Wer hätte gedacht, dass Borderlands, als es 2009 auf den Markt kam, das Potential hat, die Basis für ein ausgezeichnetes, narratives Game zu sein? Wahrscheinlich nicht allzu viele Leute und nichts desto trotz hat Telltale mit Tales from the Borderlands genau das gemacht.
Telltale Games existiert in seiner ursprünglichen Form nicht mehr, weshalb Gearbox, die Macher von Borderlands, den Job der Entwicklung eines Nachfolgers selbst übernommen haben. Abgesehen von kleineren und grösseren Camoes bekannter Figuren steht ein komplett neuer Cast unwilliger Helden im Mittelpunkt der Geschichte. Anu ist eine Wissenschaftlerin, die zwar für Atlas arbeitet, aber nichts mit konventionellen Waffen zu tun haben und die Galaxie mit friedfertigen Mitteln retten will. Ihr Bruder Octavio lebt auf Promethea, will reich und berühmt werden, hat aber hauptsächlich nur eine grosse Klappe. Fran betreibt einen mässig erfolgreichen Frozen Yoghurt Shop auf demselben Planeten, ist der Boss von Ock und hat seit ihrer Kindheit massive Wutprobleme. Als dann Tediore seinen Konkurrenten Atlas mit Gewalt übernehmen will, wird eine Reihe unvorhergesehener Ereignisse losgetreten. Diese Konzernübernahme vereint nicht nur unsere drei Protagonisten, sondern führt sie zu einer Kammer auf Promethea, eine Investorenshow, bei der es echte Haie gibt, jede Menge Tote und Witze am Laufmeter.
Eine der Schwächen hier ist, dass es gleich drei Hauptfiguren gibt und die Gruppe sich des Öfteren aufteilt. Dadurch ist es konsequenterweise nicht einfach, allen Figuren den gleichen Tiefgang zu verleihen. Nur einer unserer Anti-Helden hat einen richtigen Charakterbogen über das ganze Spiel gesehen, wodurch die beiden Anderen zwar in den Hintergrund geraten, aber trotzdem viel Spielzeit einnehmen.
Die Geschichte an sich ist auch nicht allzu spannend. Ungereimtheiten und Logiklöcher sind für mich absolut verzeihbar, solange ich gut unterhalten werde. Oft dümpelt unser Trio aber von einem Ereignis zum nächsten, ohne dass dabei einem roten Faden gefolgt wird. Absurde Dinge passieren ohne Sinn dahinter und als Spieler ist man halt irgendwie dabei.
Zum Glück ist nicht alles negativ behaftet. Es ist cool, ausnahmsweise in einer Metropole und nicht immer nur in den titelgebenden Borderlands zu sein. Zu sehen, wie “normale” Leute in dieser Welt leben und womit sie ihre Zeit verbringen, ist spannend und faszinierend. Das Spiel ist, besonders für Fans des Borderlands-Universums, ein Liebesbrief in allen Belangen. Look und Feel sind unverkennbar und wurden perfekt eingefangen. Mein persönliches Highlight waren die Soldaten von Tediore, die, sobald sie aus irgendeinem Grund aufgetaucht sind, immer die Show gestohlen haben.
Wer schon einmal ein Spiel der Marke Telltale gespielt hat, wird sich von der ersten Minute an heimisch fühlen. Zum grössten Teil ist man in Gespräche verwickelt, bei denen man nie weiss, welche Entscheidungen weitreichende Auswirkungen auf die kommende Ereignisse haben können. Gespickt sind diese mit regelmässigen Quick Time Events. In der Regel bedeutet ein Fehlschlag bei diesen nicht direkt ein Game Over, sondern nur, dass die Geschehnisse ein wenig anders ablaufen werden. Ein wichtiger Teil von New Tales from the Borderlands ist die Stimmung im Team und die Beziehungen der Protagonisten untereinander. Am Ende jeder der fünf Episoden werden diese Beziehungen sogar bewertet und die Wertungen wiederum haben Auswirkungen auf die Story und welches Ende man zu sehen bekommt. Es ist zwar nett, diesen Überblick zu kriegen, es nimmt dem Ganzen aber auch die Magie, wenn man für das beste Ending nur seine Prozentzahlen erhöhen will und muss.
An dieser Stelle müssen wir selbstverständlich auch auf den typischen Humor à la Borderlands eingehen. Wer diesen nämlich nicht mag, wird mit dem Spiel keinen Spass haben. Sexuelle Anspielungen, Toilettenhumor und alles andere mit möglichst wenig Niveau gehören zu fast jeder Unterhaltung. Obwohl ich das eigentlich mag, wird der Bogen sogar für mich überspannt. Viele Witze werden so oft, immer und immer und immer wieder wiederholt, dass jeglicher Humor verloren geht. Wie schon gesagt gehören die Truppen von Tediore nicht dazu, denn ihre Auftritte sind kurz, wodurch Pointen kürzer und knackiger sind.
Fazit:
Leider ist New Tales from the Borderlands nur ein Schatten seines eigenen Vorgängers. Für Fans der Materie ist es trotzdem fast ein Pflichtkauf. Denn trotz Schwächen bei den drei Helden und der Geschichte an sich, ist es zu 100%, und dabei auch absolut unverschämt, Borderlands. Wer das mag, wird ziemlich sicher nicht enttäuscht werden.
New Tales from the Borderlands gibt's für PC, PS4/5, Xbox One/Series und Nintendo Switch. Wir haben uns die Xbox Series X Version selbst gekauft und getestet.
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