Während Resident Evils Erfolg Capcoms Kassen füllt, wurde ihre andere Zombie Franchise trotz drei Fortsetzungen eher stiefmütterlich behandelt. Fans schauen seit 2016 in die Röhre. Im aufgemotzten HD-Remake schlüpfen wir nun endlich wieder in die Rolle des Fotografen und Untoten Dezimierer Frank West und zerpflücken reihenweise Zombies, als wären es eine riesige Piñata.
Als unabhängiger Reporter hat man freie Bahn. Kein lästiger Chefredakteur, der einem die Deadline vor die Nase hängt oder neidische Kollegen, die einem in die Recherche grätschen wollen. Auf einen anonymen Tipp hin, dass im amerikanischen Städtchen Willamette in Colorado irgendetwas Grosses im Busch sein sollte, leiht sich Frank West auf eigene Kosten einen Heli samt Piloten, um dem Gerücht auf den Zahn zu fühlen. Zum Glück, denn auf dem Hinflug dorthin sind alle Zufahrtsstrassen vom Militär blockiert. Schnell merkt Frank, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Einwohner torkeln wie benommen durch die Strassen und attackieren scheinbar wahllos andere Mitbürger. Willkommen in der Anfangsphase der Zombieapokalypse.
Nach einer kurzen Verfolgungsjagd, in der Frank und sein Pilot von drei Army Hubschraubern drangsaliert werden, lassen wir uns sicher auf dem Dach der ortsansässigen Mega Mall absetzen und sind vorerst aus der Gefahrenzone. Im Sicherheitsraum des Einkaufszentrums treffen wir auf einige Überlebende. Dies ist auch die einzige Örtlichkeit, in der wir garantiert auf keinen Zombie stossen, manuell abspeichern und die Zeit vorspulen können. Auch lassen sich im Spind unterschiedliche Kostüme wechseln. So latschen wir z.B. als Street Fighter Ken durch die Gänge oder verpassen uns einen Mega Man Look. Unterwegs lassen sich weitere Accessoires in den verschiedenen Kleidershops einsacken. Die freundliche Jessica McCarney dient als allgemeine Ansprechperson. Wie sie uns mitteilt, warten 50 Nicht-Infizierte über die ganze Shopping Mall verteilt auf Rettung.
Als Kante aus Prinzip und mit der Chance auf die Story des Jahres willigt Frank ein. Ihm bleiben jedoch nur 72 Stunden, bis er von seinem Miet-Piloten mit dem Heli wieder abgeholt wird. Die 72 Stunden Ingame Time belaufen sich laut meiner Google-Suche auf umgerechnet 7.2 Stunden Realzeit. Was auf den ersten Blick nach wenig klingt, macht im Lauf des Main Games absolut Sinn, da wir im ersten Durchlauf kaum den perfekten Run schaffen. Jessica dient in Dead Rising als Missionsgeber.
Sogenannte "Cases" müssen in einem bestimmten Zeitraum abgearbeitet werden. Wir raten euch immer, die Hauptmissionen zu favorisieren und nicht ablaufen zu lassen. Ansonsten werden wir von den folgenden Cases ausgeschlossen und wir haben nur noch Zugriff auf die Sidequests bis zum Ende des Timers und keine Chance auf das wahre Story Finale.
Sobald wir die Mall betreten, sind wir auf uns alleine gestellt. Die Infektionsrate hat ihr bestes getan und gefühlt 99% der Bevölkerung fristen ihr zukünftiges Dasein als wandelnde Leichen. In der Eingangshalle angekommen, schlurfen bereits gefühlt 200 Zombies herum. Mit ein paar kräftigen Schwingern haut Frank die ersten paar Untoten ins Jenseits. Wir krallen uns eine Sitzbank und zerlegen gleich ein halbes Dutzend Fieslinge. Nach ein paar weiteren Angriffen zerbricht das Holzmöbel. Ein bisschen weiter hinten blitzt ein Baseballschläger auf. Mit einem kurzen Spurt erreicht Frank die Schlagwaffe. Mit saftigen Hieben bilden wir uns eine Gasse, um eine Treppe zu erreichen, die uns in den Food Court führt. Frank wurde bereits zweimal angeknabbert und unsere Lifebar befindet sich in einer kritischen Phase. Im ansässigen Steakhouse entdecken wir ein paar Flaschen Wein, die uns komplett die Energieleiste auffüllen. Trotz des anfänglich spärlichen Inventarplatzes, stecken wir uns eine weitere Flasche ein. Man weiss ja nie.
Mehrheitlich sind wir zu Fuss unterwegs. Schlaue Survival Fotografen schnappen sich im Sports Store ein Skateboard und düsen in gefühlt dreifacher Geschwindigkeit durch die Korridore. Frank kann beinahe jeden Gegenstand als Waffe nutzen. Töpfe, Bargeldkassen, Holzlatten, Eisenstangen, Schlagstöcke, Katanas, Pistolen, Schrotflinten, SMGs, Schaufensterpuppen, Plüschbären, Sensen, Seelachs, Briefkasten, Fahrrad, Boomerang, Kaktus, Speiseteller, CDs, Kettensäge und etwa noch 120 weitere Schlaginstrumente laden zum Austoben ein. Gewisse Waffen gönnen uns einen zusätzlichen Prestige-Points-Bonus. Diese als XP getarnte Gewinnausschüttung wandert direkt auf die Erfahrungsleiste und boostet jeweils bei jedem Levelaufstieg random ein bestimmtes Attribut wie mehr Gesundheit, neue Ausweich-Moves, höhere Schlagkraft oder zusätzliche Inventarslots.
Ein Killcounter zeigt uns stets an, wie viele Schurken bereits neutralisiert wurden und auch hier werden uns regelmässig PPs ausbezahlt. Neben dem ganzen Zombie Vermöbeln und Psychopathen verhauen, darf aber Franks Hauptberuf nicht vergessen werden. Er ist in erster Linie immer noch Fotojournalist. Wir schalten in den Fotomodus und klicken uns die Finger wund. Je besser der Zombie-Schnappschuss, desto mehr PPs werden generiert. Für besonders effektive Bilder kann die Ausschüttung schon mal bei mehreren tausend Punkten liegen. Mit separaten Upgrades wie Helligkeitsregler und besserem Zoom holen wir noch mehr aus unseren “Models”.
Wie schon erwähnt liegt das Hauptaugenmerk der Story auf das Retten der Überlebenden. Nach einem kurzen Dialog folgen uns die Survivors. Per simplen Befehl lassen wir sie an einem bestimmten Punkt warten oder ordern an, uns zu folgen. Zusätzlich statten wir unsere Sidekicks mit Waffen aus oder päppeln sie mit Food Items wieder hoch. Sobald wir die Sicherheitszentrale erreicht haben, sind unsere Anhängsel safe. Stirbt jedoch einer unsere Schützlinge unterwegs, verlieren wir nicht nur die erhofften PPs, im schlimmsten Falle mischt sich unser ehemaliger Überlebender als Infizierter unter die Zombiemeute. Manche Survivors sind jedoch ein wenig starrköpfig. Zwei Teenager verbarrikadieren sich in einem Kosmetikshop und müssen zuerst mit ein paar saftigen Schellen überzeugt werden, dass wir keine Gefahr, sondern deren Rettung sind. Ein korpulenter Vielfrass will sich uns erst anschliessen, wenn wir ihm was zum Essen besorgen. Infos über deren Aufenthalt erhalten wir von Jessica und anderen NPC Kollegen. Diese können im Missionsmenü studiert und markiert werden.
Regelmässig werden wir von der Sicherheitszentrale angefunkt. Hier wurde eine mysteriöse Gestalt auf der Überwachungskamera gesichtet oder dort bilden sich tumultartige Szenen, deren Ursache eruiert werden sollte. Nicht immer deuten die Hinweise auf einen Survivor hin, da kann man schon mal über einen Psychopathen stolpern. Diese optionalen Minibosse terrorisieren neben den schon nervenden Zombies die restliche Population. Ein wildgewordener Party Clown mit Kettensäge stellt sich uns in den Weg. Eine falsche Polizistin misshandelt ein Entführungsopfer mit Elektroschocks und wir greifen ein. Mehr als 12 dieser Wahnsinnigen rennen in Dead Rising herum und sorgen für actionreiche Abwechslung und das eine oder andere Extra.
Wer sich ein wenig abseits des Storymodus auf das Erforschen der Mall einlässt, findet eventuell das eine oder andere Geheimnis, das wir hier natürlich nicht verraten. Nach dem ersten Durchgang, übernehmt ihr im New Game Plus sämtliche Levelaufstiege und Boni, sämtliche Waffen und Items müssen aber abgegeben werden.
Fazit:
Dead Rising Deluxe Remaster erinnert mich an die Zeiten, wo noch Spielspass und unkonventionelle Ideen im Vordergrund standen und nicht Monetarisierung bis zum Abwinken und dämliches Life Service Gedöns. Frank's Zombie-Marathon ist sinnfreie Unterhaltung vom Feinsten. Zwar merkt man das Original-Gerüst um den schicken HD-Umbau herum immer noch, was besonders bei gewissen Bossfights mit ihren reduzierten Animations-Sets auffällt. Inhaltlich verspricht Dead Rising aber eine blutige Zombie-Sause, wie es sich jeder B Movie-Fan wünscht. Das Einkaufszentrum Setting mit dem Dawn of the Dead Flair (übrigens mein Lieblings Zombie Movie) ist schon einmal sympathisch. Die unglaubliche Waffenauswahl und durchgeknallten Psychopathen Fights lassen das Action-Herz höher schlagen. Sogar die komplett schräge Story weckte in mir mehr Interesse, als die meisten banalen Geschichten der AAA-Riege. Auch wenn das Game einige Roguelike Züge aufweist, sind die Checkpoints grosszügig verteilt und wenn alle Dämme brechen, kann man immer noch auf den manuellen Save zurückgreifen. Im ersten Durchgang sind mir mindestens die Hälfte der Überlebenden durch meine Inkompetenz abgeschmiert. Doch dieser Lerneffekt zahlte sich beim nächsten Run aus, wo ich dann bis zu 8 Survivors gleichzeitig im Schlepptau anführte und die PP-Kasse klingelte, als wären wir in Las Vegas. Ein paar unnötige Längen, wie der letzte Zombie verseuchte Abschnitt vor dem Sicherheitsbüro oder das teils nervige Backtracking, hätte man noch ausmerzen können, fallen aber nicht zu sehr ins Gewicht. Capcom liefert mit Dead Rising Deluxe Remaster erneut überdurchschnittlichen Fan Service ab und hat bereits angedeutet, dass bei kommerziellem Erfolg die Chancen für ein Remake von Dead Rising 2 sehr gut stehen.
Dead Rising Deluxe Remaster ist für PS5, Xbox Series X|S und den PC erschienen. Wir haben uns das Spiel auf der PS5 angeschaut. Das Test-Muster stammt von Capcom, wofür wir uns herzlich bedanken!
Comments