Der Mann mit dem weissen Anzug ist zurück. Der Weg zur Konsole hat den guten alten Larry dann doch einige Monate gekostet. Nach Wet Dreams Don’t Dry kommt Wet Dreams Dry Twice, oder auch «Mehr vom alt Bekannten».
Das Deutsche Entwicklerstudio CrazyBunch hat vor etwas mehr als zwei Jahren Leisure Suit Larry neues Leben eingehaucht. Mit dem ersten Teil der Neuauflage des ewigen Junggesellen ist den Deutschen eine kleine Überraschung gelungen. Der typisch zweideutige Humor wurde gekonnt ins aktuelle Zeitgeschehen manövriert. Tatsächlich musste sich der 80er Jahre Larry auf einmal mit neuzeitlichen Erscheinungen wie Instagram und Smartphones rumschlagen. Diese Prämisse fällt mit dem Nachfolger naturgemäss weg; Larry hat sich zwischenzeitlich an die neuen Technik-Gadgets wie seine allgegenwärtige Pi Phone-Unterstützung gewöhnt; ist aber noch immer auf der Suche nach seiner Traumfrau.
Wo der erste Teil aufgehört hat, fängt der Zweite an. War der keinem erotischen Scharmützel abgeneigte Anzugträger damals noch in der Stadt New Lost Wages unterwegs, geht’s 2021 ab in die Karibik. Zumindest weiss der gute Mann, was er will: Und das ist seine, im Vorgänger kennengelernte, Traumfrau namens Faith wieder zu finden. Dass ihm auf der Insel Kalau'a noch weitere, nicht ganz alltägliche Damen über den Weg laufen werden, war abzusehen. Vorkenntnisse zum ersten Teil sind übrigens nicht von Nöten.
Soviel zur Story; das Adventure-Grundgerüst bleibt derweil gleich. Wie man das aus dem Genre kennt, verwalten wir eine Fülle an Items und nutzen diese, um diverse Rätsel damit zu lösen. Im direkten Vergleich zum Vorgänger gestaltet sich das Inventar etwas übersichtlicher. Das ist im Hinblick auf die teilweise abstrusen Gerätschaften, die sich in Larrys Taschen tummeln, durchaus hilfreich. Wie schon in Lost Wages lassen sich wichtige Gegenstände und allerlei Möglichkeiten zur Interaktion mittels Tastendruck hervorheben. Damit bleibt uns unnötig langes Bildschirm-Absuchen mit dem Cursor glücklicherweise erspart. Auch endlose Laufpassagen werden durch eine praktische Schnellreise Funktion reduziert. Beides sind im Jahr 2021 aber eigentlich Adventure-Standards, ohne die das zwischenzeitlich etwas antiquierte Genre kaum mehr auskommen würde. Zumal die Rätsel nicht durchwegs mit purer Logik überzeugen; das sind sich Larry Spieler aber seit jeher gewohnt.
Wie schon der Vorgänger überzeugt auch Wet Dreams Dry Twice mit unterhaltsamen Charakteren. Diverse zeitgenössische Themen, wie die immer wieder gerne auf die Schippe genommenen Influencer oder die generelle Popkultur, sorgen dabei für den einen oder anderen Schmunzler. Dennoch vermissen Kenner der Originale den einzigartigen Einschlag vom Serien-Schöpfer Al Lowe. Vielleicht wären diese Spiele in der heutigen Political-Correctness Kultur aber auch gar nicht mehr möglich, ohne postwendend Negativ-Schlagzeilen zu ergattern.
Grafisch und akustisch überzeugt Larry auch im zweiten Auftritt seit dem Re-Boot der Serie. Die Sprecher leisten gute Arbeit und die Hintergründe sind schön gezeichnet. Weitere Spieloptionen oder Überraschungen suchen wir derweil vergebens. Noch ein Wort zur Konsolen-Adaption: Die ist wunderbar gelungen. Mit dem linken Stick steuern wir Larry durch die Karibik und mittels Button-Druck werden dem möchtegern-Casanova die möglichen Aktivitäten hervorgehoben, die wiederum mit dem rechten Stick ausgewählt werden. Was bleibt ist ein Grafik-Adventure alter Schule mit einem richtig alten Charakter, der auch heute noch auf seine anzügliche Art- und Weise zu unterhalten weiss.
Fazit:
In der Schweiz haben wir Regenzeit; seit Monaten. Gratis dazu gibt’s noch immerwährende Corona-Restriktionen, auch im Reisesegment. Was gibt es da Besseres als am Wochenende einen virtuellen Kurztrip in die Karibik zu wagen. Noch dazu mit unserem lieblings-Schwerenöter Larry Laffer. Wie so oft kämpft auch dieser Nachfolger mit dem Fortsetzungs-Syndrom. Vieles wirkt etwas weniger frisch als noch vor zwei Jahren, als wir zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt durch ein komplett neues Larry-Abenteuer gerätselt sind. Das heisst aber nicht, dass wir es hier mit einem schlechten Spiel zu tun hätten. Im Gegenteil: Larrys Suche nach Faith punktet mit einigen unterhaltsamen Sprüchen und sympathischen Charakteren. Wären die Rätsel jetzt noch durchwegs logisch, hätten wir es hier mit einem astreinen Spiel zu tun. So reicht es immerhin noch zur Empfehlung für alle Grafik-Adventure Fans da draussen, die in den letzten Jahrzehnten keine Abneigung gegen den alten Schürzenjäger Larry entwickelt haben.
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