Der Schnee bläst mir unerbittlich ins Gesicht, während ich durch die gefrorene Landschaft stapfe. Der blutrote Mond von Tau Volantis leuchtet bedrohlich auf mich herab. Meine Munitionsvorräte neigen sich dem Ende zu, nur noch ein kleines Medpack steht mir zur Verfügung. Die Nerven liegen blank, der Plasmacutter ist gezückt. Etwas regt sich im Schnee vor mir, eine groteske Kreatur ragt aus dem ewigen Eis empor und lässt mir das Blut in der Adern gefrieren. Der Finger drückt den Abzug, doch ich höre nur ein leises klicken, keine Munition.
Willkommen in der Welt von Isaac Clarke, willkommen in Dead Space 3. So wird es euch in den späteren Kapiteln des Abenteuers ergehen, doch ich habe der Spannung wegen ein wenig vorgegriffen. Der neue Abschnitt in Isaacs geplagtem Leben fängt verhältnismässig beschaulich an. In einer lunaren Kolonie namens New Horizons, die in vielerlei Hinsicht an Blade Runner erinnert, hat es sich unser Held gemütlich gemacht und fristet sein Dasein. Bis eines Tages zwei Space Marines an seiner Türe klopfen. John Carver und Robert Norton wissen von Isaacs vorherigen Erfahrungen mit den mystischen Markern , welche die Menschheit wiederholt bedroht hatten, und sie brauchen seine Hilfe. Widerwillig lässt sich der Ingenieur zu einer letzten Mission überreden und ehe man es sich versieht kämpft man in den Strassen gegen Fanatiker der Unitoligy Kirche. Ungewöhnliche Gegner für einen Dead Space Titel, doch man dachte sich wohl, dass Soldaten in anderen Games auch funktionieren, also warum nicht bei diesem.
Kurz wird man in das neue Coversystem eingeführt um die Soldaten zu beseitigen. Das Ganze ist solide gemacht, fügt sich aber nicht natürlich in die Gefechte von Dead Space ein. Traditionell kämpft der wohl glückloseste Ingenieur der Welt auf sehr engem Raum und jeder Necromorph der etwas auf sich hält brennt nur darauf, sich auf Isaac loszustürzen. Es ist ein Teil vom Horror, dass Gegner euch so nahe kommen und die spitzen Gliedmassen nur darauf warten etwas aufspiessen zu können. Der Terror ist am grössten wenn es keinen Ausweg gibt, das trifft auf die Anfangsphase des Spiels leider nicht zu. Action wird grossgeschrieben.
Wo Action ist, sind meist klassische Bösewichte nicht weit. Bei Dead Space 3 ist euer Hauptwidersacher schnell ausgemacht, in einer Lobby der Unitoligy Kirche trifft Isaac das erste Mal in der Form einer Videobotschaft auf ihn. Der Anführer der Kirche, Jacob Danik, stachelt seine Jünger an Isaac in den ewigen Ruhestand zu schicken, da er für die Zerstörung einer Handvoll Marker verantwortlich ist. Der Marker wiederum ist ein antikes Artefakt, dass schier unendliche Energien bündeln kann - mit dem bescheidenen Nebeneffekt, dass alle wahnsinnig werden die sich in der Nähe befinden.
Nachdem Isaac Clarke von der lunaren Kolonie flüchten konnte finden wir uns in einer vertrauten Umgebung wieder - dem Weltraum. Dankbar nehme ich den Szenenwechsel an, die Unitoligy Terroristen werden durch Necromorphs ersetzt. Die urbanen Schlachtfelder machen den klaustrophobischen Korridoren eines heruntergekommenen Raumschiffs Platz, man fühlt sich schon fast wie zu Hause.
Visceral Games hat viel in die Gesichtsanimation und Cinematics investiert und die Ergebnisse sind spektakulär. So ist es nicht überraschend, dass Isaac den grössten Teil des Abenteuers ohne seinen Helm bestreitet; die Entwickler wollen ihre Arbeit zeigen. Im ersten Teil mussten wir bis zum Schluss warten um das Gesicht von Isaac zu sehen. Damals war er auch noch stumm, was meiner Meinung nach erheblich zur Atmosphäre beitrug.
Doch nicht nur den Gesichtern wurde erhebliche Aufmerksamkeit geschenkt. Der Übergang von Cinematics und Gameplay ist weicher denn je. Der Schnee auf Tau Volantis sieht atemberaubend aus und die daraus entstehenden Animationen nimmt man dem Ingenieur vollends ab. Das Sounddesign möchte ich ebenfalls positiv erwähnen. Die beunruhigenden und verstörenden Geräusche die aus jeder Spalte zu hören sind haben mich oft zusammen zucken lassen. Auch die Sprachausgabe ist gelungen. Zwar ist das was von den Charakteren von sich gegeben wird nicht sehr interessant, aber gut umgesetzt.
Den Job Titel Isaacs hat man bei Visceral diesmal wohl zu wörtlich genommen. Sobald der Held die CMS Raonoke erreicht muss er sich gleich mit Reparaturen beschäftigen. Geläufige Aufgaben wie Generatoren wieder zum laufen zu bringen oder verschiedenen Einzelteile eines Geräts zu finden ist Beschäftigungstherapie für einen Superhelden. Doch wenn dieser Superheld Ingenieur ist, stellt man sich so seinen Alltag vor, mal ausgenommen von den grässlichen Necromorphs an jeder Ecke. Dennoch kann Dead Space phasenweise wie ein fordernder Vorarbeiter wirken, da diese Aufgaben ad infinitum ausgeführt werden müssen.
Erhebliche Änderungen wurden am Waffensystem angebracht. Anstatt wie bisher die Waffen mit dem aufgesammeltem Geld zu kaufen, müssen nun Rohstoffe gefunden werden um selber einen Hybrid zu fertigen. Einigen Spielern werden sich an dem Konzept stören, doch ich fand es erfrischend, selber zu tüfteln und eine Waffe, die auf meine Spielweise zugeschnitten ist zu basteln. Ausserdem fördert dieses System wieder ein wenig den Survival Gedanken, welcher der Serie ansonsten leider abhanden gekommen ist. Hinzukommt, dass in einer postapokalyptischen Umgebung der Einsatz von Geld nicht viel Sinn macht.
Eine weitere Änderung ist der Entscheid von Visceral, die Kampagne auch zu zweit bestreiten zu können. Dies macht aus Dead Space 3 wohl endgültig eine Actionserie und leider blieb man den Wurzeln der Serie nicht treu. Viele werden das actionorientierte Gameplay begrüssen, doch ich gehöre zu der Sorte, die Dead Space wegen des Survivalhorrors zu schätzen gelernt hat. Dazu muss ich aber sagen, dass der Titel aussergewöhnlich gut auf einen zweiten Mitspieler zugeschnitten ist. Die Hilfe in den letzten Kapiteln, wo sich die Necromorphs haufenweise auf Isaac und John stürzen kann man gerade bei höheren Schwierigkeitsgraden gut gebrauchen. Durch John Carvers Präsenz werden auch neue Missionen spielbar, die ein wahres Highlight von Dead Space 3 sind. Leider wurden diese nicht in den klassischen Singleplayer Modus implementiert.
Fazit:
Es gibt einige atemberaubende Momente in Dead Space 3, gerade die Missionen in völliger Schwerelosigkeit vermögen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und machen die ewigen Reparaturen ein wenig vergessen. Doch die Kampagne ist mit über 20 Stunden einfach zu lang und man sehnt sich nach einer Weile förmlich nach dem Ende. Zu monoton sind die Aufgaben, zu hanebüchen die Story um mich so lange fesseln zu können. Dead Space 3 hätte selbst ein wenig strategische Zerstückelung vertragen. Vor allem von einem Entwickler, der weiss, wie man überflüssige Gliedmassen abtrennt.
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