenträger wie mich). Die Sense-Controller sind erfreulich feinfühlig und äusserst präzise. Das lästige Zappeln der virtuellen Hände gehört damit der Vergangenheit an. PSVR2 ist ein äusserst leistungsfähiges Gerät, das seine grossen Ambitionen aber erst noch mit guten Spielen unter Beweis stellen muss. Zumindest hat man mit Horizon: Call of the Mountain schon mal einen beeindruckenden Start hingelegt. Jetzt müssen aber schnell neue, exklusive Spiele folgen. Für das beste VR-Erlebnis solltet ihr übrigens viel Platz zur Verfügung haben. Der Spielbereich für die meisten Spiele (abseits von Rennspielen, Railshootern oder Flugsims) sollte mindestens 2m x 2m betragen, denn im Sitzen oder Stillstand ist die Erfahrung einfach nicht die selbe. Schön ist, dass man jetzt keine AV-Box mehr braucht und auch der Kabelsalat der Vergangenheit angehört. Es gibt ja nur ein einziges Kabel und das ist mit 4.5m ziemlich grosszügig ausgefallen. Die Installation ist erfrischend einfach und idiotensicher. Ein Fragezeichen steht noch hinter dem Preis, denn man muss deutlich mehr hinlegen, als für eine PS5 Konsole. Daher frage ich mich nach wie vor, ob VR-Gaming über sein Nischendasein hinauswachsen kann. Sony hat uns aber zumindest ein grossartiges Stück Technik geliefert, das theoretisch viel mehr kann, als es soll und sicherlich das Potential hat, die breite Masse zu erreichen. Kurz gesagt; ja, PSVR2 ist teuer und die fehlende Abwärtskompatibilität enttäuschend, das hat mich aber nicht davon abgehalten, jede Menge Spass mit diesem grossartigen Headset zu haben. [sb]
PlayStation hat uns freundlicherweise ein Test-Gerät zur Verfügung gestellt, wofür wir uns an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bedanken! Technische Daten und weiterführende Informationen rund um PSVR2 findest du auf der offiziellen Webseite.
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