Next-Gen Spiele werden immer komplexer. Gibt es da noch Platz für ein simples Hack-n-Slash? Koei's Dynasty Warriors-Serie kann sich jedenfalls nicht über mangelnde Absatzzahlen beklagen, und darum versuchen jetzt Microsoft, Phantagram und Q Entertainment einen weiteren Genre-Vertreter zu etablieren: Ninety Nine Nights oder kurz "N3".
Die Welt von N3 wird von Goblins, Trollen, Elfen und Menschen bevölkert. Auf der einen Seite stehen die Kreaturen des Lichts (die Menschen und Elfen) und auf der anderen die Kreaturen des Schattens (Goblins, Trolle und Dunkel-Elfen). Jede der Parteien verfügt über ein Fragment eines mächtigen Kristalls. Derjenige, der beide Teile besitzt und vereint, wird für das nächste Jahrtausend die Welt beherrschen. So sagt es zumindest eine uralte Legende.
Die Wahrheit sieht jedoch ganz anders aus. Wie? Das erfahrt ihr im Verlauf der ca. 20 Stunden Spielzeit die ihr benötigt, um N3 komplett durchzuspielen. Klar ist, dass jeder die Kristalle haben will und so entbrennt ein furchtbarer Krieg. In Mitten dieses Krieges trefft und begleitet ihr 7 unterschiedliche Kämpfer. Ihr werdet 7 Blickwinkel des Krieges erleben und 7 unterschiedlichen, mit einander verknüpften Story-Strängen folgen. Ihr müsst das Spiel also quasi 7 mal durchzocken um das wahre Ende zu sehen. Auf der Seite des Lichts spielt ihr mit Valkyrie "Inphyy" (Schwert), Ritter "Aspharr" (Lanze), Zauberin "Turyuu" (Zauberstab), Söldner "Myifee" (Boomerang-Blade) und Priester "Klarrann" (Säule Gottes). Auf der Seite der Schatten dürft ihr mit Goblin "Dwingvatt" (Dual Blades) und einem mächtigen Troll namens "Vigk Vagk" (Faustkampf) spielen. Zu Beginn stehen nur zwei davon zur Wahl, weitere schaltet ihr später frei.
Jeder der Helden verfügt über 2 Standard-Attacken, 2 Super-Specials und einer Smartbomb-ähnlichen Mega-Attacke, die sämtliche Gegner auf einen Schlag vom Bildschirm putzt und grafisch sehr opulent in Szene gesetzt ist (Orb-Spark). Um die Specials und den Orb-Spark benutzen zu können, benötigt ihr sogenannte Orbs. Diese gibt es in Rot (für Specials) und Blau (für Orb Sparks). Rote Orbs erhaltet ihr für jeden mit einer Waffe getöteten Gegner und blaue Orbs für jeden mit einem Special-Move getöteten Gegner. Zwei Leisten geben Aufschluss darüber, wie viele Orbs von jeder Farbe ihr noch sammeln müsst, um die mächtigen Spezial-Schläge ausführen zu können. Zusätzlich levelt ihr mit den Orbs euren Charakter auf - ähnlich einem RPG. Für jede Erfahrungsstufe wird euer Energie-Balken länger und ihr erhaltet Zugriff auf neue Moves, Combos und noch durchschlagskräftigere Orb-Sparks. Noch ein Rollenspiel-Element findet sich in N3 wieder: Magische Items und "Schatz-Kisten".
Getötete Gegner lassen dann und wann hilfreiche Gegenstände fallen. Diese dürft ihr in einen von bis zu 5 Item-Slots in eurem Inventar einsetzen. Ringe, Amulette, Armbänder, verschiedene Rüstungsteile, Health-Drinks, Glücks-Kleeblätter (kommt der Item-Drop-Rate zu Gute), neue Waffen u.v.m. verbessern eure Charakter-Eigenschaften auf vielfältige Weise. Manche Items findet man in Schatzkisten, die überall im Level versteckt sind. Als wäre das alles nicht schon genug, bekommt ihr auch noch Unterstützung von einer kleinen CPU-Armee. Diese Armee ist in zwei "Flügel" unterteilt. Ihr dürft für jeden Flügel eine Truppengattung wählen. Zur Auswahl stehen Infanterie, schwere Infanterie, Lanzenträger oder Bogenschützen. Mit dem Digipad gebt ihr euren Leuten zwei einfache Befehle: Angriff oder Verteidigung. Ihr könnt also z.B. dem rechten Flügel einen Angriffsbefehl erteilen, während der Linke weiterhin an eurer Seite oder im Hintergrund kämpft. Die KI der Soldaten ist allerdings unterste Schublade und so eignen sie sich eher zur Verwirrung/Ablenkung als zum Dezimieren der Gegner.
Apropos Gegner: Die Entwickler setzen auf monumentale Massen-Schlachten im Stile der Herr der Ringe-Filme, mit hunderten Gegnern gleichzeitig auf dem Bildschirm. Im Schlachtengetümmel seht ihr teilweise nicht mal mehr eure eigene Spielfigur. Okay, es gibt nur drei unterschiedliche Gegner-Typen pro Level, aber das fällt kaum auf und ist bei vergleichbaren Konkurrenz-Produkten auch nicht anders. Es macht riesig Spass in eine Horde von Feinden zu rennen und einen 400-Hit Combo oder Orb-Spark vom Stapel zu lassen und zuzusehen, wie Helme und Rüstungsteile durch die Luft fliegen und die farbige Leuchtspur eurer Waffe bunte Muster auf den Screen zaubert. Beim Einsatz eines Orb-Spark fliegen hunderte von Gegnern durch die Luft, was sehr eindrücklich und ganz klar die grosse Stärke von N3 ist, auch wenn es ab und zu kleinere Slow-Motion-Einlagen zu bemängeln gibt. Grafisch ist N3 durchwachsen. Einerseits sind die Charakter-Modelle sehr detailliert und mit ihren spiegelnden Rüstungen und flüssigen Animationen sehr hübsch anzusehen. Andererseits sind die Backgroundgrafiken arg trist und erinnern an vergangene PSone-Tage. Die Weitsicht ist dafür immer garantiert, auch wenn sie durch einen übertrieben starken Depth-of-View-Effekt sehr verschwommen rüber kommt. Spielerisch gibt sich N3 keine Blösse.
Die Action ist schnell, absolut präzise steuerbar und dank frei drehbarer Kamera auch immer optimal im Bild. Abwechslung wird aber auch in N3 nicht gerade gross geschrieben. Genre-Fans und treue DW-Anhänger wissen, was sie erwartet: Knöpfchen drücken bis zum Umfallen. Da die meisten Gegner kein Problem darstellen, bleibt es zu 90% auch dabei. Einfaches Fussvolk wird quasi im Vorbeigehen eliminiert, speziell wenn ihr schon über ein paar Erfahrungsstufen verfügt. Mehr Probleme - und etwas Strategie - erfordern feindliche Offiziere, die sich euch immer wieder in den Weg stellen und denen man meistens nur mit geschickt platzierten Combos bei kommt. Am Ende eines Levels wartet dann noch der obligate und mächtige Endboss, der euch schon mal das Lebenslicht aus pustet, wenn ihr seine Taktiken nicht studiert und entsprechende Massnahmen ergreift. Solltet ihr trotzdem das Zeitliche segnen, müsst ihr das komplette Level von vorne beginnen und verliert alle im Level gefundenen Items, Waffen und Erfahrungspunkte. Checkpoints gibt es keine. Gespeichert wird immer nur am Ende eines Levels. Das Speichersystem lässt nicht nur aus diesem Grund stark zu wünschen übrig. Unlogischerweise müsst für jeden Charakter einen neuen Spielstand erstellen und diesen zum Aufleveln immer wieder laden. Solltet ihr einen überschreiben, verliert ihr alle Erfahrungs-Werte und müsst mit dem jeweiligen Helden von vorne anfangen! Denkt also dran: Pro Charakter einen Spielstand!
Es gibt noch mehr Schönheitsfehler. Der Schlimmste vorne weg: In-Game-Cutscenes. Nicht nur, dass die Übersetzung und Lippensynchronisation etwas vom schlechtesten ist, was ich bisher gesehen habe, nein, sie unterbrechen auch noch eure Combos, Orb-Sparks oder Special-Moves! Wer die Level nicht kennt und nicht weiss, wann genau eine Cut-Scene eingespielt wird, verliert u.U. seine mühsam gesammelten Orbs und/oder den Combo-Count, was wirklich nervt. Schliesslich gibts ein Ranking- und Belohnungs-System, dass auf Dinge wie Combo-Count oder Orb-Spark-Kills achtet. Man kann auch nur die wenigsten Cut-Scenes abbrechen. Die eigenen Truppen sind manchmal mehr "Behinderung" als Hilfe, weil ihr keine Schläge anbringen könnt, wenn eure Truppe einen Treffer landet. Der eigene Schlag wird in diesem Moment nicht registriert. Dies wird vor allem bei Boss-Fights zum Problem, wenn 30 eurer Soldaten auf den Macker einprügeln. Daher der Tipp: Vor Bosskämpfen die Truppen einfach in einem sicheren Ecken "parken". Ein grosses Lob gibt's für die wirklich atemberaubend schön inszenierten CG-Movies und den stets passenden und sehr harmonischen Soundtrack. Die Fantasy-Atmosphäre und das Schlachtengetümmel werden perfekt untermalt.
Fazit:
Kritiker mögen die eher schwache Grafik und das repetitive Gameplay bemängeln und obwohl sich drei der sieben spielbaren Charaktere wirklich grundverschieden spielen, muss man ihnen eigentlich recht geben. Dass ihr euch mehrmals durch die gleichen Levels schlagen müsst und es dabei mit nur vier oder fünf unterschiedlichen Gegner-Typen zu tun bekommt, mag ein weiterer Grund zur Kritik sein. Dennoch macht Ninety Nine Nights erstaunlich viel Spass. Es ist halt einfach ein Hack-n-Slash in Reinkultur, herrlich simpel und sinnfrei. Es macht nicht viel, aber das was es macht, macht es ziemlich gut. Vor allem das Feeling einer mittelalterlichen Massenschlacht kommt gut rüber. Genre-Fans dürften zufrieden sein, auch wenn die Idee mit den eigenen Truppen zwar gut, aber noch stark verbesserungswürdig ist. Wirklich schade finde ich nur das Fehlen eines CoOp-Modus.
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