Ein 10 Meter grosser, furchteinflössender Koloss bedrängt meine Mitstreiter und mich. Während seine Laser immer wieder ins Ziel treffen und wir uns gegenseitig reanimieren, tauchen immer mehr bedrohliche Lakaien auf und erschweren uns das Leben zusätzlich. Die Verzweiflung meiner Kollegen ist in ihren dünnen Stimmen über das Headset deutlich spürbar, die Hoffnung auf einen Sieg schwindet.
Wir sammeln uns kurz, besprechen den Schlachtplan und setzten alles auf eine Karte. Mit dem Maschinengewehr ballere ich auf die Roboterhelfer des Riesen, meine Kumpanen konzentrieren sich voll auf das Ungetüm inmitten des ganzen Chaos. Unser Plan ist aufgegangen, die wilde Horde besiegt. Jubelschreie in meinem Ohr, wildes Tanzen bricht aus. So ergreifend kann Destiny sein.
Es geht aber auch anders. Mit diversen anderen Guardians stehe ich vor einer unscheinbaren Höhle. Sobald sich im inneren des Gewölbes auch nur ein Muskel regt, prasselt ein Feuersturm aus allen Waffen gleichzeitig auf die bemitleidenswerten Aliens ein. Stunden verstreichen und endlich finde ich ein violettes Item, das mich über Level 20 bringen soll. Destiny kann auch grausam sein. Mit seinem fehlerhaften Loot-System und den repetitiven Missionen wirkt es teilweise total uninspiriert. Gleichzeitig kann es sehr erfrischend sein und es wurden kühne Ideen realisiert. Lust und Frust liegen sehr nahe beieinander. Trotz allem kann ich den Controller nicht weglegen.
Bungie, die Macher von Halo und Activision, der Publisher von Call of Duty und anderen Videospielgrössen, haben keine Kosten und Mühen gescheut um ihre Vision umzusetzen. Das Resultat ist ein always online Openworld Shooter. Die Entwicklungskosten beliefen sich, Gerüchten zufolge, auf fast 500 Millionen Dollar. Die Superlative überschlagen sich schon fast. Die Betaphase brach alle Rekorde und das Titellied stammt von niemand geringerem als Sir Paul McCartney. Gamer und Fachpresse schaukelten die Erwartungen gegenseitig hoch und der Medienrummel nimmt auch nach dem Release nicht ab. Allen Vorschusslorbeeren zum Trotz scheint die Community nicht gänzlich zufrieden mit dem Endprodukt. Teilweise sicher zu Recht, doch Destiny hat teils auch mit einer unfairen Erwartungshaltung zu kämpfen.
Als anonymer Guardian seid ihr damit beauftrag die Welt zu retten, glaube ich zumindest. Es ist irgendwie nicht so ganz klar was eure eigentliche Aufgabe ist. Solange auf feindliche Aliens geballert wird… Damit diese Schiessübung nicht ganz sinnfrei ist, wird euer Alter Ego langsam aufgelevelt. Ähnlich wie in World of Warcraft erhaltet ihr für fast alles Erfahrungspunkte. Diese wiederum können investiert werden um eurem Helden neue Fähigkeiten zu spendieren, sei das ein Doppelsprung oder eine blitzende Handgranate. Ausserdem können bessere und effektivere Rüstungsgegenstände und Waffen erst ab einem bestimmten Niveau benutzt werden.
Im Kern ist das die Essenz von Destiny. Auf Gegner schiessen, XP abräumen aufleveln. Ist erst einmal Stufe 20 erreicht, schiesst ihr auf stärkere Gegner um bessere Rüstung zu erhalten. Dadurch ist es möglich zu dem bisherigen Levelcap von 30 zu gelangen. Wenn ihr euch auf Destiny einlässt, müsst ihr dazu bereit sein euch völlig dem Spielsystem auszusetzen. Es ist einfach das Game gleichermassen zu hassen und zu lieben, aber der Drang weiterzukommen nimmt nicht ab. Destiny ist ein Netzwerk, sorgfältig gewoben aus Belohnungen, Rückschlägen und dem Zufall. Geduld und Beständigkeit werden langsam prämiert, doch die Willkür kann extrem frustrierend sein. Wenn sich herausstellt, dass der legendäre Helm dann doch nur ein rares Stück ist, scheint die investierte Zeit vergeudet.
Genug der Schwarzmalerei, schliesslich habe ich seit dem Release schon etliche Stunden mit dem Titel verbracht und möchte nicht zu lange an die schmerzhaften Erfahrungen denken. Grundlegend macht Destiny sehr vieles richtig. Die Shootermechanik funktioniert perfekt, von den Erfindern von Halo war weniger nicht zu erwarten. Auf der PlayStation 4 ist das Spiel eine Liebeserklärung an die Sinne. Audiovisuell ist es ein Meisterwerk. Fremde Planeten haben ausserhalb des Hubble Teleskops noch nie so gut ausgesehen. Mars oder Venus wurden zwar noch nie von einem Menschen betreten, trotzdem wirkt Bungies Vision so echt und authentisch als wären sie auf einem Locationscout dort gewesen.
Der Soundtrack ist nicht minder beeindruckend. Der Orchesterbombast aus den Lautsprechern wäre im Kino genauso zu Hause wie in eurem Wohnzimmer. Videospiel Soundtracks in dieser Qualität sind leider auch heute noch eine Seltenheit. Ebenfalls ein Highlight sind die Soundeffekte. Egal ob es das ohrenbetäubende Knallen des Raketenwerfers oder das beruhigende summen der Gleitfahrzeuge ist. Alles wirkt als müsste es sich genauso anhören. Leider kann ich über die Narration und das Voiceacting nicht dasselbe sagen. Wie schon erwähnt: Der Plot ist in etwa so dünn wie Kate Moss in den 90ern. Während dieser Missstand hauptsächlich dem vorhandenen Skript geschuldet ist, helfen die Darsteller nicht, die Erzählung glaubhaft erscheinen zu lassen.
Diese Kritik muss sich vor allem Peter Dinklage gefallen lassen. Bekannt aus der HBO Serie „Game of Thrones“ in der er den beliebten Charakter Tyrion mimt. In Destiny schlüpft er in die Rolle von Ghost, eurem kleinen, fliegenden Roboterkumpanen der euch mit Rat und Tat zur Seite steht. Dinklage gibt eine flache und enttäuschende Performance ab. Oftmals hatte ich das Gefühl, als hätte er keine Ahnung was er da gerade von sich gibt. Seine Co-Stars wie Bill Nighy und Nathan Fillion sind in ihren Rollen sicher auch verschwendet. Sie schaffen es aber immerhin ihr Gebrabbel glaubhaft rüberzubringen.
Habt ihr vom fliegenden Plagegeist genug gehört, könnt ihr euch im sehr unterhaltsamen Crucible, der PvP Arena von Destiny austoben. Im Moment stehen drei Modi zur Auswahl. Team Deathmatch, Free for all und Control. Der beste der Gruppe ist zweifelslos Control, in dem es gilt Punkte auf der Karte für sich zu beanspruchen und Andere davon fernzuhalten. Belohnungen, welche im Multiplayer herausgespielt werden, übertragen sich natürlich auch auf die Kampagne. Somit bietet der Crucible eine ausgezeichnete Abwechslung zu den sich immer wiederholenden Missionen.
Mit Halo hat Bungie den Multiplayer auf Konsolen etabliert und revolutioniert. An diese vergangen Erfolge kann der PvP Modus in Destiny nicht anknüpfen. Es fehlt im Moment noch an grundsätzlichen Dingen. Eine Lobby ist genauso inexistent wie die Möglichkeit für die nächste Map abzustimmen. Ob und wann die Mängel behoben werden bleibt abzuwarten.
Fazit:
Perfekt ist Destiny (noch) lange nicht. Die gute Nachricht ist aber, viele der Fehler könnten mit Updates und neuem Content ausgemerzt werden. Bungie und Activision haben verlauten lassen, dass sie die Marke über Jahre hinaus unterstützen möchten. Wie viel der User dafür investieren muss ist nicht bekannt und da tappen diese Giganten der Industrie in eine heikle Situation. Im Moment ist Destiny ein durchaus unterhaltsames Konzept. Es versteckt sich allerdings noch viel Potential im Spiel. Es bleibt abzuwarten wie genau und wie häufig neuer Content nachgeliefert wird. Entscheidend ist aber der Preis der verlangt wird um die Updates auch zu bekommen. Fällt der zu hoch aus oder wird dafür zu wenig geliefert, könnte das der Untergang für Destiny bedeuten. Falls sich Publisher und Entwickler aber clever anstellen könnte der Titel tatsächlich über Jahre hinaus relevant bleiben.
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