EA läutet die fünfte Runde ein für die populäre Boxsimulation und hat sich diesmal für den Beinamen „Champion“ entschieden. Die letzten Titel der Reihe setzten die Messlatte in Sachen Kampfsimulationen immer wieder höher. Ob sich EA’s neuster Streich erneut Lob einheimsen kann und ob es dem Beinamen gerecht wird, lest ihr in unserem Review.
Die Scheibe drehte erst seit zirka 30 Minuten seine Runden in meinem Laufwerk, als ich meinen ersten KO-Schlag austeilen kann. Das Gesicht meines AI-Gegners ist in diversen slowmotion Replays gezeichnet von der Form meiner Boxhandschuhe - oder besser gesagt Muhammad Ali’s Boxhandschuhen. Durch das Gesicht von Mike Tyson, meines Gegners in diesem Kampf, bewegt sich eine Schockwelle. Der Aufprall meines KO-Schlags sieht in der Wiederholung beängstigend aus. Doch das Wichtigste dabei ist, dass ich mich dabei wie der Grösste fühle. Dieses Gefühl sollte jedoch nie mehr so einfach zu erreichen sein wie in diesem Kampf, denn in Fight Night Champion muss man sich die Siege hart erkämpfen.
Das alte, komplexe Schlagsystem, welches sich in Fan-Kreisen nicht recht durchsetzen konnte, ist Schnee von gestern. Nun wird jeder Schlag mit einem flinken Druck auf dem rechten Analogstick ausgeführt. Wer sich trotzdem nicht mit dem rechten Stick anfreunden kann, darf aber auch die regulären Tasten des Controllers verwenden, um auf den Lukas zu hauen. Das neue System erlaubt eine viel schnellere Spielweise und setzt dabei den Fokus klar auf, Strategie anstatt auf Fingerfertigkeit. Wildes Rumgedrücke wird also keinesfalls belohnt, denn dadurch nimmt die Ausdauer des Kämpfers rasch ab und man ist dem Gegner ausgeliefert. Es benötigt also den Einsatz der grauen Zellen um langzeitig Erfolg im Ring geniessen zu können.
Die KI wurde gekonnt umgesetzt. Sogar so gut, dass man sich manchmal vorstellt, gegen einen menschlichen Gegner antreten zu müssen. Mike Tyson versucht euch zu zerstören und Ali tänzelt Kreise um euch herum. Die KI ist nicht nur an die Kampfstile der Boxgrössen angepasst worden, sondern reagiert auch clever auf Geschehnisse im Ring. Wenn dem Gegner gegen Ende eines Kampfes eine Niederlage droht, wird dieser aggressiver auftreten um den Kampf mit einem möglichen Knockout beenden zu können. Erleidet der Gegner eine Wunde im Gesicht, wird die KI sofort versuchen die verletzte Stelle besser abzudecken. Noch nie zuvor war das Boxen gegen einen computergesteuerten Gegner so herausfordernd.
Um dem ohnehin schon genialen Gameplay noch das Sahnehäubchen zu verpassen, hat sich EA eine Story einfallen lassen. Die Geschichte verleiht dem Spiel eine dramatische Note und leiht viel von Vorbildern wie Rocky oder Raging Bull. Diese Dramatik, welche unverzichtbar ist beim Boxsport, hat dem Spiel bis anhin gefehlt. Die Begleitung von Andre Bishops Anfängen im Amateurboxen, ins Gefängnis, bis hin zum Titel im Schwergewichtsboxen, verleiht dem zuvor seelenlosen Spiel Charakter. Die Story wird mit Cut-Scenes erzählt und der Spieler kommt jeweils im Ring zum Einsatz. Das Voice-Acting wirkt nie aufgesetzt und die Story wirkt weder überspitzt noch langweilig. Kurz gesagt ist der Champion-Mode durchaus filmreif.
Doch damit der Spieler während des Spielens keinen Sitzkrampf erleiden muss, haben sich die Entwickler spezielle Aufgaben während den Story-Kämpfen einfallen lassen. Beispielweise muss man sich aufgrund eines Handbruchs in der ersten Runde nur mit Hilfe der linken Hand durch den Kampf boxen. Oder man wird gezwungen ohne Schläge auf den Körper auszukommen, da der bestochene Ringrichter diese sofort als unerlaubte Tiefschläge registriert. Für Veteranen stellen diese Voraussetzungen eine Herausforderung dar, während Anfänger dabei wertvolle Erfahrungen sammeln können. Durch die Auswahl von vier verschiedenen Schwierigkeitsgraden, sollte die Story für jedermann zu beenden sein.
Für die Ambitionierten unter euch kann man ausserdem seinen eigenen Boxer kreieren und mit diesem den Legacy-Mode bestreiten. Euer Boxer bekommt nach jedem Kampf Erfahrungspunkte, mit welchen die Attribute individuell verbessert werden können. Erfahrungspunkte können auch in verschiedenen Boxstudios verdient werden. In benannten Trainings-Anlagen können Sparrings oder Übungen an Geräten wie Sandsäcken oder Speedbags absolviert werden. Euer Kämpfer kann auch für Onlinekämpfe eingesetzt werden, welchen wir zu diesem Zeitpunkt aber aufgrund eines fehlenden Onlinecodes von EA nicht testen konnten.
Die beiden Kampf-Kommentatoren machen während den ersten Kämpfen einen guten Eindruck. Nachdem man aber einige Gefechte hinter sich hat, kann man die sich wiederholenden Sprüche schon beinahe mitreden. Auch die Boxgeräusche klingen übertrieben hart. Das ist schade, wenn man bedenkt, dass man sich bei den Aufprallanimationen so viel Mühe gegeben hat. Dafür kann sich der Soundtrack hören lassen. Das Titellied von Fight Night Champion stammt von The Roots und auch ansonsten kann sich das Spiel mit Grössen wie N.E.R.D. oder Chiddy Bang auszeichnen.
Fazit:
Fight Night Champion hat an der alten Formel nicht viel verändert, doch Verbesserungen an der Steuerung und der neue Story-Modus verleihen dem ohnehin schon herausragenden Titeln frischen Wind. Fans von Kampfspielen und Geniesser des Boxsports kommen garantiert nicht an Fight Night Champion vorbei. Doch dieses Spiel ist durchaus auch für genrefemde Spieler einen Blick wert. Der Beinamen ist Programm und das Versprechen wurde gehalten. Die Fight Night Reihe kann sich erneut an die Spitze der Kampfsportsimulationen setzen.
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