Eigentlich ist das blutige Gladiatoren-Spiel Gorn schon seit einigen Jahren für diverse VR-Headsets zu haben, bloss hatten wir noch nie die Chance es selbst zu spielen. Da wir nun aber eine nigelnagelneue PSVR2 in den Redaktionsräumen haben wird es Zeit, diese absurde Erfahrung nachzuholen.
Gorn ist kein Spiel für Zartbesaitete: Hier werden Arme abgehackt, Köpfe von Torsos gerissen, Feinde aufgespiesst, Herzen entfernt und Feinde dermassen derb verprügelt, dass sie förmlich platzen. Was als lächerlicher Blödsinn vor über 4 Jahren begann, hat sich nach und nach zu einem, nun ja, viel ausgefeilteren und umfangreicheren Blödsinn entwickelt.
In Gorn kämpfen wir uns durch gut zwei Handvoll Arena-Levels, in denen die aufgeblasenen Bösewichte mit Waffen herumfuchteln, als wären sie ein Fisch an Land. Kanonenfutter, das mit einem riesigen Waffenarsenal auf grausame und amüsante Art und Weise ins jenseits befördert wird. Haben wir eine gewisse Anzahl Normalogegner besiegt, erwartet uns in jeder der 12 Arenen ein Bossgegner, dessen Schwachstelle wir erst entdecken und dann ausnutzen müssen, um ihn zu besiegen. Als Belohnung erhalten wir weitere Mordinstrumente, mit denen wir unser Gegenüber auf neue Arten malträtieren dürfen. Das moralische Minenfeld dieser Angelegenheit wird durch die Albernheit mehrheitlich umgangen.
Gekämpft wird stilecht ein- und zweihändig, mit Fäusten, Schwertern, Speeren und Streitkolben bis hin zu Armbrust oder Wolverine-artigen Klauen. Es ist ein Spiel des gewalttätigen Experimentierens, bei dem man mit jeder Waffe neue, verdrehte Bestrafungsmöglichkeiten entdeckt. Gorn bietet einen scheinbar unendlichen Vorrat an wahnsinnig schrecklichen Kills und glücklichen Zufällen. Im grossen Chaos werden Bugs gerne mal zum Feature, was einen grossen Teil des Spasses ausmacht. Gorn bietet sogar einen lokalen Mehrspielermodus. Bis zu zwei Freunde können sich einen Controller schnappen und als einer der Schergen in die Arena springen, um sich entweder mit dem VR-Spieler zu verbünden oder zu versuchen ihn auszuschalten.
Gorn ist ein physikbasiertes Spiel, und das spiegelt sich auch im Kampf wider. Schwerter, Speere und Äxte sind nicht starr wie ihre realen Gegenstücke, sondern verdrehen und verbiegen sich, als hätte man einen übergrossen Dildo in der Hand. Der Durchschlagskraft tut dies freilich keinen Abbruch, denn je weiter ihr ausholt und je fester ihr reinhaut, desto heftiger sind die Auswirkungen auf euer Gegenüber. In der Hitze des Gefechts sollte man tunlichst darauf achten, dass keine Möbel, Personen, Haustiere oder andere Gegenstände in der Nähe sind, denn Gorn verlangt stets vollen Körpereinsatz.
Gorn ist nichts für Fitness-Muffel. Ausweichen, kämpfen mit beiden Händen und die zentrale Fortbewegungsmechanik, bei der man die Welt quasi anpackt und sich mit beiden Armen durch sie hindurchzieht, bringen einen unweigerlich ins Schwitzen. Wird man getroffen, blutet man langsam aus und muss man so schnell wie möglich einen Gegner erledigen, bevor einem förmlich Schwarz vor den Augen wird. Ansonsten heisst es Game Over. Das hat schonmal Hektik und wildes Gefuchtel zur Folge. Die umfangreiche Zerstückelung ist aber nicht nur Fassade, sondern wird hier tatsächlich zu einem taktischen Werkzeug. Ein lästiger Bogenschütze schiesst auf dich? Trenne ihm einen Arm ab und du hast Ruhe! Du wirst von einem wilden Schwertkämpfer verfolgt? Ohne Beine wird er nicht weit kommen und du kannst dich auf andere Gegner konzentrieren bevor du zurückkehrst, um ihm den Rest zu geben. In gewissem Sinne ist es ein ziemlich verdrehtes Schachspiel.
Entwickler Free Lives hat mit der PSVR2 Version dem Spiel etwas mehr Struktur verliehen. In einem Lift fahren wir auf verschiedene Ebenen und öffnen dort Türen, was der Wahl der Schwierigkeitsstufe gleichkommt. Anstatt einfach nur zufällige Levels zu überleben, muss man sich nun in wellenbasierten Kämpfen behaupten, die in oft urkomischen Bosskämpfen gipfeln. Und trotz der vielen Lacher kann man nicht anders, als sich früher oder später zu wünschen, dass es noch etwas Gehaltvolleres gäbe. Die paar Levels von Gorn kann man in wenigen Stunden durchspielen und das Einzige, was uns danach zum Weiterspielen anregt, ist schlicht die eigene Mordlust.
Fazit:
Ich bin mir sicher; der unfassbar blutige Gladiatorensimulator hat schon viele Lampen, Bildschirme und Controller auf dem Gewissen und Spielern wahrscheinlich auch schon den einen oder anderen blauen Fleck beschert. So sehr man sich anfangs an die Sicherheitsparameter von VR hält, so schnell werden sie hier ausser Acht gelassen. Denn hat man sich erstmal in die abstrusen Arenakämpfe gestürzt, verfällt man schnell in eine Art Kampfrausch, der Möbel, Menschen und Tiere in der näheren Umgebung in unmittelbare Gefahr bringt. Gorn ist oft so obszön unterhaltsam, dass man bereit ist, Leib und Leben und irdischen Besitz zu riskieren, nur um seinen Durst nach virtuellem Blut zu stillen. Die hypnotische Mischung aus lächerlichen, gummiartigen Kämpfen, vollem Körpereinsatz und weitgehend alberner (und unangenehm befreiender) Gewalt fordert uns immer wieder auf, unsere sterblichen Grenzen zu ignorieren. Der Show-Effekt nutzt sich aber relativ schnell ab, da es einfach an Abwechslung mangelt. Letzten Endes ist es nicht viel mehr als eine glorifizierte Tech-Demo für VR-Kämpfe, die im Guten wie im Schlechten ein starkes Beispiel für Immersion darstellt und sicherlich für einige Lacher bei Spielern und Zuschauern sorgen wird.
Gorn gibt's (digital) für Oculust Quest, Quest 2, diverse PC VR-Headsets und PlayStation VR2. Wir haben uns Letztere angesehen. Das Test-Muster stammt von Devolver Digital, wofür wir uns herzlich bedanken!
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