Ein Knuffel-RPG gepaart mit der Vielfalt an Charakterklassen, welche wir von größeren Rollenspielen gewohnt sind. Ist dieses Experiment gelungen? Mit einem Wort: Ja. Aber nun erstmal der Reihe nach.
Am Anfang darf man, wie bei den großen Rollenspielen, seinen Charakter nach persönlichem Geschmack designen. Dazu stehen eine Vielzahl an Optionen zur Verfügung: Frisur, Gesichtszüge, Haut- und Haarfarbe; um nur einige zu nennen. Es hat mich schon fast an Phantasy Star Online erinnert. Hat man seinen Charakter fertig, darf man sich entscheiden welches "Leben" man leben möchte; zwölf Berufe hat man dann zur Auswahl. Da ich persönlich gerne koche, habe ich den Koch gewählt.
Daraufhin wird man nach und nach in die Geschichte eingeführt. Wie zu 99% üblich seit ihr der Held der die Welt rettet. Was eher unüblich ist: Einfach so in die Schlacht ziehen ist nicht. Gut, man kann schon, aber man sieht dann schnell alt aus. Das liegt daran, dass die Spielmechanik sehr viel Wert darauf legt, dass ihr ein gutes und schönes Leben führt. Viele Annehmlichkeiten kommen erst mit eurem gewählten Leben und euren Erfolgen. Zu jedem Leben gehört ein Lebensmeister und dieser stellt euch Aufgaben. Zuallererst müsst ihr euch beim Meister bewähren, damit ihr die Lebenslizenz erhaltet. Habt ihr diese erhalten müsst ihr Aufgaben erfüllten, damit ihr im Rang steigt. Mit steigendem Rang werden die Aufgaben schwieriger aber die Resultate auch zunehmend hochwertiger. Das ist nur ein Teil der grundlegenden Spielemechanik. Der zweite Teil ist das Wonnesystem. Dies ist eine Art Indikator wie glücklich ihr bereits im Verlauf des Spieles seit. Durch diverse Ereignisse oder Quests bekommt ihr Wonne, mit jener kann man erst Extras im Spiel freischalten. Darunter z.B. größere Sortimente bei Händlern und die Möglichkeit Transporttiere auszuleihen. Kurz um: Seit ihr glücklich, so könnt ihr noch glücklicher werden.
Jetzt fragt ihr euch sich sicher: "Kann man das falsche Leben wählen?" Das kann ich mit einem klaren "Nein" beantworten. Während des Spiels gibt es zwei Phasen: Die Hauptquest-Phase und die Freilauf-Phase. Während der Freilauf-Phase kann man sich um Nebenquests kümmern und sein Leben leben. Man kann es sogar frei wechseln. Das macht dahingehend Sinn, da jedes Leben andere Vorteile und Annehmlichkeiten bietet. Außerdem können gelernte Fähigkeiten auch mit anderen Leben benutzt werden. Nehmt ihr den Paladin, lernt ihr wie man ein Schild benutzt! AHA! Plötzlich kann ich mich als Koch auch aktiv mit einem Schild verteidigen und sogar Schwerter anstatt nur einen mickrigen Dolch benutzen. Das übertragen einiger Grundfähigkeiten auf andere Klassen ist ein Grund, warum man mehrere Leben anfangen sollte.
Ein weiterer ist, dass sich die Leben gegenseitig ergänzen. Wie oft habe ich als Koch bestimmte Zutaten nicht kaufen können, als Angler konnte ich plötzlich alle Meeresfrüchte bekommen, die ich brauchte um einen Rang aufzusteigen. Ebenso kann man als Minenschürfer Erze bekommen, die ein Schmied wiederum zum Herstellen für bessere Waffen und Schilde benötigt. Jetzt sollte auch klar sein, was ich meinte als ich schrieb, man könne nicht so einfach in die Schlacht ziehen. Ich habe mich auch fast nur um mein Leben als Koch gekümmert und bin so ziemlich durch das Spiel gerauscht. Als ich beim letzten Drittel angelangt bin, habe ich auch festgestellt: so wie ich bin, mach ich keinen Gegner mehr platt und mit meinem Leben geht's auch nicht weiter weil ich bestimmte Zutaten einfach nicht kaufen konnte. Kurzerhand bin ich auf Paladin und Angler umgestiegen. Schon waren wenigstens die Nebenquests nicht mehr so nervenaufreibend und ich konnte mich auch endlich gegen wehrhafte Gegner verteidigen.
Ein Leben zu meistern ist jeweils unterschiedlich gestaltet. Als Koch muss man via Trigger-Kombos Gerichte zubereiten und als Schneider entsprechend Kleidung nähen. Dabei hat man drei Stationen die mit der jeweilig dargestellten Aktion bedient werden müssen. Als Paladin läuft man durch die Gegend und vollführt Aufgaben die zur Tagesordnung eines ritterlichen Hofangestellten gehören: z.B. Banditen vertreiben oder für Ruhe und Ordnung sorgen; also ganz normales "hau-drauf". Als Angler sucht man sich Stellen zum Fischen und braucht viel Geduld, denn nicht aus jedem Teich kommt der gewünschte Fisch. Man muss den richtigen Teich suchen und auch noch Glück haben, dass dort auch der gewünschte Fisch vorhanden ist.
Ist man jedoch gerade im Hauptquest, welcher kapitelweise gestaltet ist, kann man sein Leben vorerst nicht mehr wechseln. Man sollte also entsprechend eine kluge Wahl treffen, mit welchem Leben man das nächste Kapitel des Hauptquests bestreiten will. Denn auch unter den Leben selbst gibt es Statusboni und auch hervorragendes Equipment welches zum Teil lebengebunden ist. Wählt man somit das "falsche Leben" ist erst einmal einiges an hochleveln abverlangt bis den neuen Gegnern wieder entgegen getreten werden kann. Es soll jetzt nicht angenommen werden dass man immer hochleveln muss. Während des Hauptquests gewinnt ihr viele Freunde, von denen ihr maximal zwei während der Freilaufphase in eine Party einladen könnt. Somit sind auch schwierige Gebiete ohne viel Aufwand zu meisten. Mittels Streetpass ist es möglich mit Freunden gemeinsam in die Schlacht zu ziehen; das Feature konnte ich leider nicht ausprobieren.
Ein weiteres Feature, dass sich positiv auf die Spieldynamik auswirkt, ist das Tageszeitensystem. Im Spiel durchlebt ihr Tag und Nacht und entsprechend ändern sich Questangebote, sowie die feindlichen Gegner. Viele schlafen Nachts und meist gibt es Nachts auch ganz andere Typen an den gleichen Orten wie z.B. Geister die plötzlich am Wegesrand spuken oder Wölfe die nachts aus dem Versteck kommen und auf der Schafsweide stehen. Auch können die Zeiten Einfluss auf euer Leben haben; was z.B. wenn man nachts andere Fische angeln kann als am Tag?
Sound und Grafik befinden sich bei dem Spiel auf oberem 3DS Niveau. Die Grafiken sind putzig gestaltet und haben das typische "Zelda"-Flair. Die musikalische Untermalung ist eingängig und nervt auch bei längeren Sessions kein bißchen und manchmal möchte man einfach nur zuhören und nichts dabei tun.
Fazit:
Fantasy Life ist ein Spiel zum Genießen und kein Spiel zum in Rekordzeit Durchspielen. Ich selbst habe gemerkt, dass "einfach durchrauschen" keine gute Taktik ist. Nach knapp 20h war ich zwar ein ziemlich guter Koch und im letzten Drittel des Spiels angelangt, aber das war's auch. Gegnern habe ich nur noch leichte Kratzer und keinen Schaden zugefügt; ich steckte fest. Kaum hatte ich Vorteile durch ein anderes Leben erlangt, ging es auch wieder bergauf. Das Spiel glänzt außerdem durch eine charmante Prise Humor, putzige Charaktere und einen leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrad, der aber keinen Frust aufkommen lässt. Wer allerdings Rätsel und Dungeons nach Zelda-Manier erwartet wird hier enttäuscht werden, das Spiel geht in eine völlig andere Richtung. Für alle anderen kann ich es durchwegs empfehlen.
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