Ich mag diese "voll japanischen Spiele", aber wenn ich ehrlich bin, war der Titel "Kunitsu-Gami: Path of the Goddess" mit dem im Vorfeld angesprochenen, eigenwilligen Genre-Mix nicht gerade das, was mich vor Vorfreude auf dem Sofa hüpfen liess. Aber wie heisst es so schön: "Beurteile ein Spiel nicht nach seinem Namen"... oder so ähnlich.
Die epische Story von Kunitsu-Gami ist verwirrend und manchmal so tiefgründig, dass ich fast das Gefühl hatte, ich müsste einen Doktortitel in japanischer Mythologie machen, um alles zu verstehen. Aber das macht irgendwie auch den Reiz aus. "Der Reiz des Unbekannten" sozusagen.
Wir schlüpfen in die Rolle eines jungen, auserwählten Helden und seiner weiblichen Begleitung, einer waschechten Göttin. Die beiden werden in eine uralte Prophezeiung verwickelt. Die Mission? Die Balance zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter wiederherstellen. Wir sind dabei für's Grobe zuständig, während unsere göttliche Begleiterin sich um die "Reinigung" kümmert und selbst nicht kämpfen kann. Hat hier jemand "Beschützermission" geschriehen?! Jup, aber keine Bange, so schlimm wie sich das anhört, ist es gar nicht.
Alles beginnt in einem kleinen, malerischen Dorf, das von seltsamen, übernatürlichen Ereignissen heimgesucht wird. Die Dorfbewohner sind verzweifelt und flehen die Götter um Hilfe an. Und hier kommen wir ins Spiel. Durch eine Reihe mysteriöser Visionen und Hinweise werden wir auf eine Reise geschickt, die uns durch wunderschöne Tempel, dichte Wälder und gefährliche Gebirgszüge führt. Auf unserem Weg begegnen wir nicht nur furchterregenden Monstern und mächtigen Dämonen, sondern auch freundlichen Geistern und weisen, alten Göttern. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte und trägt zur Tiefe der Spielwelt bei. Besonders beeindruckend sind die Zwischensequenzen, die wie animierte Märchen wirken und die Mythen und Legenden der japanischen Kultur lebendig werden lassen.
Die narrative Struktur des Spiels ist nicht linear, was bedeutet, dass unsere Entscheidungen und Handlungen den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Es gibt mehrere Enden, und jede unserer Taten kann weitreichende Konsequenzen haben. Diese Tiefe und Komplexität machen die Story zu einem fesselnden Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst, auch wenn sie mich schlussendlich mit vielen Fragen zurückliess.
Das grösste Problem war für mich die Steuerung. Die ist... nun ja, sagen wir mal, eine göttliche Herausforderung. Das Spiel mixt Strategie-, Action-RPG- und Tower-Defense-Elemente zu einem neuartigen Ganzen. Entsprechend "strange" fällt die Steuerung aus. Die Kombinationen für spezielle Angriffe und magische Fähigkeiten erfordern einiges an Übung. Besonders um mächtige und komplexe Zauber zu wirken sind Timing und Präzision am Controller eine Voraussetzung. Einmal falsch gedrückt, und du stehst mitten im Kampf plötzlich ohne Mana da oder fällst wieder einmal in einen tiefen Abgrund.
Hat man die Steuerung trotz aller Hürden verinnerlicht, bietet das Kampfsystem vor allem taktische Action. Wir müssen unsere Angriffe nicht nur gut timen, sondern auch die Angriffsmuster der Gegner gut studieren. Blocken, ausweichen und kontern sollten zur blinden Routine werden. Primär sollen wir Dörfer und Siedlungen vom Bösen befreien. Das geschieht, indem wir tagsüber frei herumlaufen, bis wir einen Fleck der Verunreinigung finden. Diese wird umgehend "gereinigt". Meist erlösen wir so auch Bewohner, die sich uns anschliessen und denen wir mit Hilfe von Masken verschiedene Aufgaben zuteilen – vom einfachen Holzfäller (Nahkampfspezialist) über Bogenschütze (Fernkampf) bis hin zum Tischler oder Sumo-Ringer ist vieles möglich.
Jede Rolle hat eine andere Aufgabe in darauf folgenden Kämpfen, und es ist eine Kunst, alle Bewohner für das gegenwärtige Fleckchen Erde richtig auszurüsten und klug in der Gegend zu platzieren. Schliesslich müssen wir zusammen mit ihnen des Nachts Angriffe der grotesken Monsterbrut abwehren. Die Jobs der Bewohner dürfen in Echtzeit geändert werden, z.B. wenn wir feststellen, dass wir plötzlich Bogenschützen statt Nahkämpfer benötigen, um den nervigen fliegenden Gegnern Herr zu werden. Es ist wichtig, die richtigen Leute am richtigen Ort stehen zu haben und sie später im Kampf zu unterstützen. Das Ziel dieser Scharmützel ist es stets, unsere göttliche Begleiterin zu schützen und sie zum nächsten Tori-Gate zu geleiten, damit sie dieses reinigen und damit die Flut der Gegner stoppen kann.
Neben den Kämpfen gibt es auch ein paar beeindruckende Bosskämpfe und auch hier unterstützen uns die Bewohner. Und nicht zuletzt gibt's eine Menge Rätsel zu lösen. Die sind oft clever in die Umgebung integriert und erfordern, dass wir die Landschaft genau beobachten und manchmal sogar Hinweise aus den Gesprächen mit NPCs ableiten. Das sorgt für eine willkommene Abwechslung zum ansonsten recht intensiven Kampfgeschehen.
Ein weiterer interessanter Aspekt des Gameplays ist das Erforschen der Welt. Die offenen Gebiete laden dazu ein, jeden Winkel zu erkunden, Geheimnisse zu entdecken und verborgene Schätze zu finden. Es gibt auch viele optionale Quests, die uns helfen, mehr über die Geschichte und die Welt zu erfahren. Diese Nebenquests sind oft ebenso gut gestaltet wie die Hauptgeschichte und belohnen uns mit wertvollen Gegenständen und Fähigkeiten.
Das grosse Highlight von Kunitsu-Gami ist die Präsentation. Die Landschaften sind wunderschön gestaltet, so dass ich mich manchmal dabei ertappte, wie ich einfach nur durch die Gegend spazierte und den Anblick genoss. Wer hätte gedacht, dass ein Spiel über Dämonen und Monster so entspannend sein kann? Da kam irgendwie ein Feeling wie damals bei Okami auf. Beim Design der Kreaturen haben sich die Grafiker von Capcom selbst übertroffen. Einfach total abgefahren, was hier alles über den Bildschirm kreucht und fleucht!
Auch der Soundtrack ist der Hit und erinnerte mich an Okami. Die Mischung aus traditionellen japanischen Klängen und modernen Beats hat mich absolut begeistert. Ich ertappte mich gelegentlich dabei, wie ich zu den Klängen mitsummte, während mein Charakter von einem riesigen, furchterregenden Oni gejagt wurde. Zugegeben, nicht der beste Moment für eine musikalische Einlage.
Fazit:
Es kommt nicht oft vor, dass man als alteingesessender Spiele-Redakteur von einem neuen Titel überrascht und aus der Reserve gelockt wird. Kunitsu-Gami: Path of the Goddess ist so ein Spiel und so ganz anders, als alles, was ich in meiner langen Gaming-Karriere auf dem Bildschirm hatte. Das ist gleichzeitig auch sein grösstes Problem, denn entweder man liebt oder hasst es – dazwischen gibt es eigentlich nichts. Dazu kommen grössere Hürden durch die sehr komplexe Steuerung und ein Strategie-Action Ansatz, der nicht jedem gefallen wird. Aber gerade weil es so "speziell" und anders war, und natürlich wegen der äusserst hübschen Präsentation, war ich stets gewillt, das Spiel bis zum Ende durchzuziehen. Wer offen ist für Neues und auch den entsprechenden Lernwillen und die Geduld mitbringt, sollte sich Kunitsu-Gami ansehen. Es ist etwas ganz Besonderes, was Capcom uns hier serviert und alleine dafür spielenswert.
Kunitsu-Gami: Path of the Goddess ist digital für Xbox Series X|S, PC und PlayStation 5 erhältlich. Es ist zum Zeitpunkt dieses Tests auch im Xbox Game Pass enthalten. Unser frühes Test-Muster stammt von Capcom, wofür wir uns herzlich bedanken!
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