Willkommen im Dreck. Die Schüsse fliegen uns um die Ohren, die Kameraden schreien, die Befehle der Offiziere schallen über das Schlachtfeld und die Artilleriegranaten schlagen neben uns ein. Nicht jeder kommt da lebend raus.
Ich kann euch schon im voraus sagen, dass Hell Let Loose nichts für die meisten Shooter Fans ist, nicht mal unbedingt für Liebhaber von Multiplayer-Shootern! Es erfordert eine sehr, SEHR lange Liste von Eigenschaften wie Geduld, Entschlossenheit, viel Toleranz gegenüber Frustration und Misserfolg und nicht zuletzt Teamwork. So sehr man sich mit der Zeit auch verbessert, nur wenn alle Mitglieder des Teams miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten, kann eine Runde gewonnen werden. Wenn ihr euch in dieses Spiel stürzt und ein schnelles, einsames Shooter-Vergnügen erwartet, werdet ihr eine ziemlich enttäuschende Erfahrung machen.
Hell Let Loose versetzt euch in die Rolle eines US- oder Wehrmachts-Soldaten im zweiten Weltkrieg. Zur Auswahl stehen zwei Spielmodi, Offensive und Kriegsführung, sowie bisher 11 grosse Maps. Dabei spielt ihr in riesigen Schlachten mit 100 Spielern (50 vs 50) und unter realistischen Voraussetzungen. Es ist nicht nur ein Egoshooter, bei dem es hauptsächlich darum geht, Punkte auf der Map zu erobern und zu halten, sondern auch ein taktisches Strategiespiel, das zwischen zwei Spielern gespielt wird, die die Kommandanten Rolle für ihr jeweiliges Team innehaben. Ihre Aufgabe besteht darin, die Bewegungen ihrer Trupps, den Nachschub und den Einsatz von Unterstützungsmassnahmen wie Artillerie und Luftangriffe zu koordinieren.
An der Front sind es dann vor allem die Squad-Leader, die darüber entscheiden, welche Spielerfahrungen ihr haben werdet. Gute Anführer kommunizieren nicht nur mit ihren Kameraden, sondern fördern auch eine bessere Kommunikation innerhalb der Trupps. Ein gut geführter Angriff auf einen feindlichen Stützpunkt mit Deckungsfeuer aus Maschinengewehren, Rauchgranaten zum Vorrücken und dann den richtigen Moment für den Vorstoss zu wählen, erfordert Überblick und Erfahrung. Die Teilnahme an einem solchen Angriff ist ein einzigartiges, berauschendes Erlebnis, wie ich es noch nie in einem Shooter erlebt habe.
Squad-Leader können auch Garnisonsmarker platzieren, an denen ihr Team von einer vorgeschobenen Position aus startet kann. Aber man muss genügend Vorräte haben, um so einen Spawnpunkt zu bauen. Die Entscheidung, wann und wo man baut, ist eines der wichtigsten und heiss diskutierten Themen in Hell Let Loose, denn die Teams können diese Punkte effektiv nutzen, um sich im feindlichen Gebiet festzusetzen, was die Chancen auf einen Sieg erheblich verbessert.
Jede Fraktion hat nur die Waffen zur Auswahl, die sie historisch im 2. Weltkrieg eingesetzt haben und sie tragen auch authentische Uniformen. Ihr dürft aus verschiedenen Rollen wie Offizier, Sanitäter oder Scharfschütze, Panzerabwehr Soldat, Maschinengewehr Schütze und mehr auswählen. Ballistik und Rückstoss eurer Waffen verhalten sich realistisch. Treffer von schweren Geschützen, Granaten oder Artillerie zerfetzen die Soldaten regelrecht. Fahrzeuge wie Panzer oder LKWs sind ebenfalls verfügbar.
Der Tod kommt sehr schnell in Hell Let Loose und gerade zu Beginn fühlt es sich oft unfair und frustrierend an. Mit nur einem oder zwei Treffern wird man niedergestreckt oder direkt getötet. Das Geräusch der Kugeln, die nahe an euren Ohren vorbei zischen, ist allgegenwärtig, so dass es bald aufhört, eine sinnvolle Warnung zu sein. Kampfflugzeuge, Artillerie oder Bombenangriffe löschen ganze Trupps auf einmal aus. Da kann man öfters fast nichts anderes tun, als zu beten und zu hoffen, dass ein Sanitäter in der Nähe des Sperrfeuers überlebt.
Das Sounddesign von Hell Let Loose hebt diese massiven Kämpfe auf ein filmisches Niveau. Alles klingt so realistisch, wie man es erwarten würde. Erschreckend realistisch. Das Stottern eines öligen Flugzeugtriebwerks wird schnell zum Stichwort, um in Deckung zu tauchen, während Explosionen in der Nähe so beeindruckend sind, dass man fast konstant ein "Heilige Scheisse, wie hab ich das überlebt?" von der Rolle lässt. Es gibt nur wenig Spiele, die die Verwüstung des Krieges optisch und akustisch so perfekt einfangen.
Fazit:
Ich habe Stunden damit verbracht, zu kämpfen und zu sterben, um den Dreh raus zu bekommen. Oft hab ich viel Zeit damit verbracht an die Front zu rennen, nur um scheinbar aus dem Nichts erschossen zu werden, bevor ich überhaupt da war. Das kann frustrieren. Und dann gibt es immer wieder lange Zeiträume, in denen ich das Gefühl habe, als gäbe es nichts zu tun. Hell Let Loose ist eben ein ganz besonderes Biest. Schnell fand ich heraus, dass ich viel erfolgreicher bin und gleichzeitig mehr Spass habe, wenn ich mich darauf konzentriere, anderen Spielern zu folgen die wissen, was sie tun. Hardcore-Shooter-Communities können einen schlechten Ruf haben oder als unzugänglich rüber kommen, wenn "Noobs" ausgegrenzt werden. Hier hatte ich aber das Gefühl, dass man hilfsbereit und geduldig mit neuen Spielern umgeht. In einem Fall, in dem unser Team keinen Kommandanten hatte, wurde eine Person, die nicht mit der Rolle vertraut war, von anderen Spielern sanft ermutigt und viele lieferten Erklärungen. Nicht zuletzt deshalb, und trotz der hohen Einstiegshürde, ist Hell Let Loose für mich einer der besseren WW2 Shooter. Wenn das Team miteinander kommuniziert, machen die Runden richtig Laune. Im Umkehrschluss ist ohne Kommunikation sofort Schicht im Schacht. Als düsterer WW2 Shooter macht das Spiel vieles richtig und bietet ein nahezu beispielloses Erlebnis. Wenn ihr euch das Headset aufsetzt, mit eurem Trupp redet, Taktiken besprecht und Befehle befolgt (oder es zumindest versucht), dann ist Hell Let Loose wahrscheinlich das Beste, was man von West- bis Ostfront spielen kann. Seid jedoch gewarnt: für Singleplayer oder Lone Wolfs eignet sich das Spiel überhaupt nicht.
Wir haben Hell Let Loose auf PC in der finalen Fassung getestet (kein Early Access). Das Testmuster stammt vom Publisher Team17. Eine Version des Spiels für aktuelle Konsolen ist laut den Entwicklern zum Zeitpunkt dieses Reviews bereits in Vorbereitung.
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