Eine Pilgerreise, die ist lustig, eine Pilgerreise, die ist schön. Aber auch ein Städtetrip in Villedor kann Vergnügen bereiten. Malerische Sonnenuntergänge am Horizont, ruhige Aussenbezirke und eine Innenstadt geprägt von architektonisch interessanten Hochhäusern warten auf den Reisenden. Etwaige Unruhen, insbesondere durch Untote geprägt, sind dabei zu vernachlässigen.
Zu diesen Pilgern zählt auch Aiden. Früher wäre der gute Mann vielleicht auf dem Jakobsweg unterwegs gewesen, im Jahr 2036 braucht man sich nicht mehr auf solchen abgetretenen Pfaden zu bewegen. Die vormalige Über-Bevölkerung ist sowieso bereits um 98% reduziert. Im Gegensatz zu anderen Pilgern, die sich von Stadt zu Stadt bewegen, hat Aiden noch weitere Beweggründe. Die Suche nach seiner Schwester führt ihn in die sieben Bezirke umfassende Stadt Villedor. Die europäische Grossstadt ist allerdings immer noch überraschend reichlich bevölkert. So lernt Aiden bereits nach kurzer Zeit verschiedenste Leutchen kennen, welche dem Virus ohne Zombiefizierung entfliehen konnten. Als gestandener Pilger und Gutmensch hilft Aiden auch bei all den kleinen und grossen Problemen aus und rennt dafür durch das Zombie-verseuchte Städtchen.
Und hier beginnt auch Dying Light 2. Also nach einem gut eineinhalbstündigen Tutorial, welches euch die Steuerung und die Grundpfeiler des Spiels näherbringt. Erst dann darf online nach Hilfe gesucht oder anderen Spielen beigetreten werden. Da Aiden im Verlauf der Story immer mehr Fähigkeiten dazu lernt, erhalten wir auch nach 20 Stunden noch solche hilfreichen Informations-Einblendungen. Zu Beginn ist der Weg durch die Strassen der Stadt oder über deren Dächer gar nicht mal so einfach. Kaum Ausdauer und wenige Parkour-Fähigkeiten machen ihm das Leben schwer. Durch das Absolvieren von Story Missionen oder Looten von Gebäuden erlangt der Pilger zusätzliche Fähigkeitspunkte, die in diverse Kampf- oder Parkour-Manöver investiert werden. Zusätzlich sollte mittels in Kisten versteckten Hemmstoffen die Ausdauer und Lebensenergie gestärkt werden. Entsprechend ist der Städtetrip von der stetigen Frage begleitet, wofür das rare gut eingesetzt werden sollte, denn beide Fähigkeiten werden ständig benötigt.
Es gibt viel zu tun, um die Zombie-Massen möglichst unbeschadet zu überstehen. Für den nötigen Erfahrungsgewinn finden sich glücklicherweise unzählige Story- und Nebenmissionen. Deren Erzählweise schwankt von komplett uninteressant bis zu "leicht unterhaltsam". Einen Preis für die beste Story erhält Dying Light 2 nicht. Auch glänzen nur wenige der Charaktere mit Sympathiepunkten. Abwechslung ist aber durchaus geboten. Mal rennt unser Mann einem Tuch nach, klärt Morde auf oder besteigt Windmühlen. Bei erfolgreichem Quest-Ausgang gibt es Geld oder Erfahrung, beides nimmt Aiden immer gerne entgegen. Neu hoch gekraxelte Windmühen entwickeln sich dagegen zu einem sicheren Hort im Zombie-Allerlei, wo Händler und manchmal weitere Aufgaben zu finden sind.
Selbstverständlich gilt es auch X Leute von den unzähligen herumlungernden Untoten zu retten. Tagsüber stellen jene schon zu Beginn kaum eine Bedrohung dar. Wie schon im direkten Vorgänger ist nachts allerdings Vorsicht geboten, speziell wenn man allein unterwegs ist. Zusätzlich zur wenig erfreulichen Zombie-Invasion macht Aiden die Dunkelheit aufgrund des eigenen Immunitäts-Zustands zu schaffen. Sobald das Licht aus ist, entsteht etwas Zeitdruck, denn nach Ablauf der (meist grosszügigen) Uhr geht die kostbare Lebensenergie zu neige. Um sich dagegen zu wehren werden Pilze gemampft, Leuchten geworfen oder schlicht das nächste, oft nahe UV-Licht gesucht, welches den Countdown freundlicherweise wieder zurücksetzt.
Um der Untoten-Armee Herr zu werden liegen schon zu Beginn überall Waffen rum, oder wenigstens Gegenstände wie ein Tischbein, das gerne auch als Waffe missbraucht werden darf. Wer genügend Rohstoffe in der Welt einsammelt und die erforderlichen Blueprints besitzt, levelt die Waffen auf und ergänzt das lieblings-Beil um Blitz-, Feuer- oder Gift-Schaden. Leider verlieren auch die Schlagwerkzeuge an Energie und gehen nach dem x-ten Zombie kaputt. Mittels Upgrades lässt sich deren Einsatzzeit aber verlängern.
Wie schon beim Parkour ist es auch mit den Waffen, zu Beginn ist Aiden nur schwächlich unterwegs. Zwar macht das Rennen über die Dächer von Villedor dann schon Spass, ein richtig guter Flow entsteht aber erst, wenn schon das eine oder andere Upgrade eingesetzt wurde. Dann springt Aiden wie eine Katze über die Dächer und weiss sich gegen die Gegnerübermacht immer besser zu wehren. Jene wird allerdings im späteren Spielverlauf auch stärker, wie wir das von Rollenspielen kennen. Bis übrigens eine Schusswaffe im Inventar landet, vergehen gute 20 Stunden, je nach Spielstil.
Technisch überzeugt Dying Light 2 nach dem Day-One Patch durchaus. Klar, der eine oder andere Bug ist noch drin, aber beileibe nichts Katastrophales. Sound-Probleme können nach einigen Stunden aus dem Nichts auftauchen, was dazu führt, dass überhaupt nichts mehr an Akustik zu hören ist. Ein Neustart des Spiels hilft hier weiter. Auch schweben mal tote Zombies in der Luft oder ein Questgeber verschiebt sich nicht wie er sollte an den nächsten Ort; wir hatten aber keine Quest, die nicht abgeschlossen werden konnte. Optisch läuft das Spiel im Performance-Mode butterweich mit 60fps, übrigens der Modus, welchen wir auch empfehlen. Die Grafik hat Next-Gen Potential. Villedor weiss durchaus zu gefallen. Dass diverse Lokalitäten stark nach copy/paste aussehen, schmälert den optischen Gesamteindruck aber leider.
Fazit:
Als Freund vom ersten Teil, hat mich Dying Light 2 gleich abgeholt. Das Spiel ist letztendlich eine typische Fortsetzung mit der einen oder anderen Neuerung, die sich wunderbar ins Spielkonzept einfügen. Ich hätte mir eine interessantere Story gewünscht. Obschon ein paar unerwartete Wendung mit drin sind, fallen die teilweise ellenlangen Gesprächspassagen wenig unterhaltsam aus und ich habe mich schon dabei ertappt, wie ich das Gelaber gern weggedrückt hätte; was übrigens möglich wäre. Da auch nach x-Spielstunden noch neue Fähigkeiten dazu kommen, sorgt der Titel über längere Zeit für Abwechslung. Der Preis dafür ist, dass der richtig gute Gameplay-Flow in den ersten Stunden noch fehlt, speziell die kaum vorhandene Ausdauer sollte tunlichst rasch einige Upgrades erhalten. Dying Light 2 erfindet sich nicht neu, liefert aber, trotz einiger noch vorhandener Bugs, einen motivierenden und spielerisch überzeugenden Gameplay Mix ab. Wer eine Mischung aus Dead Rising, Fallout und Mirrors Edge sucht, wird hier geradezu perfekt bedient. Im dritten Teil dann bitte eine etwas individuellere Weltengestaltung und echte Entscheidungsmöglichkeiten in der Story und wir sind wunschlos glücklich.
Dying Light 2 Stay Human wurde von uns auf einer Xbox Series X getestet. Das Spiel ist auch für PS5, PS4, Xbox One und PC zu haben. Das Test-Muster stammt von Entwickler Techland, wofür wir uns ganz herzlich bedanken!
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