Ältere Semester und Veteranen werden sich vielleicht noch an Kao The Kangaroo erinnern. Der klassische Platformer erschien zur Blütezeit des Genres in den frühen 2000ern und gehört mit fast 700'000 verkauften Einheiten über vier Teile schon fast zu Polen's Videospielerbe. Zum 20-jährigen Jubiläum bringt Kao-Erfinder Tate Multimedia ein brandneues Abenteuer auf eure Bildschirme.
Ende der 90er Jahre erlebte die Welt eine Art Blütezeit der 3D Jump'n Runs, insbesondere solche mit Maskottchen. Viele Unternehmen wollten auf der Popularitätswelle von Mario, Sonic & Co. mitreiten, was zu haufenweise anthropomorphen Figuren wie Croc, Blinx, Gex oder Aero the Acro-Bat führte. Crash Bandicoot und Spyro the Dragon sind wohl die populärsten und erfolgreichsten Beispiele aus dieser Epoche. Unter ihnen war auch ein illustres Känguru namens Kao vom polnischen Studio Tate Multimedia. Innerhalb von 5 Jahren erschienen gleich vier Kao-Spiele für diverse Systeme, die bis heute eine treue Fangemeinde haben. Und jetzt, 17 Jahre nach seinem letzten Abenteuer, wird das knuffige Beuteltier in einem Reboot wiederbelebt.
Das neue Kao the Kangaroo will ein einfaches, kindgerechtes Abenteuer sein und soll an das goldene Hüpf-Zeitalter anknüpfen bzw. dieses fortführen. Die Erzählung gehört dabei nicht zu seinen Stärken, aber das ist auch kein Problem. Es ist eine klassische Geschichte eines Helden, der verschiedene Hindernisse überwinden muss, um am Ende der Reise jemanden aus den Fängen eines bösen Widersachers zu befreien. Statt einer ausgefeilten Story präsentiert das Spiel dafür ein Drehbuch voller ironischer und witziger Dialoge, gespickt mit vielen pittoresken Situationen. Diese Prämisse verleiht Kao vor allem eines; Persönlichkeit. Schade, dass nur die Hälfte der Gespräche wirklich vertont sind. Textboxen zu lesen fand ich noch nie besonders prickelnd.
Wie wir von Mario gelernt haben, braucht es keine tolle Geschichte für ein gutes Jump’n Run, wenn das Gameplay stimmt. Im Fall von Kao klappt das recht gut. Neue Ideen gibt's zwar nicht, aber der Titel hat so ziemlich alle grundlegenden Elemente, die ein gutes Hüpfspiel ausmachen; Doppelsprünge, Rollen, Nah-, Fern- und Luftangriffe, you name it. Die Steuerung ist dabei stets reaktionsschnell und präzise. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen, wo euch die Kamera einen Strich durch die Rechnung macht, gehen alle Hüpfpartien einwandfrei von der Hand.
Von einer Hub-Welt aus geht es an ziemlich vorhersehbare Orte wie Wälder, Schneeberge und Lavahöhlen. Neben magischen Kristallen, die Plattformen sichtbar machen, Bumerangs, um Objekte aus der Ferne zu treffen oder zu bedienen, und Energieseilen, an denen man prima schwingen kann, sind Kao's berühmte Boxhandschuhe das meistgenutzte Utensil. Sie können die Kräfte verschiedener Elemente wie Feuer, Eis und Luft annehmen und so beim Lösen von Rätseln und Herausforderungen helfen. Vieles von dem, was präsentiert wird, hat man zwar schon in anderen Serien zuhauf gesehen und viel Grips beim Lösen der Puzzles ist auch nicht nötig. Dennoch macht die Hatz Laune, weil alle Mechanismen perfekt in sich greifen. Die Levels sind durchaus hübsch gestaltet. Ja, die Animationen sind grösstenteils ungeschliffen und lassen Kao und die NPCs ein wenig roboterhaft aussehen, und auch die Sprachausgabe ist nicht die Beste, aber im Grossen und Ganzen trifft die audiovisuelle Präsentation einen unprätentiösen Ton, der stark an Trickfilme der späten 90er erinnert.
Wir rücken Fröschen, Schafen oder Affen mit guten alten Handgreiflichkeiten zu Leibe und nutzen die kraftvolle Luft-Schwanz Attacke zum Reflektieren von feindlichen Geschossen. All das füllt die Spezialleiste und sollte die voll sein, darf man einen Grossangriff starten, der gleich mehrere Spitzbuben auf einmal auf die Matte legt. Die Bosskämpfe verwenden altbekannte Taktiken und Klischees, bieten aber genügend Abwechslung, um nicht eintönig zu werden.
Eine der wichtigsten Regeln der alten Jump'n'Run-Schule besagt, dass man eine grosse Anzahl von Sammelobjekten in sein Spiel packen muss. Also findet man auch hier reichlich Truhen voller Münzen, Herzstücke, die die Widerstandskraft des Helden erhöhen, Runen, die neue Levels freischalten, blaue Kristalle, Schriftrollen mit Details zu Charakteren und Szenarien und - besonders fies versteckt - die Buchstaben K, A und O. Mir hat die Erkundung der einzelnen Areale und die Suche nach diesen Gegenständen sehr viel Freude bereitet. Neugierige Naturen werden überall geheime Wege finden, einige gut versteckt, andere ganz offensichtlich. Sie zu finden, erweitert das Spielgeschehen organisch und fördert auch den Wiederspielwert.
Fazit:
Dass Kao The Kangoroo, wie schon Super Lucky's Tale vor ihm, Innovationen schmerzlich vermissen lässt ist voll OK, denn es macht keinen Hehl daraus, ein reinrassiger, klassischer 3D Hüpfer sein zu wollen. Mission erfolgreich. Das weitaus grössere Problem ist – wie schon so oft - der fehlende Feinschliff. Während meines Tests kam es zu Tonaussetzern, fehlenden Textboxen (bei nicht-vertonten Dialogen echt übel), zweifelhafter Kollisionsabfrage, Kisten, die sich plötzlich nicht mehr öffnen liessen oder Jump-Pads, die ihren Dienst verweigerten. Keine Gamebreaker, nach einem Neustart lief meist alles wieder rund, aber die ständigen Unterbrüche gaben mir das Gefühl, dass Kao einfach noch eine weitere Runde auf der Teststrecke nötig gehabt hätte, bevor er in den Ring steigt. Diese Patzer sind besonders enttäuschend, wenn man bedenkt, dass das Spiel ansonsten eigentlich einen sehr guten Eindruck hinterlässt. Die rund 12 Stunden, die ich brauchte, um die Geschichte zu beenden, haben mir Spass gemacht. Viele Levels hab ich sogar mehrmals gespielt, um sicherzugehen, dass ich alles gesammelt und keine Nebeninhalte verpasst habe. Ich hoffe, dass Kao für die Macher ein Erfolg wird, denn es repräsentiert eine Gattung von Spiel, die vom Aussterben bedroht ist. Jump'n Run Freunde sollten sich Kao in 2-3 Monaten gönnen. Bis dahin sind die Bugs (hoffentlich) weg-gepatcht. Notiz am Rande: Lasst die Finger von der technisch katastrophalen Switch Version. Ich hab euch gewarnt! PS5 oder Xbox Series is the way to go!
Wir haben Kao The Kangaroo auf einer Xbox Series X getestet. Das Spiel ist auch für PS4/5, Nintendo Switch und PC erhältlich. Das Test-Muster stammt von Tate Multimedia, vielen Dank dafür!
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