Disney Infinity 2.0 will vieles sein. Es will euer liebstes Marvel-Spiel, euer liebstes Tower-Defense-Spiel, euer liebster Dungeon-Crawler, liebster Prügler, euer Lego-Ersatz und ein RPG-Spiel sein. Ob es das alles schafft, habe ich mir zusammen mit meinem 9-jährigen Sohn (also die Zielgruppe) angesehen.
Was Activision mit Skylanders kann, sollte doch auch für Disney möglich sein, oder? Disney rechnet bestimmt mit einem wahnsinns Geschäft, mit diesen kleinen, durchaus hübschen Plastikfiguren. Auch in Disney Infinity 2.0 gibt es wieder jede Menge davon zum Sammeln. Im Spiel und auch in 'echt'. Im Einsteiger-Set sind drei Stück enthalten, sowie die Plastik-Basis, die als Interface zwischen der realen und der digitalen Welt fungiert. Die Basis steckt ihr ganz simpel in den USB Port, die Figur stellt ihr oben drauf und schon erscheint diese im Spiel auf eurem Fernseher. Für Kinder ein unfassbar cooles, fast schon magisches Erlebnis, was ich dank meines Sohnes selbst miterleben durfte. Wir haben Disney Infinity 2.0 zusammen getestet.
Was als erstes auffällt: Avalanche Studios haben dieses mal mehr Augenmerk auf die unterschiedlichen Kräfte der Charaktere gelegt. Alle Helden fühlen sich dieses mal anders an. Iron Man fliegt durchs virtuelle Manhattan und verschiesst Laser-Salven, während z.B. Spider-Man seine Netze einsetzt und sich mit seinem Spinnen-Sinn durch die Häuserschluchten schwingt. Es gibt zwar nach wie vor ein paar Basis-Attribute, die sich alle Helden teilen, aber prinzipiell fühlt sich jeder einzigartig an. Wo man sich bei Infinity 1.0 noch überlegte, ob man sich wirklich eine weitere Action-Figur im Toys-r-Us kaufen soll, will man sie jetzt garantiert ALLE haben und zwar sofort!
Es gibt aber noch weitere Änderungen und Verbesserungen. So gibt es jetzt nur noch eine Spielewährung, mit der man sich neue Inhalte im Spiel freischaltet und nicht mehr zwei für Spiel und Toybox wie früher. Alles wird mit blauen Kristallen bezahlt, die erledigte Gegner fallen lassen, oder die man in versteckten Kapseln findet. In der Toybox (die eurer kreativen Ader freien Lauf lässt, indem ihr Lego-mässig eigene Welten baut) werden neue Bauelemente jetzt nicht mehr per Zufall und via Roulette freigeschaltet, sondern können im Toy-Store direkt ausgewählt und gekauft werden. So hat man immer die Teile, die man auch will und benötigt. Das System ist dennoch nicht perfekt, denn die einzelnen Bauelemente müssen ja zuvor durch Spielen erst freigeschalten werden. Wer alle Teile will, muss sehr viel Zeit investieren und viele Dinge immer und immer wieder tun (im Fachjargon auch 'grinding' genannt). Toll ist aber, dass sich alle Toybox Kreationen, Figuren und Fähigkeiten aus Infinity 1.0 in die Version 2.0 übernehmen lassen. Es gibt sogar völlig neue Skills für eure alten Figuren! Die Plays-Sets dürfen jedoch nicht übernommen werden, ihr solltet eure alte Basis-Station samt Spiel also behalten, wenn ihr beispielsweise weiterhin die Piraten in der Karibik nutzen wollt. Der Fokus bei Infinity 2.0 ist ganz klar das Marvel Universum, sprich The Avengers, Spider-Man und die Guardians of the Galaxy. Neu können mehrere Toybox-Level übrigens verbunden werden, um noch grössere Welten zu erschaffen. Diese Welten zu bauen ist zwar immer noch eine sehr zeitintensive Sache, mit vielen Tutorials und komplizierten Button-Combos. Wer sich aber beispielsweise schon an einem Minecraft versucht hat, wird vor keine grossen Probleme gestellt. Mein Junior kam jedenfalls prima damit zurecht.
Was sich mit Infinity 2.0 leider immer noch nicht verbessert hat ist das langweilige und repetitive Missions-Design. Die Spiele-Welt ist jetzt etwa drei mal grösser als zuvor, gefüllt mit drei mal mehr Quests, die aber leider alle gleich ablaufen. Die grösse der Spiele-Welt wird auch zum Problem, wenn ihr keinen fliegenden Helden spielt. Dann nämlich seid ihr konstant auf der Suche nach einem fahrbaren Untersatz, um damit langsam zum nächsten Marker zu fahren. Das macht nicht wirklich Spass. Auch die Kontrollen sind alles andere als exakt oder direkt und machen euch das Leben mit Doppel-Belegungen unnötig schwer. So werden Superkräfte mit dem gleichen Button ausgelöst wie ein Sprung. Drückt ihr kurz, springt ihr, drückt ihr länger, wird die Superkraft aktiviert. Das ist teilweise echt zum Haareraufen und kostet so manches Bildschirm-Leben.
Die Kämpfe sind ebenso nervenaufreibend, leider im negativen Sinn. Gerade zu Beginn sind selbst kleine Gegner gegen Schaden praktisch resistent. Ihr müsst zuerst den verursachten Schaden via Skill-Tree verbessern... abgesehen davon benötigt ihr nahezu kein Können, um Gegner zu besiegen. Einfaches Knöpfchendrücken reicht völlig aus. Das mag für die Manager-Riege von Disney 'kinderfreundlich' sein, mein 9-jähriger Sohn war jedenfalls ziemlich schnell gelangweilt. Alles in Allem gestalten sich die Kämpfe ziemlich blass und dröge, was bei einem Titel der praktisch nur aus Kämpfen besteht, fast schon ein Todesurteil ist.
Ein weiterer, fetter Negativpunkt: Im Starter-Set von Infinity 2.0 ist nur ein einziges Playset enthalten, nämlich das von den Avengers. Man erinnere sich; Im ersten Teil waren es ganze drei: The Incredibles, Monster Uni und Pirates of the Caribbean. Die Zusatz-Welten zu Guardians of the Galaxy und Spider-Man sind zwar auf der Disk, müssen aber separat und mit echtem Geld nachgekauft werden. Das ist ohnehin einer der grossen Stärken von Disney Infinity 2.0: Es findet immer wieder neue und überraschende Wege euch das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Fazit:
Disney Infinity 2.0 kann den Mund nicht voll genug kriegen. Es will einfach zu viel und kann dabei nur sehr wenig. Das ist schade, denn Potential hätte die Idee und mit dem Marvel Universum sind wir mit Charakteren am Werk, die auch ältere Spieler ansprechen dürften. Wenn da nur nicht die vielen langweiligen Quests wären, oder die mühsame Spielbarkeit, oder die lieblosen Kämpfe gegen dumme KI-Gegner, oder die Tatsache, dass ich mir viele Inhalte (die sich eigentlich bereits auf der Disk befinden) erst mit echtem Geld freikaufen muss. Disney Infinity 2.0 soll für den Publisher die Eier legende Woll-Milch-Sau sein. Und genau das ist das grosse Problem, denn eigentlich sollte es das für den Spieler sein! Für mich und vor allem meinen Sohn war die Luft nach ein paar wenigen Stunden auf jeden Fall raus. Der Grund dafür lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Frust.
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