Liberté, Fraternité, Kamillentee! Manche Gags werden nie alt. Weniger lustig ist die Hintergrundstory des von Hades inspirierten Roguelikes. Paris liegt in grossen Teilen in Trümmern, die Strassen brennen. Als dann noch eine eklige Hexe mit ihrer Mutantenbande in die Rebellion kracht, gibt's nichts mehr zu lachen. Bon Chance!
Nach dem tumultartigen Sturm auf die Bastille herrscht ein heilloses Durcheinander in der Hauptstadt unserer westlichen Nachbarn. Vier unterschiedliche Fraktionen bekämpfen sich bis aufs Blut, um den nächsten Regierungsvertreter zu stellen und die Konkurrenz möglichst schnell auszuschalten. Immer auf der Suche nach neuen Seelen tritt die Superhexe Bliss aufs Parkett und übernimmt mit einer gesunden Anzahl an Flüchen einen Teil der Bevölkerung. Damit es ihr in der ganzen Misere nicht langweilig wird, entschied sie sich für den Strauchdieb René, der sich nach korrekter Bezahlung als Meuchelmörder von jeder Fraktion anheuern lässt.
Wir starten ausgerüstet mit einem 3er Kombo-Kurzschwert und einem Dash, der durch längeres Gedrückthalten in einer Ausweichrolle endet, in den Gassen von Paris. Zwar liegt nicht die ganze Stadt in Schutt und Asche und gelegentlich durchqueren wir auch bevölkerte Stadtteile mit harmlosen Mitbewohnern. An der nächsten Ecke kann aber schon der nächste infizierte Mob stehen, der uns an den Kragen will. In den einzelnen Abschnitten, die mit glühenden Türen verbunden sind, hauen wir meistens eine vorgegebene Anzahl an Feinden ins Nirvana. Es wäre aber tragisch, wenn wir nur eine Angriffsoperation hätten.
So bekommen wir zu Beginn ein Stapel Spielkarten ausgehändigt, die wir als passive Buffs und aktive Upgrades einsetzen können. Die Sache hat aber einen kleinen Kniff. Wir können nicht alle Karten ausrüsten. Nur wenn wir ein paar Karten opfern bzw. verbrennen, erhalten wir wertvolle Manapunkte, mit denen wir die restlichen Karten einlösen können. Jede Karte verfügt über einen Punktewert. Nur wenn wir genug Mana besitzen, lassen sich die Karten aktivieren. Vier Aktions-Slots am unteren Bildrand lassen sich mit den entsprechenden Skills ausrüsten. Wir legen einen 180 Grad Schwerthieb auf die erste Position, die nächste besetzen wir mit einem Pistolenschuss, damit wir aus sicherer Entfernung ein paar Treffer verteilen können. Im dritten haben wir einen Rüstungs-Akkumulator, der uns alle paar Schläge mit ein paar Extra HPs auffrischt.
Skillkarten wandern nicht in die Slots, sondern direkt in unseren Status. Wir erhöhen unseren Nahkampfschaden, durchschlagen automatisch Schilde oder geniessen einen kurzzeitigen Powerbuff nach Einsatz einer Sekundär-Attacke. Insgesamt 132 unterschiedliche Karten existieren in Liberté, die aber nur durch mehrmaliges Durchspielen erhältlich sind.
Während in den meisten Roguelikes ein Cooldown den unmittelbaren Waffeneinsatz verhindert, funktioniert es bei Liberté ein wenig anders. Nach jeder Aktion erscheint eine Nummer auf dem bestückten Slot, die anzeigt, wie viele Schwertschläge man benötigt, um den Skill wieder aufzufüllen. Ein sehr interessanter Ansatz, der einen dazu zwingt, offensiv in den Kampf zu gehen, anstatt wild rumzurennen, bis sich der Zeitmesser wieder gefüllt hat.
Ab und zu stolpern wir bei unseren Streifzügen über kleine Märkte oder fahrende Händler. Mit den erwirtschafteten Silbermünzen, die wir in Kisten auslesen und dem einen oder anderen Halunken nach deren Hinscheiden abluchsen. Hier können wir unser Mana auffüllen, die Healthbar auf Höchststand bringen und neue Karten einkaufen. Wem noch ein paar Taler übrigbleiben, heuert einen schlagkräftigen Sidekick an, der euch eine Zeitlang im Kampf zur Seite steht.
Haben wir ein Quartier durchquert, gilt es den Levelboss zu legen, der euch mit einer ellenlangen Lebensleiste zum Kampf auffordert. Haben wir den Knilch erfolgreich dezimiert, dürfen wir in einem Oberwelt-Screen unseren nächsten Abschnitt auswählen. Aber auch hier ist das Ganze mit einem kleinen Kniff versehen. Unsere gute Hexe Bliss belegt uns selber mit einem Fluch, der u.a. die Gegner mit höherem Schaden versieht, die Feinde mit kleinen Giftbomben bestückt oder zu jedem Mob einen harten Miniboss hinzu stellt. Der Fluch endet jedoch nicht, nachdem das nächste Level erreicht wurde. Das Gegenteil ist der Fall. Es wird stets ein neuer hinzugefügt, bis wir beim finalen Boss mit 3 Flüchen belastet sind und so den Schwierigkeitsgrad in schwindelerregende Höhen treiben.
Wem das zuviel ist, aktiviert im Optionsmenü den Storymodus, der unseren erlittenen Schaden um ⅔ reduziert. Als "Bestrafung" erhalten wir dafür keine neuen Karten und müssen nur mit den bereits erspielten vorliebnehmen. Wie es das Genre so will, sterben wir natürlich Dutzende von Leben und verlieren bis auf die erspielten Karten sämtlichen Fortschritt. Beim erneuten Durchlauf können wir uns das Deck aus maximal 40 Karten erstellen und erhalten von der grosszügigen Bliss einen Bonus Buff wie z.B. 25% mehr Schaden, 150 Silberstücke als Startgeld oder ein paar Extra HPs.
Im weiteren Spielverlauf freunden wir uns durch NPC-Gespräche mit den unterschiedlichen Fraktionen besser an und bekommen als Belohnung neue Skins mit unterschiedlichen Waffen. Der Grind und der damit verbundene Aufwand waren uns aber schlussendlich die Zeit nicht wert.
Fazit:
Liberté ist eines dieser Spiele, bei denen ich gerne in die Köpfe der Entwickler geschaut hätte, um deren Gedankengänge zu verstehen. Warum nimmt man so einen farblosen Hintergrund als Story-Aufhänger. Warum renne ich kontinuierlich durch langweilige Strassenzüge mit langweiligen Gegnern? Warum werde ich nonstop mit Flüchen beladen? Warum gibt es im Optionsmenü “I am Stuck”? Wann kommt der Spielspass? Aber die wichtigste Frage bleibt: Warum dieses Spiel? Nach 2 Stunden hat man alle möglichen Szenarien gesehen, die Gegner sind mitunter die kreativloseste Bande, die mir in meiner Videospiel-Laufbahn untergekommen sind. Die grafische Umsetzung schreit nach Liebe und technisch hält sich das Ganze kaum besser auf den Beinen als Rentner mit 'nem Krückstock. Bei zu vielen Gegnern stottert es regelmässig, Gebäudeteile clippen weg oder wir rennen gegen unsichtbare Mauern. Wenn wenigstens das Kampfsystem überzeugen könnte. Aber es ist immer die gleiche Leier. Hit-Hit-Dash, Sekundärwaffe, Hit-Hit-Dash, Sekundärwaffe… ihr wisst Bescheid. Ist den Entwicklern entgangen, dass sie sich zudem ein extrem repetitives Genre ausgesucht haben? Dann sollte man sowas beim Herzstück des Machwerks tunlichst vermeiden. Das einzige Lob geht an die offensive Cooldown Mechanik der Sekundärskills. Aber was nutzt mir eine Perle in einem Berg voll Dung?
Liberté ist digital für PlayStation 5, Xbox Series X|S und den PC erhältlich. Wir haben uns das Spiel auf der PS5 angeschaut. Unser Test-Muster stammt von Ultimate-Games, wofür wir uns herzlich bedanken.
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