Wenn Branchen Veteranen und ehemalige BioWare Mitarbeiter ein neues Studio gründen und ihr Know How in ein Single Player Action RPG investieren, sollte man das im Auge behalten. So geschehen bei Eternal Strands, dass sich wie eine Mischung aus Zelda, Monster Hunter und Shadow of the Colossus anfühlt.
Eternal Strands erzählt die Geschichte von Brynn und ihrer Gruppe von «Weavern» (eigentlich Zauberer oder «Magie-Jedis», wie ich sie gerne nenne), die sich auf die Reise in eine lange Zeit unerforschte Region ihrer Welt machen, um Antworten über eine verlorene Zivilisation zu finden, die als Enklave bekannt ist. Die Region ist Heimat der Weaver und voll mit magischen Kreaturen, Geheimnissen und der «Shroud», einer toxischen Wetteranomalie, für dessen Urprung die Weaver verantwortlich sein sollen. Weil sie laut Legende Unheil und Krieg über die ganze Welt gebracht haben, sind sie Ausgestossene und werden verfolgt. Klar, dass wir jetzt herausfinden müssen, ob das auch alles stimmt und ob es vielleicht einen Weg gibt, die Welt wieder in Einklang zu bringen.
Ganz im Stil von Zelda streifen wir durch die halboffene Spielewelt, immer auf der Suche nach Ressourcen, die wir ins Basis-Lager bringen, damit die Kameraden unsere Ausrüstung aufmotzen können. Treffen wir bei unseren Erkundungstouren auf Gegner, wird mit Schwert und Schild, Bogen und einer Reihe magischer Kräfte gekämpft. Leichtfüssige, flinke Feinde werden mit der Eismagie eingefroren, um sie anschliessend mit Leichtigkeit zu erledigen. Gegnergruppen machen wir buchstäblich Feuer unterm Hintern und sehen ihnen beim Totentanz zu. Oder wir nutzen Telekinese, um die Schergen wie Obi Wan Kenobi an die nächste Wand zu knallen oder ihnen einen Felsbrocken entgegenzuschleudern.
Werden wir in Scharmützel verwickelt, müssen wir beim Kämpfen und Ausweichen stets auf unsere Ausdauerleiste achten. Ebenso beim Klettern oder Springen. Sowas kennen wir schon aus Soulslikes oder eben auch Zelda: Breath of the Wild. Wie in Links’ letztem Abenteuer kann praktisch jede Wand erklommen werden und wie in Shadow of the Colossus so mancher haushohe Endgegner, dessen Schwachstellen sich in schwindelerregender Höhe befinden. Gerade diese Boss-Momente sind echte Highlights und toll inszeniert.
Haben wir einen Obermotz gefällt, nutzen wir dessen Essenz um unsere eigenen Zauberkräfte aufzuleveln. Manche dieser riesigen Bosse sind etwas schwierig zu erklimmen, da sie mehrere Rüstungsschichten oder komplizierte Designs haben. Die Steuerung kann hier etwas hakelig sein. Natürlich versuchen sie stets uns abzuschütteln, was die Aufgabe öfters schwerer macht, als sie eigentlich sein sollte. Insgesamt ist diese Facette jedoch eine nette Ergänzung und eine willkommene Abwechslung zum normalen Kampfgeschehen, das manchmal etwas ermüdend werden kann, weil es bei der Gegnervielfalt hapert. Ich fand ohnehin, dass die Standardkämpfe etwas Bums und Wucht vermissen lassen.
Ein weiteres Highlight in Eternal Strands ist die dynamische Umgebung, die überraschend viele interaktive oder zerstörbare Elemente bietet. Das fängt bei kleinen Säcken und Kisten an und hört bei Bäumen und ganzen Häusern auf. Hinzu kommt, dass die eigenen Magien auch uns selbst zum Verhängnis werden können, wenn wir z.B. wieder in ein ausser Kontrolle geratenes Feuer laufen, das wir selbst gelegt haben oder uns die Trümmerteile eines Gebäudes auf den Kopf fallen, nachdem wir es demoliert haben.
Wettereinflüsse beinträchtigen weiter unsere Herangehensweise. Während wir an einem Ort beim ersten Besuch noch einen klaren Himmel und die Sonne geniessen, werden wir bei unserer nächsten Visite vielleicht einen Schneesturm oder extreme Hitze vorfinden. Um dem entgegenzuwirken kann Brynn, ähnlich wie in den Witcher-Spielen, den Elementen mit Zaubern entgegenwirken (Eis löscht z.B. Feuer) oder Tränke zu sich nehmen, die eine vorübergehende Immunität gewähren. Geschickte Spieler nutzen das extreme Wetter und die physikbasierten Zaubereien zu ihrem Vorteil. Das ist oft nötig, da sich auch die Feinde den wechselnden Bedingungen anpassen.
Wir bereits erwähnt finden und sammeln wir überall reichlich Materialien, die wir in unserem Basis-Lager zur Herstellung neuer Waffen und Rüstungsteilen verwenden, bereits vorhandene verbessern oder eintauschen, falls wir eine gleiche Waffe oder Rüstung mit stärkeren Werten rekonstruieren möchten. Hier steht uns ein beeindruckendes Mass an Spieltiefe zur Verfügung. Daneben finden wir im Basis-Lager viele NPCs, die uns mit Quests, Side-Quests oder Loyalitätsmissionen versorgen, die mich ein bisschen an Mass Effect erinnerten. Eine hervorragende Gelegenheit, um mehr über unsere Begleiter und deren Geschichte zu erfahren.
Die Präsentation von Eternal Strands weiss zu gefallen. Ich mag das stilistisch klare, visuelle Design, die satten Farben und die ausgearbeiteten Charaktere. Zudem läuft das Geschehen stets flüssig mit 60fps über den Bildschirm. Hinzu kommt eine fantastische Sprachausgabe mit glaubwürdigen und gut geschriebenen Dialogen. Schade, dass viele Konversationen nur in simplen Comic-Panels stattfinden, aber das hat vermutlich auch mit dem geringeren Budget des Entwicklers zu tun. Yellow Brick Games ist ein neues, kleines Studio und nicht BioWare. Insgesamt wirken die vielen Textboxen sehr ermüdend, was mich öfters dazu verleitet hat, einfach auf «Skip» zu drücken. Und wenn es mal animierte in-game Cut Scenes gibt, sind die eher holprig inszeniert.
Fazit:
Der Einstieg mag schwer sein, da vieles nicht ausreichend erklärt und das Händchenhalten auf ein Minimum beschränkt wird. Das kann jedoch auch ein Vorteil sein. Schade jedoch, dass die vielen Textbox-Dialoge und repetitiven Kämpfe gegen immergleiche Gegner den Spielspass torpedieren. Auf den ersten Blick ist Eternal Strands in vielerlei Hinsicht ein ziemlich durchschnittliches Action-Adventure. Es gibt aber einige Ideen und Mechaniken, die angenehm hervorstechen: Erfrischende Gegner, wie riesige Drachen, turmhohe Archen oder fette Feuerwürmer, die jeweils eine völlig andere Herangehensweise erfordern oder das physikbasierte Magie-System, das mit Köpfchen eingesetzt werden will und Einfallsreichtum belohnt. Man merkt, dass sich die Entwickler viel überlegt haben, wie man Spieler motiviert, überrascht und länger bei der Stange hält. Dahingehend fand ich Yellow Brick Games’ Erstlingswerk gelungen und wer mit der richtigen Erwartungshaltung an Eternal Strands herangeht, findet hier einen Fantasy-Titel, mit dem man gut und gern 25-30 Stunden Spass haben kann.
Eternal Strands ist zum Zeitpunkt dieses Tests nur digital für PS5, Xbox Series X|S und PC erhältlicht. Es ist auch Teil des Xbox Game Pass. Wir haben das Spiel auf der Xbox Series X getestet. Das Test-Muster stammt von Yellow Brick Games, wofür wir uns herzlich bedanken.
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