Reden wir mal Tacheles: Forza Horizon 4 war und ist eines der besten Rennspiele unserer Generation. Und das, obwohl mir persönlich England vom Setting her nicht mehr ganz so gut gefiel, wie noch das weitläufigere und sonnige Australien aus Teil 3. Die Messlatte und Erwartungshaltung für Horizon 5 lagen also extrem hoch.
Ich liebe Rennspiele, brauche aber keinen Hyperrealismus. Klar, auch in Forza Horizon 5 kämen Sim-Liebhaber mittlerweile voll auf ihre Kosten. Am Setup des Wagens rumschrauben, stundenlang an einzelnen Schräubchen drehen, um noch die letzten Hundertstelsekunden rauszuholen, auch das geht hier wunderbar. Die grosse Zielgruppe ist aber eher diejenige, die Spass am puren Fahren (und am Erkunden) hat. Genau darum bin ich schon seit Beginn ein grosser Fan der Horizon-Serie. Klar war ich total aufgeregt, als das fünfte Spiel mit Setting in Mexiko enthüllt wurde. Endlich wieder Sonne, Palmen, Strand und Ferienstimmung und vor allem mehr offene, langgezogene Strassen, wo ich meine Leidenschaft für schnelle Supercars so richtig ausleben kann. Das Land der Tacos und Sombreros bietet mit seinen 11 Biomen wieder mehr optische Abwechslung als das Vereinte Königreich, von üppigen Dschungeln, über lebendige Wüsten, historische Städte und Tempel-Anlagen vergangener Zivilisationen, bis hin zu unberührten Sandstränden.
Natürlich ist vieles ist beim Alten geblieben. Erneut kämpfen wir uns als Rookie die Karriereleiter empor, bewältigen eine enorme Anzahl von Events, tunen und designen unseren umfangreichen Fuhrpark, erstellen eigene Strecken und Challenges und all das entweder Solo oder im Online KoOp-Modus. Alles was wir an Horizon lieben ist wieder mit dabei: Strassenrennen, Rundkurse, Cross-Country Events, Drift Rennen und Rallyes, sowie die spassigen Promo-Events, wo man beispielsweise enorme Sprünge meistern oder möglichst schnell durch einen Blitzer rasen muss. Fahrfehler korrigieren wir wie gehabt mit der praktischen Rückspulfunktion. Dank vieler Anpassungsmöglichkeiten beim Fahrverhalten werden Anfänger wie Profis gleichermassen glücklich.
Abseits der Rennstrecken suchen wir in versteckten Scheunen nach Klassikern oder zerstören clever platzierte XP- und Schnellreise-Tafeln. Wer dann immer noch nicht genug hat trifft sich in Clubs mit Gleichgesinnten oder nimmt in der neuen Forza Arcade an diversen Multiplayer Mini-Spielen teil. Hier gibt's Inhalte für hunderte Stunden und ich bezweifle, dass viele von euch jemals die 100% Marke knacken werden. Mit dem ansehnlichen Fuhrpark von knapp 600 Fahrzeugen von über 80 Herstellern stehen mehr Rennen auf dem Programm als je zuvor. Ein Mangel an Autos kann man dem Spiel jedenfalls nicht vorwerfen. Praktisch im Minutentakt werden dem Spieler neue Boliden geschenkt und der fahrbare Untersatz sehr häufig gewechselt. Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass wir hier öfters die Disziplin und Bodenbeschaffenheit wechseln, als es normalerweise bei Rennspielen üblich ist.
Eine der grössten Neuerungen in Forza Horizon 4 waren die dynamischen Jahreszeiten und natürlich sind die in ähnlicher Form wieder mit von der Partie. Allerdings gibt es im heissen Mexiko sehr viel weniger Schnee als noch in England. Ein Pluspunkt wie ich finde. Man muss schon auf den Vulkan fahren, dem höchsten Punkt der Karte, um etwas vom kalten Weiss zu sehen. Winter bedeutet hier eher Regen-Saison mit Tropenstürmen und Schlamm. Im Sommer fegt hingegen gern mal der eine oder andere Sandsturm über die Landschaft. Überhaupt ist das Wetter eine grosse Attraktion des Spiels, bei dessen Inszenierung Playground Games alle Register gezogen haben.
Ausgebaut wurde das Eventlab. Hier erschaffen wir mit neuen Tools benutzerdefinierte Rennen, Herausforderungen, Stunts und gar völlig neue Spielmodi. Auch bei der Gestaltung der Wagen gibt es mehr Möglichkeiten, wie komplette Bodykits, neue Karosserieteile, Felgen, Farboptionen und mehr. Praktisch: Künstler dürfen ihre Kreationen aus alten Horizon-Spielen importieren und zwar aus allen, inklusive der Motorsport Teile. Gambler freuen sich über die Rückkehr der Wheelspins, wo wir Geld, Autos, Emotes oder Klamotten wie Hosen, Jacken, Schuhe, Brillen, Uhren, Hüte und Helme erzocken. Letztes ist besonders wichtig, denn die – sorry Kraftausdruck – «Hackfressen» aus dem Charakter-Editor sind einmal mehr nur schwer zu ertragen. Also Helm auf und gegessen.
Im Kontrast zu den üblen Charaktermodellen der ganze Rest des Spiels: Die Umgebungen und Autos in Forza Horizon 5 sehen einmal mehr sensationell gut aus und strotzen nur so vor liebevollen Details. Staub sammelt sich auf Stossstangen und Kotflügel, wird bei Nässe zu Dreck und zur Schnellwäsche fahren wir einfach durch ein Flussbett. Kleine Bäume, Leitplanken, Hecken und Steinhaufen lassen sich zerstören und jedes Objekt, sei es nun ein Stein, Kaktus oder Ast reagieren physikalisch korrekt auf äussere Einwirkungen. Da fliegt Geröll und Schotter durch die Gegend und wenn ich abseits der Strassen mit 250 km/h durch den dichten Dschungel brettere, zerbröseln Äste zu Holzsplittern, dass es eine wahre Freude ist. Die Abendsonne spiegelt sich im Chrom der Stossstangen und die Umgebung im Lack. Die grafische Qualität ist dermassen hoch, dass ich am liebsten aussteigen würde, um mir alles genauer anzusehen.
Gut gibt’s da einen Foto-Modus, denn wer mit brachialer Geschwindigkeit durch die Pampa fliegt, kriegt von der ganzen Schönheit nur wenig mit. Volumetrische Partikel- und Lichteffekte, sowie Raytracing im Forza Vista Mode sind ein Bonus-Schmankerl, das sich echt nach NextGen anfühlt und für die sich die Anschaffung einer Series X und einem modernen OLED TV allein schon lohnen würde. Allerdings kommt die optische Pracht mit einem Preis. Der Qualitäts-Modus ist auf 30fps beschränkt (Series X). Spielerisch hat der Performance Mode klar die Nase vorn, aber selbst der sieht nur minimal schlechter aus. Man muss die Unterschiede schon mit der Lupe suchen.
Die Verkehrsdichte hingegen hat leicht abgenommen und es kommt nicht selten vor, dass andere Autos vor euren Augen wie aus dem Nichts auftauchen und ebenso wieder verschwinden. Das wird bei Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h Marke zum Problem und hoffentlich noch mit einem Patch korrigiert. Die Natur wirkt zwar lebendig, hätte aber von ein paar Tieren mehr profitiert. An den Horizon Festivals geht dafür wirklich die Post ab, nicht selten mit Feuerwerk und hunderten NPCs, die zu aktuellen Chart-Tunes fröhlich um die Wette tanzen.
„Horizon Live“ bietet diesmal über 30 unterschiedliche Mini-Stories, die alle mit anderen Fahrzeugtypen und in anderen Kategorien bestritten werden. So lernt man nicht nur alle Facetten des Rennspiels kennen, sondern auch die vielfältigen Sehenswürdigkeiten Mexikos. Die Spielewelt wird abermals auf Wunsch von Drivatars eurer Freunde oder anderen Forza-Spielern bevölkert. Die Spontanität dieser Echtzeit-Multiplayer-Welt, in der jeder zu jeder Zeit zu einem Rennen herausgefordert werden kann, war schon in den Vorgängern ein grosser Pluspunkt. Wer sowas nicht mag, spielt einfach offline, auch kein Ding. Im Multiplayer Modus sind der Quick-Chat und Autoghost wieder mit dabei. Quick-Chat ist für mikrofaule Menschen (oder solche, die keines haben) und bietet viele vorgefertigte Sätze wie „Schöner Wagen!“ oder „Lass uns ein Rennen fahren!“. Autoghost verhindert dagegen Kollisionen mit anderen Online-Spielern, praktisch, wenn man gerade ungestört an einer Herausforderung arbeitet will. Einen Splitscreen-Modus suchen wir indes auch dieses Jahr wieder vergebens.
Fazit:
Polyphony Digital, Codemasters, Milestone, Kylotonn ... irgendwie tun mir die anderen Rennspielentwickler echt leid. Playground Games ist der Konkurrenz einfach meilenweit voraus und das wird sich in absehbarer Zukunft auch nicht ändern. Und obwohl man den vorzüglichen Vorgänger nicht mehr überbieten konnte, zumindest spielerisch, hatte mich auch Forza Horizon 5 bereits nach dem fulminanten Intro wieder fest im Griff. Es gibt einfach kein anderes Rennspiel, dass eine derartige Sogwirkung erzielt und für Stunden an den Controller fesselt. Das liegt an der perfekten Steuerung, dem anpassbaren Gameplay, dem Speedfeeling und nicht zuletzt der grandiosen Grafik und den endlos vielen Möglichkeiten, auch abseits der Rennstrecke mit Freunden jede Menge Spass zu haben. Forza Horizon 5 ist der neue Höhepunkt des Open-World-Rennsports und ein grafischer Referenztitel für die neue Generation der Xbox-Konsolen. Dass die Map in Mexiko trotz anderer Versprechen gefühlt etwas kleiner ausfällt als England, kann ich verkraften.
Wir haben Forza Horizon 5 auf einer Xbox Series X getestet. Da es ein Exklusiv-Spiel ist, kann es auch nur auf Xbox Konsolen oder dem PC gespielt werden - am besten mit Game Pass (Ultimate), denn dort ist das Spiel ab Tag 1 bereits enthalten. Das frühzeitige Test-Muster stammt von Microsoft, wofür wir uns recht herzlich bedanken!
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