Meine Damen und Herren, im Namen von Kapitän (G)net und der Besatzung, begrüssen wir sie an Bord dieses Reviews. Die Lesezeit beträgt ca. 5 Minuten. Bitte bringen sie zum Start ihren Sitz in eine aufrechte Position und klappen sie alle Tische vor ihnen hoch. Wir bedanken uns für ihre Aufmerksamkeit und Wünschen ihnen nun einen angenehmen Flug.
Die erste Version des Flight Simulators erschien 1982 und damit begann eine neue Ära der Flugsimulationen. Nicht-Piloten konnten sich ab sofort selbst hinter das Steuer eines Flugzeugs setzen und so das Fliegen hautnah erleben. Mit dem Microsoft Flight Simulator 2020 ist seit dem 18. August 2020 die neuste Version im Handel erhältlich und setzt ganz neue Massstäbe.
Ein Mamut-Projekt mit über 37.000 Flughäfen, rund 1,5 Milliarden dargestellten Gebäuden, 2 Billionen platzierten Bäumen, allen Bergen und Flüssen, sowie die wichtigsten Strassen. Die ganze Welt von Zürich bis New York oder Kapstadt, von der Sahara bis zum Amazonas oder der Arktis sind mit von der Partie. Dafür werden zwei Petabytes (!) an Satellitendaten verarbeitet, die von Microsoft's Suchmaschine Bing eingespielt werden. Das sind mehr als 2 Millionen Gigabytes an Daten. Darunter auch zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie Schloss Neuschwanstein, das Empire State Building, Angkor Wat, Disney Land und das Sydney Opera House. Und das ist nur ein Bruchteil vom Ganzen!
Je nach Version habt ihr zwischen 30 - 40 Flughäfen, die besonders akkurat und lebensecht bearbeitet gestaltet wurden, darunter Schiphol, Madeira oder New York. Am Boden gibt es Personal, Abfertigung von Gepäck, Betankung, Catering, Busse etc., selbst die Beschilderungen auf dem Vorfeld und dem Weg von und zu den Runways sind zu sehen. Flugzeuge sind natürlich auch dabei. Hier bekommt ihr je nach Version zwischen 20 - 30 Verschiedene. Von einem Aviat Pitts Special S2S (Einmotoriger Doppel Decker) bis zur Boeing 747-8 Intercontinental ist für jeden Geschmack etwas dabei. Es ist aber wichtig, welche Version ihr kauft.
Die Standard Edition des Microsoft Flight Simulator 2020 bietet die geringste Anzahl an detailgetreuen Flugzeugen und Flughäfen:
20 spielbare Flugzeuge
30 detailreich umgesetzte internationale Flughäfen
In der Deluxe Edition erwarten euch ein paar weitere Flugzeuge und Flughäfen:
Die 20 Flugzeuge der Standard Edition, plus 5 Weitere
Die 30 internationalen Flughäfen der Standard Edition, plus 5 Weitere
Das volle Paket: Wer sich für die Microsoft Flight Simulator 2020 Premium Deluxe entscheidet, bekommt den meisten Umfang.
Die 20 Flugzeuge der Standard Version, plus 10 Weitere
Die 30 internationalen Flughäfen der Standard Version, plus 10 Weitere
Ansonsten bietet der neue Flight Simulator alles, was das Flugsim Herz begehrt. Von den fotorealistischen Cockpits, wo sich alle Instrumente, Knöpfe, Schalter und Hebel bedienen lassen, über die Unterstützung von Maus/Tastatur und Joystick, bis hin zu speziellen Peripherie- und Eingabegeräten. Der Realitätsgrad ist dabei so hoch, dass wir bei Dunkelheit sogar die Helligkeit der Instrumente selbst regeln können und diese sich dann in der Cockpitscheibe spiegeln. Für die Fortgeschrittenen unter euch stehen Checklisten, Flugroutenführung, Funkverkehr mit dem Tower und der Air Traffic Control (ATC) zur Verfügung. Auch Ausfälle könnt ihr simulieren, zum Beispiel Fehler im Ölsystem, der Treibstoffpumpe oder wenn ihr wollt sogar ein Brand oder Totalausfall. Das Gewicht der Nutzlast und die Menge an Treibstoff, die ihr benötigt, kann ebenfalls justiert werden. Ja sogar das Gewicht des Piloten spielt eine Rolle. Eigenes Kennzeichen, Rufzeichen, Flugnummer? Alles kein Problem.
Die Möglichkeiten wie, wo oder was ihr machen wollt sind schlicht überwältigend. Aber keine Angst auch die Anfänger kommen auf ihre Kosten. Der Microsoft Flight Simulator 2020 bietet eine integrierte Flugschule mit 8 Lektionen, wo ihr die grundlegenden Elemente des Fliegens lernen könnt. Da wird euch die Steuerung Schritt für Schritt beigebracht, wie ihr die Instrumente lesen müsst, Start, Landung, horizontaler Geradeausflug, Platzrunde, Navigation der erste Alleinflug und die Solonavigation, alles wird sehr ausführlich erklärt. Es gibt auch zahlreiche Unterstützungen die ihr ein/ausschalten könnt, wie z.B. die Pilotensteuerung, Kollisionsschäden, unbegrenzter Treibstoff, oder unterstütztes Landen. Ihr könnt auch einfach die Checkliste an den Copiloten delegieren, ihm das Steuerhorn übergeben und so den Flug geniessen.
Neben der Flugschule gibt es noch eine Reihe weiterer Herausforderungen, bei denen ihr euer Können unter Beweis stellen sollt. In Lande-Challenges müsst ihr euch beispielsweise an einer perfekten Landung unter schwierigen Bedingungen versuchen. Hier habt ihr mit extremen Seitenwinden zu kämpfen. Oder ihr versucht eine Landung auf den schwierigsten Flughäfen der Welt, wie z.B. in Gibraltar.
Im Flight Simulator 2020 werden nicht nur Flugzeuge fotorealistisch dargestellt, sondern auch das Flugverhalten nahezu perfekt simuliert. So ändert sich das Flugverhalten, wenn man durch Wolken fliegt, man spürt Schnee, Regen oder starke Winde. Alles mögliche kann Einwirkungen auf das Flugverhalten haben. Das Wetter ist ohnehin eine Sensation. Mit einem neu entwickelten Wettergenerator können Flieger den Live-Wettermodus einschalten und an jedem Ort der Welt mit Echtzeitwetter fliegen, inklusive genauer Windgeschwindigkeit und -Richtung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Regen und vielem mehr. Natürlich dürft ihr auch einfach selber entscheiden ob ihr im Sturm oder doch lieber im wolkenlosen Himmel fliegt. Je nach Fluggeschwindigkeit laufen übrigens Regentropfen über die Windschutzscheiben am Cockpit entlang. Und wie im echten Fliegerleben können so auf einmal die Cockpitscheiben und Tragflächen vereisen. Sogar wie die Wellen auf Flüssen und Meeren sind je nach Windstärke höher und besser sichtbar. Selbst Orkane und Stürme werden so in Echtzeit in die Simulation übertragen.
Alle diese Faktoren und grafischen Spielereien setzen einen sehr starken PC voraus. Es sollte mindestens ein i5-4460 oder Ryzen 3 1300X mit einer GTX 770 bzw. RX 570 mit 8GB RAM sein. Ideal wären aber 32GB RAM, ein i7 / Ryzen 7 und eine RTX2080 / Radeon VII.
Fazit:
14 Jahre nach dem Flight Simulator X kehrt Microsoft mit dem Microsoft Flight Simulator 2020 endlich zurück und möchte sowohl Spassfliegern, Neulingen, Hobbypiloten als auch anspruchsvollen Fans realistischer Fliegerei - also diejenigen mit halben Cockpits auf dem Dachboden - in die Lüfte schicken - und grösstenteils gelingt dem französischen Entwickler-Studio Asobo dieser Coup. Dennoch ist die immens aufwändige und weltumspannende Simulation nicht frei von Macken.
Zuerst das Positive: Ich hatte selten so schöne Ausblicke und Momente in einem Spiel wie hier. Wenn man auf 20.000 ft Höhe fliegt, die Sonne hinter den Bergen auf geht, dabei das Morgenrot, das durch die verschiedenen Wolkenschichten auf die Stadt unter uns scheint... solche Situationen haben mir nicht nur einmal die Sprache verschlagen. Das Spiel strotzt vor Details, hübscher Grafik und prozeduralen Berechnungen. Aber Schönheit und Grafik ist nicht alles und bringt mich zum Negativen:
Gewisse Sachen, die für einen Sichtflug wichtig sind, fehlen, z.B. Sendetürme oder Kirchen. Kurios ist auch, wenn eine Strasse plötzlich zu einem Fluss wird, wo Autos drauf fahren. Auch Brücken sind zum Teil zwar da, sehen aber manchmal aus, als wären sie unter Wasser. Viele Bahnhöfe sind von oben zu sehen, kommt man aber näher, sind viele davon einfach flach. Hier erkennt die prozedurale Berechnung des Satellitenbilds wohl keine Gebäude. An anderen Stellen, wo keine Gebäude sein sollten, stehen dafür plötzlich welche. Es gibt auch Strassen, die im 90 Grad Winkel zum Berg verlaufen. Solche skurrilen Darstellungen sind aber meistens den Bing Maps zu verdanken. Auf Bing Maps sind manche Stellen verpixelt, beispielsweise an Punkten mit Militäranlagen. Die KI versucht so gut wie möglich mit solchen Problemen umzugehen. In diesen Gebieten werden die Orte einfach mit anderen Gebäuden oder Wald ergänzt. Damit kann man leben. Der Autopilot hat mir da aber mehr Sorge bereitet. Einmal eingeschaltet, kann es zu sehr riskanten Manövern kommen, wie abrupten Richtungswechseln, unruhige Flugbahn oder sogar Navigationsverlust. Es kommt auch vor, dass er gerne mal viel zu schnell unterwegs ist. Das kann bei eingeschaltetem Schaden schon mal zum Neustart des Fluges führen. Bei einem 4 Stunden Echtzeitflug sehr ärgerlich.
Das Spiel läuft sehr stabil und flüssig, aber auch hier fordert die massive Simulation ihren Tribut. Meine 1070ti mit 32GB RAM und der i7 7700 reichen zwar aus, um es auf "Hoch" oder "Ultra" zu Spielen. Aber in grösseren Städten wie New York kann es zu FPS Einbrüchen kommen. Auch beim schnellen Umsehen gibt's immer wieder mal Ruckler. Wenn das Wetter wechselt führt das teilweise zu einem 5-Sekunden Standbild. Auch Abstürze des Spiels blieben mir nicht verwehrt. Vor solchen Problemen sind momentan auch potentere PCs nicht sicher. Der Funkverkehr mit dem Tower und dem ATC hatte vor dem 18. August 2020 wunderbar geklappt. Nach dem Release ist leider nur noch 20% zu hören.
Da der Flight Simulator aber ein Langzeitprojekt von Entwickler-Studio Asobo und Microsoft ist und auch zwei weitere Entwickler Content liefern denke ich, dass die bestehenden Probleme bald behoben werden. Zur Zeit gib es noch viele Inhalte, die sich die Nutzer wünschen – wie Jahreszeiten, Drohnen oder Helikopter. Die VR Unterstützung soll im Herbst folgen.
Im Grossen und Ganzen ist der neue Microsoft Flight Simulator 2020 aber eine sehr gelungene Simulation. Flugzeuge, Wetter und Landschaft sind einfach nur eindrücklich. So ist das Spiel für jeden, der Freude an Flugzeugen oder Simulationen im Allgemeinen hat, bestimmt ein Muss. Einzig die hohen Hardwareanforderungen dürften momentan noch einigen ein Dorn im Auge sein. Aber da es später auch für die potente Xbox Series X erscheint, könnte das die günstige Alternative für viele sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich selbst so viel Lust am Fliegen bekomme. Mittlerweile habe ich richtig Spass daran und versuche mich auch an längeren und schwierigeren Routen. Auch Instrumentenflug ist kein Problem mehr. Für mich eine der schönsten und enspanntesten Simulationen die ich kenne.
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