Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Bereits kurz nach dem Turnier in Südafrika bringt EA den nächsten Ableger der FIFA Reihe auf den Markt. Spielt sich FIFA 11 genau so neu, wie es die wie immer euphorische Pressemitteilung vermuten lässt?
Pressetexte haben alle etwas gemein. Sie künden für gewöhnlich unzählige, noch nie dagewesene Innovationen an und verschleiern gekonnt mögliche Designschnitzer. Gleich vornweg, letztere wurden nicht verschwiegen; es gibt sie tatsächlich nicht. Ob sich die versprochenen Innovationen mit Schlagwörtern wie „Personality+“ oder „Pro Passing System“ im Spiel bemerkbar machen, ist eine andere Frage.
Tatsächlich stellen wir bereits im ersten Spiel fest, dass die Jungs auf dem Rasen einige Bewegungsmuster dazugelernt haben. In der defensive spitzeln unsere, nun stärkeren Verteidiger das Leder von des Gegners Füssen, sofern unser Mann richtig steht. Denn je nach Position des Spielers erfolgt eine entsprechend andere Bewegung zum Ball. Bekannte Spielerpersönlichkeiten erkennen wir an ihren individuellen Verhaltensmustern wieder. Meistens reicht aber auch schon ein Blick auf das digitale Konterfei, welche teileweise hervorragend gelungen sind. Bei weniger bekannten Spielern, wozu offensichtlich auch der WM-Torschützenkönig zählt, hat sich EA den Zeitaufwand einer perfekten Anpassung offensichtlich gespart.
Die nächste Neuerung, welche sehr schnell bemerkbar wird, ist das verfeinerte Passsystem. So erfordert es nun noch mehr Fingerspitzengefühl, den Ball zum gewollten Mitspieler zu bringen. Wird der Button länger gedrückt, spielt unser Kicker den Pass auch weiter. Sollte beispielsweise ein Mitspieler dazwischen stehen hüpft der auch mal über den Ball weg. Das ganze erfordert wieder ein klein wenig Einspielzeit, zahlt sich aber durch ein nochmals deutlich verbessertes Spielgefühl aus. Dazu führen übrigens auch die sichtlich intelligenter agierenden Goalies, Unmengen an Hebertoren und simplen Solodribblings hat EA so gekonnt entgegengewirkt.
Zum Thema Torwart: Nach Jahrzehnten der Videospielfussballgeschichte ist es uns nun endlich vergönnt, den Torhüter zu übernehmen. Richtig gelesen: neben dem bereits bekannten Be-a-Pro sowie Be-a-Manager Modus (welche nun beide auch kombiniert werden können) gibt es die Be-a-Goalie Option. Der Programmpunkt hält, was er verspricht: wir spielen ausschliesslich als Torwart. Mit dem linken Stick wird der Keeper in Position gebracht und mit rechts werden die Bälle aus dem Winkel gekratzt. Sind die zehn Mann auf dem Feld zu stark oder der Gegner zu schwach kann es durchaus vorkommen, dass man kaum etwas zu tun hat. Das ist dann nicht super spassig, aber realistisch. Oftmals ist es die Herausforderung des Torhüters, über 90 Minuten kaum Bewegung zu haben, aber die eine hochkarätige Chance des Gegners dann doch auf Abruf zu vereiteln.
Endlich dürfen wir auch online 11 gegen 11 spielen. Richtig gut funktioniert das leider noch immer nicht. Da kann aber EA nicht viel dafür: die Spieler, die der Verteidigung zugeteilt werden, sollten im Idealfall Kenntnis über die angestammte Position derer haben und sich nicht immer im Strafraum des Gegners aufhalten wollen. Ansonsten läuft FIFA 11 auch online zu Hochtouren auf und überzeugt durch flüssiges Gameplay, Freundschaftsspiele und die Möglichkeit der eigenen Ligen. Aber Achtung: wer FIFA 11 auf dem Gebrauchtwarenmarkt kauft, wird (sofern der Code bereits eingelöst wurde) nochmals zusätzlich für die Onlinefunktionalität berappen müssen. Erstkäufer interessieren derartige Probleme derweil nicht.
Anders bei der optional angebotenen Live Season. Sofern man die aktuelle Saison mit den jeweiligen originalen Spieltagen nachspielen möchte, kostet das zusätzlich. Die Spieloption ist selbstverständlich freiwillig, macht aber soviel Laune, dass man als Anhänger eines Vereins wenigstens über diese Ausgabe nachdenken sollte. EA hat es mit der FIFA-Serie geschafft, Spieler, die zuvor praktisch nur noch online gekickt haben, auch wieder offline vor die Konsole zu binden - Respekt.
Auch neu, aber nicht besser, ist die Soundkulisse. Jetzt dürfen eigene Soundfiles ins Spiel importiert werden, eine nette Option, die aber die wenigsten effektiv nutzen werden. Beim deutschen Kommentar spalten sich die Meinungen. Mein Gehör empfindet das neu eingespielte Kommentatorenduo als noch unpassender als im Vorjahr, Andere scheinen es als eine Verbesserung zu sehen – Geschmackssache. Wenn ich mir in jedem Spiel die Floskel „Die Bayern aus München“ oder völlig willkürlich genutzte, sich viel zu oft wiederholende Sprachsamples anhören muss, kann das nicht im Sinne des Erfinders sein. Möglicherweise sollte man sich über die Verpflichtung des famosen Fritz von Thurn von Taxis unterhalten, frei nach dem Motto: „Wenn schon nicht gut, dann gleich richtig schlecht“. Immer noch hervorragend sind dagegen die eingespielten Fangesänge sowie die, für FIFA typische, stimmige Musikuntermalung in den diversen Menüs. Einmal mehr eine 1A Gesamtpräsentation, wäre da nicht der gewöhnungsbedürftige deutsche Kommentar. Wenn ich noch einmal 'was für ein kranker Pass' hören muss...
Fazit:
Was soll man sagen, ohne langweilen zu wollen? Denn FIFA 11 ist effektiv das beste Fussballspiel seit Jahren, wenn nicht aller Zeiten. Selbst der hervorragende WM-Vorgänger wurde nochmals übertroffen. Egal ob off- oder online; in diesem Jahrgang sorgt EA mit dem neuesten Fussballableger für unzählige, hochgradig motivierende Spielstunden. Der Titel spielt sich nahezu perfekt, hat eine einwandfreie Präsentation und als Tüpfelchen auf dem i noch Lizenzen von praktisch jeder noch so unbekannten europäischen Liga. Negativpunkte muss man mit der Lupe suchen, findet aber kaum welche. Nur einige Spielermodelle dürften im nächsten Jahr ein wenig realitätsbezogener sein. Und die Kommentatoren… naja. Aber egal ob man sich zu den Anhängern des FC Thuns oder von Real Madrid zählt; um FIFA 11 kommt man in diesem Jahr als fussballbegeisterter Videospieler definitiv nicht herum.
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