Als Kind der 1980er Jahre ist mir "MACROSS" natürlich ein Begriff. Das liegt hauptsächlich an den coolen Mechs, die sich auch in ein Flugzeug verwandeln können. Es gab sogar Toys davon, wovon ich damals eines besass. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich nie wirklich mit dieser Space Opera befasst und auch vom Anime nur aus dem Augenwinkel heraus ein paar Szenen mitbekommen habe.
Trotzdem wollte ich das Spiel unbedingt testen, denn ich kenne die Arcade Shoot'em Ups von Banpresto und Fabtek und mag Shmups im allgemeinen sehr. Damit ich beurteilen kann, wieviel Fan-Service in MACROSS -Shooting Insight- steckt, musste ich mich im Vorfeld zu diesem Testbericht aber erst einmal schlaulesen. Ich wusste beispielsweise überhaupt nicht, dass Musik im MACROSS-Universum eine derart grosse Rolle spielt.
In der Originalversion von MACROSS wurde Musik als Waffe eingesetzt, um bei den Feinden, einer Rasse geklonter Soldaten, die nichts anderes als Kriegführung kannten, einen massiven Kulturschock auszulösen. Als sie zum ersten Mal Musik hörten, überwältigte dies ihre Sinne komplett, was sie zur leichten Beute machte. So kam es, dass die Piloten der VF-1 Variable Fighters, oder "Valkyrie", wie sie auch genannt werden, oft von sogenannten "Songstresses" begleitet werden, süsse JPop Sängerinnen, die zur Verwirrung der Feinde eingesetzt werden.
Soweit so kurios! Es überrascht nicht, dass sich die Story von MACROSS -Shooting Insight- genau um diese Sängerinnen dreht. Als plötzlich mehrdimensionale Falten im Raum-Zeit Gefüge auftreten, treffen Piloten und Sängerinnen aus unterschiedlichen MACROSS-Epochen auf unerklärliche Weise aufeinander - MACROSS Plus, MACROSS Zero, MACROSS 7, MACROSS Frontier & MACROSS Delta. Insofern verspricht MACROSS -Shooting Insight- eine völlig neue, einzigartige Geschichte, die sich über mehrere Animes und Filme erstreckt.
Wie ihr euch denken könnt ist das Ganze ist eine ziemlich "japanische" Angelegenheit, weswegen lange nicht klar war, ob es das Spiel überhaupt zu uns in den Westen schaffen würde. In Japan ist es schon seit knapp einem Jahr für die Switch und die PlayStation zu haben. Nun hat sich Publisher Red Art Games entschlossen, das Spiel auch bei uns zu veröffentlichen, inklusive einiger Verbesserungen im Gameplay und sogar mit englischen Texten und Menüs. Die Sprachausgabe bleibt weiterhin japanisch, weswegen die gesprochenen Story-Einspieler während den Missionen, die nur in kleinen Textboxen eingeblendet werden, zur echten Herausforderung werden. Viel bekommt man da leider nicht mit.
Im Spiel nutzen wir die Kraft diverser Songs, um uns im Kampf einen Vorteil zu verschaffen. Je nach gewähltem Charakter synchronisieren wir unseren VF-Mech mit persönlichen Sängerinnen und erhalten so Zugriff auf eine Vielzahl von Buffs, wie z.B. erhöhte Feuerkraft, erhöhte Manövrierfähigkeit, reduzierte Feuergeschwindigkeit des Feindes und vieles mehr. Entwickler Kaminari Games bezeichnet -Shooting Insight- als „mehrdimensionales Shooter-Spiel“. Die Level bieten horizontales und vertikales Schiessen sowie eine 360-Grad-Option. Sie bestehen meistens aus drei Abschnitten, wobei die drei Spielstile stets vorgegeben sind. Ein vierter, echter 3D-Stil, der mich ein bisschen an Star Fox erinnerte, ist auch ein paar Mal zu finden. Schade ist, dass man nicht selbst und auf Knopfdruck zwischen den drei Formen des VFs umstellen kann, wie es bei einigen der alten Arcade-Spiele der Fall war.
Unabhängig von der Perspektive und Form des VFs bleibt die Steuerung im Grossen und Ganzen während des gesamten Erlebnisses gleich. Standardmässig wird mit dem rechten Bumper die Primärwaffe abgefeuert, Kreis leitet eine Rolle oder Ausweichbewegung ein, Dreieck startet einen Support-Angriff und der rechte Stick wird für zielsuchende Lenkwaffen verwendet. Der Unterstützungsangriff aka "Smart-Bomb" kann nicht unbegrenzt eingesetzt werden, dafür muss erst eine Leiste gefüllt werden. Die 360-Grad-Level machen das Spiel im Grunde zu einem Twin-Stick-Shooter. Obwohl die Zielsuchraketen weiterhin dem rechten Stick zugewiesen sind, darf man durch Halten des Bumpers trotzdem noch in alle Richtungen schiessen.
Genrelike sind die Level mit einer Vielzahl Bonus-Items, Power Ups und Ressourcen gefüllt, die eingesammelt werden müssen und unsere Maschine verbessern. Von Feinden hinterlassene Fragmente erhöhen beispielsweise temporär die Feuerkraft. Weichen wir feindlichen Geschossen und Angriffen geschickt aus, erhöht das den Punktemultiplikator. Grundsätzlich gilt: Je besser man spielt, desto mehr Vorteile erhält man im späteren Spielverlauf.
Es stehen fünf Piloten mit ihren VFs zur Auswahl, die Hauptfiguren aus ihrer jeweiligen Epoche in der MACROSS-Saga repräsentieren. Jeder der Piloten hat unterschiedliche Attribute. Die offensichtlichsten Unterschiede sind die Art und Reichweite der Waffen, die Fluggeschwindigkeit und Schussfrequenz sowie die Stärke der Schilde und die Anzahl der zielsuchenden Raketen.
Als besonders schwer würde ich -Shooting Insight- nicht bezeichnen, dank mehrerer Schwierigkeitsgrade. Trotzdem bin ich immer wieder mal gestorben, weil ich schlecht zwischen Hintergrundgrafik und tödlichen Objekten im Vordergrund unterscheiden konnte. Es stellt sich immer wieder die Frage, was bei einer Kollision Schaden verursacht und was nicht. Wenn dann noch pinkfarbene Glitzer-Filter hinzukommen, die erscheinen, wenn man mit einer Sängerin synchronisiert ist, wird es manchmal etwas schwierig, Feinde und ankommende Projektile zu erkennen. Diese Filter-Effekte sehen zwar hübsch aus, führen aber gelegentlich zu unbeabsichtigten Todesfällen. Besonders lästig ist das, weil man das ganze Spiel über nur ein einziges Leben besitzt. Ist die Lebensleiste weg, heisst es Game Over und man beginnt die aktuelle Stage von vorne. In der Japan Version musste man sogar komplett von 0 anfangen.
Im Story-Modus durchlaufen wir elf Phasen mit etlichen ausgedehnten Gesprächen. Je nachdem, welchen Piloten wir zu Beginn wählen, wird eine leicht andere Geschichte und ein anderes Ending präsentiert. Hat man den Story-Modus durch, was ungefähr knapp 1 Stunde dauert, stehen einem der Arcade-Mode, die Galerie, der Rival-Battle, ein Boss-Rush- und ein Trainings-Modus offen. Im Rival-Battle tritt einer unserer fünf Helden gegen einen gegnerischen Charakter aus dem MACROSS-Universum an. Die anderen Modi sind wohl selbsterklärend.
Optisch reisst MACROSS -Shooting Insight- keine Bäume aus. Die verwendeten Artworks aus den jeweiligen Serien/Filmen sind zwar nett, insgesamt fand ich die Präsentation aber sehr lieblos und die Stage-Backgrounds mit ihren endlosen Sternen-Tapeten, gleichförmigen Astroidenwänden, simplen Trümmerlandschaften und copy-paste Elementen sehr langweilig. Vermutlich ist die Musik noch das Highlight für Fans, zumindest wenn man auf quietschigen JPop steht. Mehrere bekannte Songs aus den Filmen sind im Spiel enthalten.
Enttäuschend fand ich das Fehlen eines vollständig vertonten Story-Modus. Es gibt weder eine japanische noch eine englische Sprachausgabe. Man klickt sich zwischen den Missionen durch dutzende, mehr oder weniger statische Comic-und-Text Panels, die lediglich mit kurzen Grunzern, einem Stöhnen oder simplen "Ahs" und "Ohs" vertont werden. Dafür wird während der Action viel zu viel gesprochen, auf japanisch versteht sich. Um die zugehörigen englischen Texteinblender zu lesen, fehlt einfach die Zeit. Und warum in der West Version ein Pilot samt seiner Sängerin entfernt wurde, bringt mich auch zum Grübeln. Zumal diese beiden (Hikaru Ichijyo und Minmei) weiterhin in Cut-Scenes vorkommen und eine nicht unwesentliche Rolle in der Story spielen.
Fazit:
MACROSS -Shooting Insight- verspricht vieles, hält aber nur wenig. Klar, ausgehungerte Fans freuen sich wahrscheinlich über ein neues MACROSS-Spiel. Immerhin ist das letzte im Jahr 2013 für die PS3 erschienen. So gesehen kann man vielleicht über die glanzlose Präsentation und lieblose Optik hinwegsehen. Das Fehlen dynamisch wechselnder Modi zwischen Jäger, Gerwalk und Battroid ist aber auf jeden Fall eine verpasste Chance. Oft nicht klar zwischen Hintergrundgrafik und tödlichen Hindernissen im Vordergrund unterscheiden zu können und aufgrund von knalligen Filtern feindliche Geschosse nicht zu erkennen, ist ein weiteres Problem. Im Vergleich zu den alten Banpresto Titeln gewinnt MACROSS -Shooting Insight- leider keinen Blumenstrauss. Wem es einfach nur nach einem guten Arcade Shoot'em Up dürstet, sollte seine Gelüste besser woanders stillen.
MACROSS -Shooting Insight- ist für PS4, PS5, Nintendo Switch und PC erhältlich. Wir haben uns das Spiel auf der PS5 Pro angesehen. Das Test-Muster stammt von Red Art Games, wofür wir uns herzlich bedanken!
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