Alles oder nichts! Diesen Spruch muss sich EA bei der Entwicklung des neuesten Bond Abenteuers vor Augen gehalten haben. Nach den durchwachsenen letzten Teilen musste eine Rettung her. Mit Everything or Nothing trifft EA jetzt endlich ins Schwarze.
Als die ersten Berichte und Screens über Everything or Nothing in den Game-Foren dieser Welt auftauchten, stand die Fan-Gemeinde Kopf. Für den neuen Bond-Titel will Electronic Arts eine 3rd Person View einsetzen??! Bond stand bisher klar für 1st Person Action, zumindest seit Rare das mit dem Übergame 'Goldeneye' vor rund 10 Jahren so eingeführt hat. Die Gemüter schieden sich damals. Als die erste Demoversion jedoch ihre Runde machte, verflog die Angst angesichts der perfekten Spielbarkeit und phenomenalen Optik der beiden spielbaren Stages im Nu.
Und nun, da das Spiel endlich im heimischen CD-Tray meiner XBOX liegt kann ich ebenfalls bestätigen: Der neue Bond ist gut, sehr gut sogar! Einen Grossteil der Faszination des Titels geht sicherlich von der unglaublich guten Grafik aus. Seit den 'Herr der Ringe'-Spielen weiss man, was EA in Sachen Präsentation auf dem Kasten hat und Everything or Nothing setzt das Erfolgskonzept nicht nur konsequent fort, sondern vermag es sogar noch ein bisschen zu steigern. Dies dank dem Zutun einiger talentierter Schauspieler, wie Wilem Defoe, John Cleese, Judi Dench, natürlich Pierce Brosnan, und Super-Model Heidi Klum, die alle mit stilechter Sprachausgabe den Polygon-Counterparts im Game richtiges Leben einhauchen.
Dabei sehen diese schon so atemberaubend genug aus. Man muss sich nur mal die Bilder ansehen. Grafisch zieht der neue Bond alle Register und sorgt in so manchen Momenten für offene Kinnladen. Natürlich will man Everything or Nothing jetzt sofort mit dem König aller Bond-Spiele 'Goldeneye' vergleichen, sollte man aber nicht. Die Prinzipien sind auf den ersten Blick zwar immer noch die gleichen: Kämpfen, Schiessen, Fahren und Fliegen, viele high-tech Gadgets einsetzen, schöne Frauen knutschen und das Ganze auf den gewohnten Schwierigkeitsgraden Operative, Agent und 00-Agent - und neu noch 'Platinum' (00-Agent mit Time-Limit). Die Missions-Ziele und KI der Gegner variieren natürlich mit dem Schwierigkeitsgrad und nur wer alle 'Bond-Momente' eines Levels kennt (siehe auch Bond Moments FAQ), und einen genauen Ziel-Finger besitzt, kann auch die Platinum Challenge erledigen. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten.
Durch die neue 3rd Person View spielen sich die Fuss-Missionen wie eine Mischung aus Namco's Kill-Switch und Ubisoft's Splinter Cell. Mittels Lock-On schiesst man aus sicherer Deckung heraus, hechtet von einer Stellung zur nächsten. Mir persönlich gefällt diese Mischung wirklich ausserordentlich. Das Lock-On Feature funktioniert gut und lässt mittels rechtem Analogstick manuelle Korrekturen zu. Somit sind auch Head- und Limb-Shots kein Problem. Normalerweise wird der rechte Analog-Stick für die manuelle Kamera genutzt, welche ohne ausgiebige Manipulation leider nicht immer den optimalen Blickwinkel bietet. Wer sich jedoch nicht scheut mit 2 Sticks gleichzeitig zu hantieren, wird immer genau das sehen, was er will. Ebenfalls neu ist der Bond-Sense. Mit diesem Feature lässt sich quasi die Zeit anhalten bzw. stark verlangsamen, ähnlich der Bullet-Time von Max Payne. Bond kann während dessen jedoch nicht um sich ballern, sondern lediglich mittels Cam-Stick die Umgebung nach benutz- oder zerstörbaren Objekten absuchen, die einzelne Passage eventuell einfacher (und weniger hektisch) machen. Viele Bond-Momente setzen den exzessiven Gebrauch des Bond-Sense voraus. Eine coole Idee, die vorallem bei erneutem Durchspielen eine Rolle spielt oder dann, wenn man sich auf Gold-Medaillen-Jagd begiebt. Auch wenn viele Gameplay-Elemente bei anderen Genre-Vertretern gekonnt 'geklaut' wurden bringt der neue Bond doch einen ganz eigenen Scharm mit. Hierfür verantwortlich sind einerseits die vielen neuen Spielereien aus dem Q-Labor, wie z.B. die multifunktionelle Q-Spinne (ausgerüstet mit Gift und Sprengstoff), ein Stealth-Kit für Mensch und Maschine, ein ferngesteuertes Auto mit Bord-Laser, eine Tranquilizer-Gun, oder ein Kletter-Hacken, mit dem James die steilsten Wände erklimmt und sich überall abseilen kann - was man im Spiel auch ausgiebig tut. Andererseits macht auch der ausgereifte Hand-to-Hand Combat EoN zu etwas speziellem. Die Fights gehen flott von der Hand und bieten mit Combos, Counters, Throws sowie vielen benutzbaren Objekten wie Flaschen oder Eisenstangen eine Menge Tiefgang. Das hat mich überrascht.
Die meisten Q-Gadgets kommen im Spiel gezielt und mehrmals zum Einsatz - oder auch nicht. EoN ist nämlich so 'offen', dass die Missionen auf unterschiedlichste Weise erledigt werden können. Meistens kann jeder Level mit roher Waffengewalt erledigt werden, genügend Munition hätte man, und sogar bei den Fahreinlagen gibt's mehrere Wege, Abkürzungen und manchmal sogar mehrere Fahrzeuge zur Auswahl. Aber nur wer auch wie Mr. Bond im Feld agiert, bekommt eine Chance auf die coolen Bond-Momente und somit in den Genuss einer Gold-Auszeichnung, wenn der Level beendet ist. Auch Missions-Dauer, Treffer-Genauigkeit und andere Faktoren spiegeln sich in so einer Auszeichnung wieder, was die Motivation und den Replay-Level der einzelnen Missionen in die Höhe treibt. Eine gute Portion Stealth sollte man also schon an den Tag legen um die Missionen mit Bravour zu meistern.
Nun zum Multiplayer-Mode, der war damals bei Goldeneye wirklich stark! Ganz so gut ist der Multiplayer-Modus in Everything or Nothing nicht. Für 4 Spieler gibt's leider nur einen Arena-Modus, der zuviel von Power-Stone hat und mit den kleinen Arenen überhaupt nicht überzeugt. Um Welten besser ist dagegen der 2-Player Cooperativ-Modus. In 13 völlig neuen Stages (!) durchlebt ihr quasi einen Side-Quest zum Main-Game. Dieser CoOp-Mode hat es wirklich in sich und schreit nach harmonischer Team-Arbeit. Es wollen z.B. Schalter gemeinsam gedrückt oder Bomben entschärft werden, während Wellen von Angreifern anrücken. Da hilft nur 'Covering-Fire' und einander gute Deckung geben, wirklich toll gemacht! Schade ist nur, dass EA bei der XBOX-Fassung wiedermal keinen LIVE!-Support bietet. Das gibt Punkte-Abzug!
Akkustisch wird ebenfalls nur das beste geboten: THX 5.1 Sound - wäre in meinem Game-Room ohnehin schon längst Pflicht! Aber auch in Stereo hört man die Kugeln förmlich durchs Zimmer fliegen. Erwähnenswert wäre noch der gelungene Titel-Song - richtig geraten - 'Everything or Nothing' genannt und eingesungen von Mya, die im Spiel sogar eine Nebenrolle als Agentin übernimmt.
Fazit:
Bond is back, and he's better than ever! Die lange Entwicklungszeit von 4 Jahren und die Detailversessenheit seitens EA haben sich ausgezahlt. Everything or Nothing spielt sich traumhaft, ist unglaublich schön anzusehen, verdammt abwechslungsreich und fängt das Bond-Flair einfach perfekt ein. Wenn ein Spiel so fasziniert und fesselt und dabei noch so gut aussieht, ist es auf jeden Fall einen Gold-Award wert, soviel steht fest. Aber ist es denn nun besser als Goldeneye? Lasst es mich so ausdrücken: Everything or Nothing hat für mich schon jetzt einen ähnlich hohen Stellenwert wie Rare's N64-Klassiker, weil ich jede Minute im Spiel genau so genossen habe wie damals.
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