Rot-Grün ist zurück! Und wir meinen hier ganz sicher nicht die politische Koalition unserer nördlichen Nachbarn. Die Latzhosen Brüder aus dem fernen Kyoto drehen kurz vor dem Lifecycle Ende der Switch nochmals eine Ehrenrunde im RPG-Genre. Schiff Ahoi!
Die Herren Mario (wir beziehen uns hier auf den offiziellen Nachnamen) bringen mittlerweile nichts so schnell aus der Ruhe. Sie erforschten die Tiefen des Ozeans, bestiegen die höchsten Wipfel, durchquerten diverse Dimensionen und hauten schon die halbe Galaxie kurz und klein.
Die Hintergrundgeschichte von Brothership ist rasch erzählt. Mario, Peach, Bowser und Konsorten geniessen im Mushroom Kingdom ein paar wertvolle Stunden Freizeit ohne Stress und Ärger, als plötzlich ein mysteriöses Portal auftaucht und die komplette Nintendo-Gang samt Zusatz weg teleportiert. Bei der wilden Teleportations-Attacke werden die Brüder vom Rest getrennt und landen auf einer kuscheligen Tropeninsel namens Concordia. Im Grunde hätte es schlimmer kommen können, als auf einer wohltemperierten Südseeinsel zu landen. Ein kleiner Strandurlaub schadet nie. Nix da mit Eimersaufen und Schnorchelausflügen. Zwar herrscht auf Concordia noch nicht das blanke Chaos, wenn Mario und Luigi aber den Inselbewohnern nicht unter die Arme greifen, ist das Inselreich zum Untergang verdammt.
Im optimalen Falle besteht Concordia aus einem Konglomerat aus 15 Inseln, die mit einem magischen Stecker verbunden sind. Der miese Zokket und seine Extension Corp. hat jedoch sämtliche Konnektoren gekappt und nun schwimmen die einzelnen Inseln mutterseelenallein auf dem Ozean ohne Kontakt zu den anderen Kameraden. Dorfchefin Connie unterstützt uns vor unserem Reisestart mit ein paar Extras. Snoutlet, ein fliegendes Minischwein, wird euch als treuer Begleiter zur Seite gestellt, der autonom in die Story quasselt und ab und zu mit kleinen Tipps aushilft.
Auf einer Ozean-Minimap erkennen wir die Reiseroute von Concordia und wählen die Strömung. Anfänglich noch tuckernd unterwegs, verschaffen wir uns später einen Turbo und zu guter Letzt ein Luftschiff, das uns instant zu jeder Reiseroute teleportiert. Wird eine Insel passiert, alarmiert uns eine Nachricht über deren Sicht und wir schiessen uns zielsicher per Kanonen auf die neue Insel. Das Ziel jedes Inselbesuchs ist das Aufspüren des Konnektoren-Turms, damit dieser wieder aktiviert und an Concordia angeschlossen werden kann.
Natürlich spazieren wir nicht einfach so zum Gebäude. Diverse Gegner, Plattform-Einlagen und Rätsel werden uns in den Weg gestellt und auf den insgesamt 15 Inseln gibt es einiges zu tun. Obwohl ihr im Tandem durch die Pampa joggt, steuert ihr in 99% der Fälle Mario, während Luigi euch folgt. Beide dürfen aber unabhängig springen und ihren Hammer benutzten. Im Laufe der Story erwerben wir neue Partnerfähigkeiten wie den Wirbelsprung, mit dem die Brüder Pirouetten drehend Abgründe überwinden, als Rollball durch Röhren düsen und fragile Böden überwinden oder mit dem Fire&Ice Kombo Wegsperren vaporisieren.
Der wohl ausgearbeitetste Aspekt von Brothership ist aber das Kampfsystem. Rundenbasiert hauen wir wahlweise mit Hammer oder Sprungangriffen die Gegner weg oder nutzen mächtige Partner Attacken, die mehr einem Minigame mit QTE-Fokus ähneln als dem klassischen JRPG-System. Je besser wir die mehrstufige Attacke ausführen, desto höher der Schaden. Ein Riesengewitter wird beschwört, Yoshi schaut regelmässig mit seiner massiven Eierattacke vorbei oder wir verschiessen ganz traditionell ein paar Schildkrötenpanzer. Verpassen wir aber die korrekte Abfolge, zwacken wir dem Feind nur wenig Lebensenergie ab. Dies kann im späteren Verlauf tatsächlich zwischen Sieg oder Niederlage entscheiden. Aussrdem halten sich die Schurken mit ihren Kontern nicht zurück. Wir können entweder die simple Blockfunktion nutzen, die uns ein wenig Schaden kosten, oder wir parieren im richtigen Moment, um jeglichen HP-Abzug zu negieren und verpassen im besten Falle dem Gegner einen Bonus Hit.
Das Tüpfelchen auf dem Battle-i sind die Stecker und deren Dosen. In der gesamten Inselwelt verstecken sich goldene Orbs. Haben wir genug eingesammelt, können wir bequem Ingame neue Stecker herstellen. Zu Beginn verfügen wir nur über eine Buchse, später treten wir mit einer 5er-Leiste an den Start und füllen diese mit Buffs. Je nach Stecker, der zwischen 5 bis 15 Runden anhält, bevor es in den Cooldown geht, lassen wir zusätzlich Stachelkugeln für Extraschaden regnen, vereisen unser Gegenüber oder lassen sie per Schwindler taumeln. Aber auch passive Skills wie automatisches 1UP beim Ableben oder mehr Angriffskraft beim Partner Move lassen sich so ausstatten und kombinieren.
Unserer Meinung nach sind die Kämpfe teils überproportional hart, und wir sind mehrmals chancenlos ins Game Over gesegelt. Wer es nach dem erneuten Anlauf wieder nicht schafft, kann später den Schwierigkeitsgrad temporär auf leicht oder kinderleicht stellen. Dies gilt aber nur für den aktuellen Kampf, danach geht's zurück zur Standardeinstellung. Jede befreite Insel schliesst sich unserem Konvoi an und per Röhre dürfen wir stets wieder zurückreisen, um eventuelle Sidequests oder Extra Boni einzusammeln.
Während sich die Brüder automatisch hochleveln und mit ihren Goldmünzen neue Ausrüstung bei den unterschiedlichen Händlern anhäufen, stehen für die seichte Unterhaltung ein paar Mini Games parat. Wir versuchen uns an einem 2er Volleyball-Simulator, kaufen ein paar Köder und gehen angeln, spüren spezielle Bonus-Riffe auf oder beweisen uns im Karaoke. Nebenmissionen, die sauber in einem Index aufgelistet werden, versprechen bessere Gear und neuen Loot.
Die Fahrt zur See ist kein kurzes Unterfangen. Mindestens 35 Stunden dauert die dialoglastige Meeressause. Wir benötigten knapp 40 Stunden für einen Durchlauf.
Fazit:
Hoppla, dass gleich nochmals ein RPG um die beiden Brüder auf der Switch landet, ist tatsächlich eine Überraschung, dachte ich doch, dass nach Origami King, Äonentor und Super Mario RPG der Markt übersättigt sein könnte. Das brandneue Machwerk um Mario & Luigi besticht zwar durch eine diskussionslos technisch fabelhafte Umsetzung, hinkt aber mit kleinen Meniskusproblemen im Gameplay der eigenen Konkurrenz hinterher. Das ganze RPG-Gerüst passt, das Südseeflair macht sowieso immer Laune und von der Präsentation bekommen wir die gewohnte 1A-Kost aus dem Hause Nintendo. Was mir schon nach der ersten Stunde auffiel, ist der Wahnsinn an Cutscenes, Dialogen und Einspielern. Teilweise komme ich keine 5 Sekunden weit, bis wieder so ein NPC mit einer Dialogbox reinslidet und irgendwelchen Nonsense von sich gibt. Hier hätte ich mir eine massive Reduktion gewünscht. Aber so fährt das teilweise minutenlange Hin und Her mit dem Spielspass Achterbahn. Ebenfalls sehr nervig war das Gegnerverhalten. Zwar kann ich ausweichen oder mit einem Schlag in der Oberwelt kontern. Die Proleten sind gelegentlich aber so aggressiv, dass man den Kampfschirm sieht, bevor einem klar wird, was los ist. Das ist besonders mühsam, wenn ihr ein Gebiet ohne Gegnerstress durchqueren wollt. Was mich beim etwas antiken Kampfsystem aber wirklich verwundert hat, war die Angriffsfrequenz von Gegnergruppen. Teilweise blockiere ich minutenlang eine Armada von Attacken, um selbst nur knapp einen Schlag reinzuquetschen. Ich fragte mich echt, ob ich hier der NPC bin und das Game mich bespielt. Die Idee mit den Steckern und Buchsen brachte etwas frischen Wind ins angestaubte Spielprinzip, von dem ich mir generell etwas mehr Ideenreichtum und Freiheit gewünscht hätte. Ich könnte mich noch über die verpatzte Chance eines 2 Spieler Coop-Modus wundern, da sich das Spiel perfekt dafür anbietet, aber gut. Brothership ist ein solides Mario-RPG mit überdurchschnittlichem Umfang, der sich mehr auf traditionelle Werte beruft und eher auf Nummer sicher geht, als neue, innovative Wege zu beschreiten.
Mario & Luigi: Brothership ist exklusiv für Nintendo Switch erschienen. Unser Test-Muster stammt von Nintendo, wofür wir uns herzlich bedanken.
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