Viva la Revolución! Da momentan die "Sandbox"-Games so angesagt sind ist es nicht verwunderlich, dass auch Eidos einen GTA-Klon ins Rennen schickt. Just Cause hält aber einige Überrschungen bereit. Wir haben mit Ausnahmeheld Rico Rodriguez das Südseeparadies San Esperito gestürmt.
San Esperito ist eine malerische Insel-Kette irgendwo im Süd-Pazifik. Doch die Idylle trügt. Der fiese Diktator Mendoza regiert mit eiserner Hand und jeder Menge Military-Power. Als El Presidente damit droht, Nukleare Raketen auf das naheliegende Amerika zu feuern, sieht sich good ol' US of A dazu genötigt, dem Treiben ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Als CIA-Agent Rico Rodriguez müsst ihr in 21 Story-Missionen Mendoza stürzen, das Land liberalisieren und eine nukleare Katastrophe abwenden. Nichts ist unmöglich, zumindest in Just Cause. Wo andere Hersteller fast nur noch auf puren Realismus setzen - und dabei manchmal den Spielspass vergessen - geht Avalanche's Erstling andere Wege und sprengt jede Grenze der uns bekannten Videospiel-Realität.
Over-the-top Action lautet das Zauberwort. Latino CIA Super-Spion Rico ist nämlich ein Ausnahmeheld, der selbst James Bond in die hinteren Ränge verweist und gleichzeitig Evil Knievel ziemlich alt aussehen lässt. Er stürzt sich wagemutig von Klippen, hängt sich an vorbeifliegende Flugzeuge, kapert Helikopter (im Flug!), springt von Auto zu Auto und ballert dabei gleichzeitig mit Raketenwerfern, Schrotflinten oder seinen geliebten Handguns aus allen Rohren. Seine Grappling-Hook leistet ihm dabei gute Dienste. Einmal abgeschossen, heftet sie sich an jede Art von Vehikel. Dann kann sich Rico mittels immer bereitem Fallschirm hinter her ziehen lassen und/oder die Kontrolle des Vehikels übernehmen.
Über 70 verschiedene Fahr- und Flugzeuge stehen zur Verfügung, darunter befinden sich neben Autos auch raketenbestückte Schnellboote, Panzer, Kampfhubschrauber oder gar Düsenjäger. Es ist praktisch zwingend nötig, sich ein möglichst schnelles Fortbewegungsmittel zu suchen, denn San Esperito ist gross, wahnsinnig gross, sogar grösser als San Andreas! Die Reisezeit von einem Einsatzort zum anderen kann mitunter mehrere Minuten betragen. Sollte man gerade in der Pampa stehen, ohne Aussicht auf Transportmittel, kann man über das PDA z.B. einen Heli oder ein Auto bei der "Agency" anfordern (Hallo Mercenaries!). Wer zu faul ist, kann sich sogar abholen und zu einem ausgewählten Ort fliegen lassen. Avalanche Studios hat für Just Cause extra eine neue Grafik-Engine entwickelt, die eine immense Weitsicht, dynamisches Licht und Schatten, Wetterveränderungen, volumetrische Wolken und eine Unmenge an Details und grafischen Effekten auf den Screen zaubert (speziell die Explosionen gefallen!), alles ohne irgendwelche Ladezeiten oder nennenswerte Ruckler. Ohne Zweifel ziemlich beeindruckend und das grosse Plus des Spiels.
Leider kann man das vom Gameplay nicht behaupten. Die 21 Story-Missionen sind zwar gut inszeniert, bieten aber nur wenig Abwechslung und sind zudem in gut 5 Stunden gegessen. Zwischen diesen Hauptaufgaben könnt ihr ganz im Stil eines GTA zahlreiche Nebenmissionen absolvieren und zwar wahlweise für das Rioja-Kartell oder die rebellischen Guerilla. Für jeden erfolgreichen Einsatz erhaltet ihr Vertrauenspunkte. In einer Art militärischem Rang-System steigt ihr die Karriereleiter innerhalb einer Fraktion empor und erhaltet mit jeder Beförderung Zugriff auf bessere Ausrüstung, neue Fahrzeuge und Save-Häuser. Letztere sind das Wichtigste. Die Save-Häuser sind überall auf der Karte verteilt. Ihr könnt dort Speichern, euch Heilen und Aufmunitioneren.
Da ihr nach jedem Ableben in einem dieser Save-Häuser erwacht ist es wichtig, viele davon zu besitzen, um euch lange Wege zum nächsten Ziel zu ersparen. Die dort erhältlichen Waffen und Vehikel sind aber relativ unwichtig, da die Standardausrüstung zum Beenden des Spiels absolut ausreicht. Alles was ihr wirklich braucht, bekommt ihr von der CIA früher oder später zur Verfügung gestellt. Hinzu kommt, dass die Nebenmissionen sich immer und immer wiederholen (abgesehen von den Autorennen). Töte Person X, bringe Paket von A nach B, klaue ein Auto. Die Over-Take-Missionen sind etwas spassiger, wiederholen sich aber auch ad nauseum: Zerstöre Barrikade 1, töte Soldaten, zerstöre Barrikade 2, töte Soldaten, zerstöre Barrikade 3, übernimm Flagge. beim 30x werdet ihr euch langsam fragen, was ihr hier eigentlich tut.
Die Motivation die Side-Quests zu erledigen liegt lediglich bei den Achievements. Wer alle Erfolge frei schalten will, benötigt dafür rund 20-25 Stunden. Die wenigsten werden sich aber derart viel Repetition antun wollen. Natürlich solltet ihr während eures Aufenthalts in San Esperito etwas Rücksicht nehmen. Klaut ihr z.B. einen Wagen oder ballert sinnlos auf Zivilisten, steigt wie im Genre-Primus GTA ein sogenannter "Wanted"-Level. Je höher der Wanted-Level, desto mehr Ärger bekommt ihr von der Regierung, sprich Polizei und Militär. Die Jungs können ganz schön nerven. Sie sind äusserst hartnäckig, drängen euch aggressiv von der Strasse und lassen sich nur sehr schwer abschütteln. Bei Wanted-Level 5 jagen sie euch mit Kampf-Helis und gepanzerten SWAT-Fahrzeugen. Da hilft nur die Flucht in eines der naheliegenden Save-Häuser!
Ansonsten ist Just Cause aber eher ein einfaches Spiel. Dank einer äusserst gnädigen, automatischen Zielfunktion trefft ihr auch mit 2 Promille im Blut noch ins Schwarze. Die Feuergefechte werden dadurch etwas zu einfach. Musikalisch bietet Just Cause einige gelungene, mexikanisch angehauchte Musikstücke, die je nach Situation dynamisch eingespielt werden und so die Stimmung positiv beeinflussen. Leider gibt es nur eine handvoll davon. So wiederholen sich diese Tunes bis zum Ende des Spiels viel zu oft und fangen an zu nerven. Jetzt kann man auch nachvollziehen, warum die Radio-Sender in "Sandbox-Games" so wichtig sind. Im Falle von Just Cause hilft zum Glück die Custom-Soundtrack Funktion der XBOX 360 aus der Patsche. Die Sound-FX sind etwas besser, gerade Explosionen klingen brachial und glaubwürdig. Die Schusswaffen dagegen teilweise viel zu schwach und zu leise. Kernigere Schussgeräusche hätten gut getan.
Fazit:
Just Cause hat einen gewissen Wow-Effekt, der für ein paar Stunden ziemlich gut unterhält. Dies kann man der beeindruckenden Grafik und den verrückten Stunts zuschreiben. Rico ist wirklich der ultimative Action-Held und hat Manöver auf dem Kasten, die man so noch nicht gesehen hat. Nach einer gewissen Zeit hat man sich aber an all das gewöhnt und dann kristallisieren sich jede Menge Schwächen (und Bugs!) heraus, allen voran die öden Side-Quests. Für mich sieht es fast so aus, als hätte Avalanche ihre ganze Energie in die Grafik-Engine gesteckt und nachher nicht mehr genügt Zeit oder Inspiration gehabt, in diese wunderschöne Umgebung spannende Einsätze zu integrieren. Dass ich während meiner Testphase viele kleine Bugs entdeckt habe, die im schlimmsten Fall dazu führten, dass ich eine Nebenmission nicht abschliessen konnte, unterstreicht diesen Fakt. Hier wurde viel Potential verschenkt. Dies lässt aber zumindest auf einen zweiten Teil hoffen, wo dieser Misstand behoben wird. Grafik-Huren und Action-Fans mit Hang zum Masochismus können mal reinschauen, wirklich schlecht ist Just Cause nämlich nicht.
Comments