Riesig waren die Erwartungen an den Titel! Für viele Gelegenheitsspieler und auch Freaks waren Halo 1+2 ein Kaufgrund für die Xbox. Perfektem Marketing sei Dank wirbt auch Teil 3 wieder die Käuferschaft mit Fernsehwerbung, Radiospots sowie Anzeigen in Zeitungen und auf Plakaten. Wird der Titel dem gigantischen Hype gerecht?
Dirty Harry hat mittlerweile seine 45er Magnum an den Nagel gehängt. John Rambo bereitet sich auf einen vierten Kinoauftritt vor, der allerdings ausgehend von den bisherigen Trailern noch weniger sagt als je zuvor. Charakterentwicklung ist ein Fremdwort. Und der Master Chief? Der Retter der Welten und die letzte Bastion im Kampf der Menschheit gegen die allgegenwärtige Covenant? Der stürzt erst einmal ab. Wortwörtlich. Nach dem üblen Cliffhanger-Ende des zweiten Teils finden wir den Chief in einem Krater, Cortana ist verschwunden und die Aliens haben die Erde an den Rand der Zerstörung gebracht. Der grössenwahnsinnige "Prophet der Wahrheit" muss ein für allemal von der Bildfläche verschwinden, damit endlich Ruhe einkehrt. Wer gehofft hat, dass der Master Chief und seine Kumpanen dank Next Gen Technik nun mehr Tiefgang entwickeln würden wird enttäuscht sein. Der Supermann in der grünen Rüstung entwickelt das emotionale Spektrums eines Steins! Aber die Charakterentwicklung war noch nie die Stärke dieser FPS Serie, weshalb wir irgendwie auch nichts "besseres" in dieser Hinsicht erwartet haben.
Die Spielmechanik hat sich im grossen und ganzen nicht verändert. Ja: Es gibt mehr von allem. Mehr Waffenarten, mehr Granattypen, mehr Gegner, mehr explosive Action. Und auch die Möglichkeit, stationäre Geschütze nicht nur vor Ort zu bedienen, sondern sie abzureißen und dann in der Schulterperspektive als Friedensstifter zu nutzen, ändert das grundsätzliche Run & Gun-Prinzip in keiner Form. Ein Deckungssystem wie in Rainbow Six oder ein Lean-Feature wie im neusten Ableger der Medal of Honor Serie sucht man vergebens. Dafür gibt es jetzt besondere Gegenstände, die euch in der Kampagne z.B. kurzzeitig unsichtbar machen, eine stationäre Schutzblase um euch aufbauen oder eine Barriere errichten, die ihr zur Deckung nutzen könnt. Sorgt dies dafür, dass sich Halo 3 anders spielt als seine Vorgänger? Nur unwesentlich.
Die Areale sind grösser und weitläufiger geworden und man hat nicht mehr das Gefühl nonstop durch sich wiederholende Räume zu stolpern. Doch das ändert nichts daran, dass der dritte Master Chief-Auftritt, bedingt durch seine Erzählstruktur, weiterhin so linear ist wie eine Bahntrasse. Auch das bekannte Zwei-Waffen-System, sowie das zu seiner Markteinführung wegweisende Schild, sind mittlerweile bekannt und gehören zum guten Ton. Sie reißen einen aber nicht mehr zu Jubelstürmen hin. In Zeiten von Bioshock mit Plasmiden und Tonics oder Call of Duty 4 mit seinen Perks, ist das Spielprinzip, das sich hier seit dem ersten Teil nahezu unverändert präsentiert, einfach zu rustikal und konservativ. Was per se ja nicht schlecht ist: Halo bleibt Halo bleibt Halo. Man liebt es oder man hasst es. Oder man findet es schade, dass Bungie nicht den Mut hatte, sich nicht nur im Bezug auf Dramaturgie, sondern auch hinsichtlich neuer Spielmechaniken an der Konkurrenz zu orientieren, die in den letzten Jahren wahrlich nicht geschlafen hat.
Aber nun zu den überraus positiven Seite von Halo 3: Der Multiplayer- und Coop-Modus. Mit bis zu 3 Freunden lässt sich die komplette Kampagne durchspielen. Der helle Wahnsinn! Damit hat Bungie einigen Zockern einen Traum erfüllt! Endlich zu viert die Alienbrut plattmachen und dabei noch lautstark ins Mikro jauchzen, gibts was schöneres? Dabei läuft das Szenario wunderbar flüssig und bis auf einige kleine Aussetzer auch lagfrei, was dem Spielsspass sehr zu gute kommt! Es macht einfach unheimlich viel Spass mit 3 Kumpels einen oder gleich mehrere "Scarab Tanks" zu plätten. Leider ist das Vergnügen von recht kurzer Dauer. Sind vier geübte Spieler am Werk, dauert die Kampagne auf dem Schwierigkeitsgrad Normal gute 5 Stunden, auf Legendär 8-10 Stunden. Und da wäre ja noch der kompromislos gute Versus-Modus. Lagfreie Multiplayergefechte auf teils ausgezeichnet designten Karten. Zahlreiche Spielmodi wie Capture the Flag, Deathmatch oder auch Objective Matches sind vorhanden.
Das preisgekrönte Matchmaking System funktioniert einwandfrei und verbindet euch und eure Freunde nach kurzer Wartezeit in eine von euch gewünschte Spielelobby. Dabei lässt sich die Spielart bestimmen, die Stärken der Gegner und ob ihr Ranked oder doch lieber Public spielen wollt. Was aber, wenn ihr diese Karte mit euren Freunden/Gegnern live während des Spielens modifizieren könnt? Das nennt sich dann "The Forge" (Die Schmiede)! Um das Chaos nicht zu groß werden zu lassen, ist es auch wahlweise möglich, dass nur der Teamleader die Modifikationen vornehmen kann. Wer seine Kreationen stolz der Öffentlichkeit präsentieren will, stellt in der Schmiede die skurrilsten Kreationen her, um nachher beim Spielen das Match in totales Chaos zu stürzen. Allerdings unter der Prämisse, dass die Kartengeometrie an sich nicht geändert werden kann. Da die Maps aber, wie bereits erwähnt, ein durchdachtes Design an den Tag legen, kann man darüber locker hinweg sehen.
Ein weiteres, tolles Feature von Halo 3 ist die Möglichkeit sämtliche Gefechte, online sowie Kampagne, nochmals im Kinomodus anzuschauen. Automatisch zeichnet das Spiel die letzten 25 Partien auf. Ihr könnt danach die Gefechte nochmals mit frei bewegbarer Kamera anschauen. Nebenbei lassen sich dabei Screenshots anfertigen, die ihr gleich über XBox Live aufs Internet hochladen dürft um sie euren Freunden zu präsentieren. Spitzenklasse! Mit der Halo-Franchise verbindet man als Zocker natürlich auch Eyecandy und eine atmosphärisch dichte Akustik. Und die Ansprüche und Erwartungen werden nach Titeln wie Gears of War, The Darkness und vor allem Bioshock auch nicht geringer. Kann Halo 3 überzeugen? Ja und nein! Ja: Die Akustik, lassen wir mal die deutsche Sprachausgabe außen vor, ist auf dem bekannt hohen Niveau und schafft es, sowohl ruhige Momente als auch dramatische Höhepunkte immer passend zu untermalen.
Leider ist die deutsche Sprachausgabe eine grosse Enttäuschung. Lustlose Sprecher die nur noch von idiotisch übersetzten Texten getoppt werden machen keine Freude. Wer des englischen mächtig ist, sollte sich eine solche Version zulegen. Die Kulisse kann eingeschränkt überzeugen. Es gibt organische Abschnitte wie die Innenräume eines Prey, welche einem die Kinnlade runterklappen lassen. Andere wiederrum liessen mich verdutzt auf meine XBox 360 schauen, Treppchenbildung gehört doch der Vergangenheit an?! Mit dieser Misch-Engine, die ihre Wurzeln zumindest im Textur-Bereich immer noch in Teil 2 der Serie zu haben scheint, beraubt sich Bungie der Möglichkeit, für noch mehr Atmosphäre zu sorgen. Aber spätestens wenn man in einem Film die Kamera etwas weiter rauszieht und in den teilweise exorbitant großen Außenabschnitten den Ausblick genießt oder sich an den herrlich animierten Wasserfällen im Hintergrund labt, gibt es weit aufgerissene Augen und verblüfft staunende Mienen. Dennoch ist die Kulisse der Punkt in Halo 3, der am weitesten Luft nach oben hat und vom Artdesign her eine Klasse niedriger als beispielsweise Bioshock anzusetzen ist. Dafür allerdings gibt sich der Grafikmotor sowohl auf Solo- als auch auf stark besuchten Gruppenpfaden niemals eine Blöße.
Fazit:
Halo 3 ist ein sehr guter Shooter geworden. Der Onlinemodus ist erste Sahne, das Matchmaking System funktioniert tadellos. Die Grafik ist stimmig, die Soundkulisse weiss zu gefallen. Es ist aber nicht der Überflieger den wir nach dem grenzenlosen Hype erwartet haben. Halo 3 ist solider Ballerspass mit superbem Koop-Modus und nahezu perfektem Multiplayerpart. Nicht mehr und nicht weniger!
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