Lange ist es her, seit wir uns im Ödland getummelt haben. Das letzte Fallout spielte im verdorrten Nevada und erschien auf einer altersschwachen Hardware, überzeugte dafür mit umso stärkeren Quests. Inwiefern Teil vier hier anschließen kann, haben wir uns angesehen.
Als Fallout 1997 das Licht der Welt erblickte, war das für viele Mad Max Fans das inoffizielle Spiel zum Film. Klassisches Top-Down Rollenspiel mit einer grossen Priese Action und erstklassig geschriebenen Dialogen und Charakteren, einer der Top-Hits der 90er. Teil zwei liess folglich nicht lange auf sich warten, bot aber in erster Linie nochmals dasselbe in grün. Lange wurde es still in der virtuellen Endzeit. Mit Fallout Tactics und Brotherhood of Steel wurde die Franchise zwar erweitert, auf einen echten Nachfolger warteten die Fans aber ganze zehn Jahre. Erst 2008 griff Bethesda die Rechte auf und veröffentlichte auf Basis der Oblivion Engine ein damals audiovisuell überzeugendes Spiel. Wieder sieben Jahre später erlöst Bethesda die Fallout-Anhänger auf der ganzen Welt mit dem nunmehr vierten Teil.
Jener wurde im Vorfeld in einschlägigen Internet-Foren heiss diskutiert, nicht zuletzt aufgrund der keinesfalls bahnbrechenden Grafik. Das lässt sich bereits in den ersten Minuten von Fallout 4 bestätigen. Dennoch sieht das Ödland hübscher aus, als aufgrund erster Screens zu befürchten war. Speziell unter freiem Himmel erfreuen wir uns verschiedener Witterungsbedingungen und wie gewohnt einem Tag- und Nacht-Wechsel. In den Gebäuden drin merkt man dem Spiel die Entwicklungszeit an, an der aktuellen Grafikreferenz kratzen die vom Krieg gebeutelten Gebäude nie. Genau so wenig wie die umherstreunenden Gegner und andere KI-Charaktere. Die Animationen derer wirkt ein wenig altbacken. Schon zu Beginn, beim Erstellen des eigenen Charakters, stellen wir die bescheidene Gesichtsschönheit fest. Da nützt auch die grosse Freiheit beim individuellen Verändern der vielfältigen Gesichtszüge sowie der Haarpracht nicht viel, schafft aber einen grösseren Bezug zum eigenen Charakter.
Wo das Spiel in grafischer Hinsicht zwar durchaus hübsch ist, aber nur selten beeindruckt, überzeugt der Audio-Part umso mehr. Auch die deutsche Synchronisation ist durchwegs gelungen und die Sprecher schaffen es, die Endzeit-Atomsphäre nicht zu beeinträchtigen (prima: Englische Sprache befindet sich erstmalig auch mit auf der Disk!). Dazu das altbekannte Pipboy Radio, das mit ungewohnten Klängen aus vergangenen Tagen die Wanderzüge durch die zerstörte Zukunft begleitet. Ebenfalls verbessert hat man das Shooter-Gameplay, welches vom Spielgefühl her endlich einem Egoshooter würdig ist.
Einer der grossen Kritikpunkte beim letzten Bethesda Fallout war, dass der Spieler sich im Verlauf der mehreren Dutzend Spielstunden unzähliger Gegenstände angeeignet hat, die aber kaum einen wirklichen Nutzen hatten. Diesem Umstand wurde in Teil vier auf beeindruckende und sinnvolle Art und Weise Abhilfe geschaffen. Neu dürfen nicht nur die Waffen mit diversen Gegenständen modifiziert, sondern mittels Schrott-Verwertung ganze Siedlungen errichtet werden. So baut der Ödland-Bewohner sich seine eigene Siedlungen inklusive Verteidungs-Anlagen und Inventar wie Bett, Couch und Kisten oder errichtet ganze Festigungs-Wälle zum Schutz gegen die fiesen Raider-Gruppierungen. Dem Wiederaufbau der atomar verseuchten Welt steht so nichts im Wege. Gross Hilfe oder gar ein angemessenes Tutorial erhält der Spieler dabei aber nicht. Auch nicht zur Steuerung. Jene funktioniert zwar insgesamt sehr gut, das Menü-Handling grenzt aber stellenweise an eine Frechheit. Es ist zwar schön, dass der Pipboy wieder seine Verwendung findet, aber die Darstellung auf dessen Bildschirm lässt stark zu wünschen übrig und ist doch sehr gewöhnungsbedürftig. In den mindestens 60 Stunden Spielzeit bleibt aber genügend Zeit, sich einen effektiven Umgang mit dem Gerät anzueignen. Das VATS findet wie gewohnt auch in Fallout 4 seinen Einzug. So lassen sich via Tastendruck und sofern genügend Aktionspunkte vorhanden sind, gezielt die einzelnen Körperteile der feindseligen Gruppierungen anvisieren und malträtieren. Das anvisieren derer funktioniert wie im Vorgänger, ist allerdings nicht mehr ganz so einfach.
Der rote Faden im diesjährigen Fallout ist die Suche nach dem verlorenen Sohn. Diese gerät aber bereits nach wenigen Spielminuten fast schon in Vergessenheit. Dank unzähliger optionalen Aufgaben, welchen der Ödland-Wanderer auf seiner Zeit begegnet, kommt nie Langeweile auf. Zumal einmal mehr nicht alles schwarz oder weiss ist, und durchaus Entscheidungen gefällt werden dürfen, die weitreichende Konsequenzen haben könnten, nicht immer im eigenen Interesse. Die Reise durch das vom Krieg gebeutelte Boston gestaltet sich abwechslungsreicher als in den Vorgängern. Siedlungen, Städte, Wälder, vieles wird geboten, schier endlos viel gibt es zu entdecken. Davon lebt das Spiel letztendlich, der eigene Entdeckerdrang macht den Titel zum Hit, oft warten abseits des Weges die wirklich interessanten Dinge.
Durch das Absolvieren von Missionen und Entdecken von Orten gibt es selbstverständlich Erfahrungs-Punkte, welche wohl bedacht in die verschiedenen Attribute gesteckt werden wollen. So bastelt man sich vom Vault-Greenhorn bis zum Endzeit-Badass heran. Ob dabei mehr Wert auf schiere Kraft, geschickte Diebeskünste oder ein starkes Charisma mit einer grossen Priese Glück gelegt wird, bleibt dem Spieler frei überlassen. Zusätzlich verbessert sich der eigene Charakter mittels gefundener, besserer Kleidung sowie der neu zugänglichen Power-Rüstung, die allerdings spezielle Energiequellen benötigt und sich wie ein laufender Panzer anfühlt. Wem das noch nicht reicht, der angelt sich einen agilen Mitstreiter, vom Hund Dogmeat bis zum Mutanten dürfte hier für jeden ein passender Kumpane mit dabei sein. KI Aussetzer oder versperrte Hauseingänge wie immer inklusive.
Fazit:
Krieg, Krieg ist immer gleich. Fallout, Fallout ist immer gleich. Eine böse Aussage, die aber nicht grundsätzlich falsch ist. Speziell zu Beginn fühlt sich Fallout 4 an wie der direkte Vorgänger, raus aus dem Vault, rein ins Ödland. Mit dem Unterschied, dass dank älterer Engine weniger optische Blender gesichtet werden. Schnell gewöhnt man sich daran und ist wieder mitten drin, statt nur dabei. Dank ausgiebiger Crafting-Optionen kann man sich gut und gerne im dreistelligen Stundenbereich in Boston und Umland aufhalten. Wer Fallout 3 geliebt hat, wird bestens bedient. Spieler die sich nicht mit den Bethesda Action-Rollenspielen anfreunden können, werden das auch bei Teil vier der Endzeit-Saga nicht tun. Zählt man sich nicht zu letzterer Gruppe und kann dem Setting auch nur ein klein wenig abgewinnen, gehört Fallout 4 klar zum Pflicht-Kauf in diesem Winter – und das trotz sommerlich warmen Temperaturen bis in den November.
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