Knapp 3 Jahre nach dem zweiten Teil macht Cole Sonys neue Konsolengeneration unsicher. Macht er? Nein, tut er nicht – Cole wurde ersatzlos gestrichen. Ob man die Blitzschleuder akkurat ersetzen konnte, haben wir uns angesehen.
InFamous war schon fast so was wie ein Überraschungshit. Wenigstens aber eine – und das wurde in jüngster Vergangenheit selten – komplett neue Spielemarke. Doch nicht nur das, die Jungs beim Sucker Punch Studio kombinierten gekonnt Open World mit Superhelden-Fähigkeiten. Das Gesamtpaket überzeugte auf der ganzen Linie, der Nachfolger liess entsprechend nicht lange auf sich warten. Im Gegensatz zum innovativen ersten Teil hat Cole kaum Neues dazu gelernt. Ähnliche Stadt, Gegner und Superkräfte führten zu einem starken „Alles schon einmal gesehen“-Gefühl. Schade eigentlich, denn auch InFamous 2 hat nichts wirklich falsch gemacht. Unter Umständen ein Fakt, der mit in die Design-Entscheidung vom ersten Next-Gen Teil der Reihe einfloss. (Anti-) Held Cole wurde frühzeitig in Rente geschickt.
Auf Rachefeldzug gehen wir mit Delsin Rowe, seines Zeichens illegaler Graffiti-Künstler. Wie sich schon früh im Story-Verlauf heraus kristallisiert, tut das dem Spiel keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Mit Einbindung seines Bruders und Cops Reggie, wird der Story ein Plus an Dynamik verliehen. Auch Delsin selbst erfrischt mit anderer Denk- und Handlungsweise. Wobei am Grundprinzip letztendlich nur an Details etwas verändert wurde, im Kern schiessen wir uns noch immer durch Horden von Gegnern. Grund dafür sind Rachegedanken und die von Fieslingen gegründete Organisation DUP. Jene hat es sich zum Ziel gesetzt, frei umher laufende Conduits dingfest zu machen. Da der Sprayer selbst ein vom Mob betitelter Bio-Terrorist ist, ergeben sich schon schnell unzählige Gründe, sich ganzer Feindeshorden zu entledigen.
Im Gegensatz zum Strom-Kasper Cole, holt sich Delsin im Verlauf des Spiels ganze vier Superkräfte. Zu Beginn wirft der gute Mann ausschliesslich mit Rauch um sich. Später kommen Neon-Kräfte hinzu, gegen Ende malträtieren wir die Gegnerschar mit Videopower. Vermissen wir anfangs noch die Fähigkeit, auf Schienen zu gleiten, wechselt dieses Gefühl schnell zur Freude über den neu dazu gewonnen Variantenreichtum. Denn ansonsten hat sich wenig geändert. Noch immer entscheiden wir durch gute oder eben schlechte Taten, in welche Richtung sich das Karma entwickeln soll. Je nach dem offenbart sich nach dem finalen Bosskampf ein angepasster Abspann. Zudem bewegt sich Mister Rowe in bekannter Open-World Umgebung, dieses Mal rund um und vor allem in Seattle (inkl. der bekannten Space Needle). Dabei warten einige Nebenmissionen, wie das Besprühen von Wänden, das Erledigen von DUP Hauptquartieren sowie an einer Hand abzählbare Bosskämpfe.
Ruhiger geht es bei der Suche nach versteckten Kameras und Audiofiles zu Insgesamt sind die Nebenaufgaben selten eine grosse Herausforderung. Die eine oder andere Kamera hätte sich aber schneller zu erkennen geben dürfen. Nach erfolgreichem Abschluss der mannigfaltigen Tasks wird das feindliche Gebiet immer mehr befreit und Scherben gibt’s noch gratis dazu. Jene lassen sich auch überall in der Stadt finden und helfen dabei, die neu gewonnenen Superkräfte punktuell zu verstärken.
Die interessant erzählte Hintergrundgeschichte, der gelungen aufgebaute Hass-Level auf das unfreundliche DUP-Fräulein sowie zahlreiche Neben- und Hauptmissionen verleihen dem Spiel die Note „schwer abzustellen“. Hier noch eine Scherbe eingesammelt, da noch ein DUP Agent erledigt. Die naheliegende Wand könnte man noch kurz mit einem hübschen Motiv verzieren oder doch noch den DUP-Sitz im Viertel attackieren? Es gibt viel zu tun, packen wir’s an. InFamous schafft es ständig, auf unaufdringliche Art und Weise das Belohnungszentrum im Spieler anzusprechen. Dass die Optik dabei mitspielt, erfreut zudem unser Auge; musikalisch wird dagegen nichts Bahnbrechendes geboten. In seltenen Fällen hätten wir uns eine ruhigere oder passgenauere Kamera(perspektive) gewünscht, im Gross passt sich jene aber den eigenen Schritten und Gleit-Manövern gut an.
Fazit:
Letztendlich macht Second Son nicht viel anders als die beiden Vorgänger. Bewährtes wurde übernommen, ergänzt und mit zeitgemässer Technik garniert. Das Konzept geht auf. Fans der Vorgänger erfreuen sich an einem rundum verbesserten dritten Teil, und eben diese positiven Veränderungen könnten durchaus bisherige inFamous Verweigerer zum Umdenken anregen. Der Titel macht in erster Linie Spass. Zwar sind fast alle Aufgaben repetitiv, das Spiel zwingt uns aber zu keinem Zeitpunkt, sie alle zu erledigen. Dank immer wieder neuen Super-Kräften und im Verlauf der Story dazukommenden Nebencharaktere, bleibt die Action interessant, und man findet sich plötzlich fast unverhofft vor dem finalen Endgegner. PS4 Besitzer dürfen sich inFamous: Second Son unbedingt ins Regal stellen; ist es doch ein auf ganzer Linie blitzsauberer Open-World Actiontitel.
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