Ich bin ein grosser Pinball Fan. Das Spiel mit der silbernen Kugel zwischen Glück und Skill hat mich schon als kleiner Junge fasziniert. Leider hat man heute als Normalsterblicher fast keine Chance mehr, selbst Hand an einen Pinball-Tisch zu legen. Erstens gibt's die Dinger fast nirgends mehr und zweitens ist eine Anschaffung nicht nur mit viel Geld, sondern auch mit viel Wartungsarbeiten verbunden. Da kommt ein virtueller Flipper wie gerufen.
Das ursprüngliche Pinball FX erschien erstmals 2007 für die Xbox 360. In den letzten 16 Jahren haben die Zen Studios fantastische Arbeit geleistet und das "beste Pinball Spiel" auf alle möglichen Konsolen und sogar auf Mobiles veröffentlicht. Der Grund für den grossen Erfolg: Authentische Nachbildungen echter und fiktiver Flippertische, interessante IP-Partner (Universal Studios, Marvel, Star Wars, 20th Century Fox, Bethesda, etc.), stetige Inhaltsupdates und eine ausgesprochen realistische Ballphysik.
Pinball FX 2023 wurde auf Basis der Unreal Engine 5 von Grund auf neu entwickelt, ist "NextGen-optimiert" und startet mit insgesamt 86 Tischen. Wie bei Free-to-Play Titeln üblich gibt's aber leider nur einen kostenlosen Tisch, "Wild West Rampage". 85 weitere sind zum Start verfügbar und kosten einzeln oder in Bundles meist zwischen CHF 5.- und CHF 25.-. Der grosse Schock gleich zu Beginn: Besitzer des Vorgängers (Pinball FX 3), müssen erneut das Portemonnaie zücken, denn leider werden frühere Käufe nicht wie bisher übernommen, d.h. wenn du ein treuer Fan bist, der schon Dutzende von Pinball FX-Tische gekauft hat, fängst du genauso bei Null an wie jemand, der das Spiel zum ersten Mal startet.
Tut man das, wird man zuerst in seinem neuen Flipper-Zimmer begrüsst. Hier bestaunt man seine gesammelten Tische, kann an Turnieren und Events teilnehmen, nachsehen, welche Sammlerstücke noch fehlen und den obligatorischen Ingame-Shop besuchen. Dort sind die Tische übersichtlich in Gruppen eingeteilt, z.B. Zen-Originale, Marvel, Star Wars und authentische Williams- oder Bally-Tische.
Die Auswahl ist riesig. Erfreulicherweise gibt's von jedem Automaten eine kostenlose Test-Version, mit der man 2 Minuten lang spielen kann, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Empfehlen würde ich auf jeden Fall die "echten" Tische von Williams, die Zen-Collection mit 7 Flippern und die Star Wars Collection Nr. 2.
Vermisst habe ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die Alien- und Predator-Tische und ein paar von Marvel, die ich persönlich Liebe und die ich mir sogar auf meinem Handy heruntergeladen habe. Warum die fehlen oder ob sie später nachgereicht werden, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Meine E-Mail an die Zen-Studios blieb bis heute unbeantwortet. Ich schätze, dass es irgendwelche Lizenzprobleme gab.
Neben dem Kauf von Tischen gibt es auch die Möglichkeit, sich Zugang zu allen Tischen mit einem sogenannten Pinball-Pass zu besorgen, also quasi Tische zu mieten. Das Abo kostet für 30 Tage 150 Münzen (CHF 12.90) oder für 1 Jahr 1'200 Münzen (ca. CHF 89.-). Das finde selbst ich als Fan von Abo-Services wie Xbox Game Pass oder Playstation Plus absolut übertrieben, zumal man beim Game Pass oder PS Plus monatlich Hunderte von "richtigen" Spielen bekommt und nicht bloss ein paar Pinball-Tische, die im Grunde nur DLC darstellen.
Reden wir also stattdessen über die spielerischen Qualitäten. Hat man einen Tisch gekauft oder freigeschaltet, darf man zwischen 8 Spielmodi wählen: Classic, Arcade, HotSeat, Practice, Flips Challenge, 1 Ball Challenge, Time Challenge und Distance Challenge. Die meisten Spieler werden sich an den klassischen Modus halten, bei dem man mit drei Bällen die höchstmögliche Punktzahl erreichen soll. Arcade fügt ein paar Power Ups hinzu und Hotseat ermöglicht es lokalen Spielern, abwechselnd und auf einem Screen mit dem gleichen Gamepad zu spielen. Die 4 Herausforderungsmodi sind eine tolle Ergänzung: Die Flips-Herausforderung beendet dein Spiel automatisch, wenn du 200 mal den Flipper ausgelöst hast, die 1-Ball-Herausforderung gibt dir nur einen Ball für die Highscore und die Entfernungsherausforderung endet, wenn dein Ball eine bestimmte Strecke auf dem Tisch zurückgelegt hat. Der spassigste Modus ist die Zeitherausforderung. Hier hast du 5 Minuten und unbegrenzt viele Bälle zur Verfügung. Ausserdem gibt es für jeden Modus eine eigene (online) Rangliste.
Wer sich online mit anderen Spielern messen will, kann an Turnieren teilnehmen oder eigene Turniere erstellen. Wählt dazu einen Tisch, einen Modus und bestimmt die Anzahl der Spieler (2 - 32) und die Zeitspanne (1 bis 30 Tage). Man darf sogar festlegen, wie viele Versuche jeder Spieler haben darf. Es gibt auch die Möglichkeit, einen passwortgeschützten Zugang zu erstellen, ideal für Clubs oder den eigenen Freundeskreis.
Weiter gibt's saisonale Inhalte, die jeweils unter einem bestimmten Motto stehen, beginnend mit der "Retro Season". Spieler können hier an einer bestimmten Anzahl von Herausforderungen an verschiedenen Tischen und Modi teilnehmen, um besondere Belohnungen wie Hintergründe, Rahmen und Abzeichen für die Spielerkarte sowie Figuren, Statuen, Teppiche und Poster für das virtuelle Flipperzimmer freizuschalten. Es gibt insgesamt 15 Belohnungen, wobei man 466 Saisonpunkte benötigt, um die letzte Belohnung der Saison freizuschalten. Wer eine bestimmte Punktzahl in diesen Herausforderungen erreicht erhält Münzen, mit denen man neue Tische oder kosmetische Items einkauft.
Dass diese Münzenausbeute beim normalen Spielen niemals ausreicht, um alle Tische in einer vernünftigen Zeitspanne und ohne Echtgeld freizuschalten, sollte jedem klar sein. Beispiel gefällig? Wenn du 600 mal jeweils 5 Minuten lang spielst, brauchst du ca. 500 Stunden, um 466 Münzen zu ergattern - das entspricht einer In-Game Season. Hinzu kommt, dass du den Tisch erst besitzen musst, um überhaupt Münzen damit zu verdienen. Man muss also hunderte von Stunden investieren, nur um eine Handvoll Sammlerstücke freizuspielen, die meist nie von anderen Spielern gesehen werden? Nein danke. Wer hat sich denn sowas ausgedacht? Wohl nur ein paar geldgeile Schlipsträger, kann ich mir vorstellen.
Das Wichtigste ist jedoch, wie sich Pinball FX spielt. Die Zen Studios machen das gewohnt meisterlich. Das darf man nach 16 Jahren Erfahrung vom Platzhirsch auch erwarten. Die Ballphysik ist nach wie vor ungeschlagen und ich habe aus diesem Grund bereits wieder ein gutes Dutzend Stunden gespielt. Es macht einfach extrem Laune und ist irgendwie total entspannend. Es steht übrigens ein Qualitäts- als auch ein Leistungsmodus zur Verfügung. Die machen aber wahrscheinlich nur auf weniger potenten Konsolen Sinn (PS4/Xbox One), denn ich habe auf der Series X und der PS5 selbst im Qualitätsmodus keine Einschränkungen gespürt. Die Framerate war in beiden Modi absolut fehlerfrei, nur sieht's halt mit "Qualität" etwas hübscher aus.
Die grafische Qualität hängt aber ohnehin vom jeweiligen Tisch ab. Die Optik schwankt von fade bis absolut grossartig. Das kostenlose Angebot mit Wild West Rampage ist (wie zu erwarten war) ein Paradebeispiel dafür, wozu Pinball FX in der Lage ist, mit tollen Animationen rund um den Tisch, beeindruckenden Spezialeffekten und einer fetzigen Audiountermalung. Sogar einige ältere Tische scheinen sich mit der neuesten Version besser denn je zu spielen. Angesichts der schwankenden Qualität ist es fair, dass kostenlose Demo-Versionen aller Tische erhältlich sind.
Fazit:
Pinball FX ist ein einziger Widerspruch: Eigentlich gibt es absolut nichts daran auszusetzen, aber wenn es um den Wert geht, hätte man nichts schlechter machen können. Das "NextGen-Update" von Pinball FX 3 war bereits vor Monaten angekündigt worden und kein Schwein hat davon gesprochen, dass das nicht kostenlos sein wird. Ich selbst habe mir noch aus Vorfreude ein paar zusätzliche Tische besorgt. Dass man jetzt aber ein komplett neues Spiel vorgesetzt bekommt und treue Spieler wie mich dazu zwingt, erneut für Tische zu bezahlen, die ich bereits seit Jahren in meiner Bibliothek habe, ist wirklich ein Schlag ins Gesicht. Der Preis für den Pinball Pass fühlt sich am Schluss nur noch wie ein zusätzlicher Tritt in den Hintern an. Neulinge juckt das vermutlich wenig. Einerseits kann ich Pinball FX wegen der akkuraten Darstellung der Flipperkästen, der fantastischen Ballphysik, der spassigen Extra-Modi und der zugänglichen Turniere und Events auf jeden Fall empfehlen, und jeder, der neu in die Serie einsteigt, sollte unbedingt ein paar Proberunden spielen. Aber andererseits - und für die Tausenden von Spielern, die bereits Pinball FX3-Inhalte besitzen - stellt sich die Frage, ob sie für ein grafisches Update noch einmal für sämtliche Inhalte bezahlen sollen. Ich sage Nein und hab mir darum auch nur meinen Lieblingstisch gekauft (Indiana Jones). Es ist in der Tat eine Schande, dass die gierige und unfaire Monetarisierung eine derart fantastische Flipper-Simulation ruiniert.
Wir haben uns Pinball FX selbst besorgt und auf Xbox Series X sowie PS5 getestet. Das Spiel ist auch für PS4, Xbox One und den PC zu haben und zwar nur als Download. Weitere Details wie eine Tisch-Übersicht findest du auf der offiziellen Webseite.
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