Crysis – eines der ganz grossen, PC exklusiven Spiele des letzten Jahrzehnts. Mit der Ankündigung, den Nachfolger auch für die aktuelle Konsolengeneration auf den Markt zu bringen, versetzte Crytek so manchen Fan des Vorgängers in Sorge; eine berechtigte Sorge?
Eine Konsolenportierung bringt mehr Absatzmöglichkeiten, der PC-Spieler musste die vergangenen Jahre aber viel Rückschritt ertragen; aufgrund eben solcher Veröffentlichungen. Einmal mehr ist der Kassenschlager der Konkurrenz (wir reden von Call of Duty) das perfekte Beispiel für diese Konsolisierung. Statt weiter, offener Levels bewegen wir uns wie auf Schienen; der Begriff Railshooter wurde begründet. Die Steuerung wird Pad-Angepasst und bietet oft weniger Freiraum. Wie Crytek diesen Spagat hinkriegen will, war fragwürdig.
Doch erst einmal zu Crysis. Was ist Crysis? Das Aushängeschild der Marke ist der Nanosuit. Dieser schafft uns die Möglichkeit, selbst Rambo mit Leichtigkeit in den Allerwertesten zu treten. Mit genügend Extrapower wischen wir mit Aliens und Co. den Boden auf. So wird auf Knopfdruck schneller gerannt, Unsichtbarkeit aktiviert, Superstärke oder ganz einfach dem Körper eine Panzeroberfläche spendiert. All diese Fähigkeiten saugen an der anzugseigenen Energie und stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Sie bieten aber eine unheimliche taktische Tiefe im Kampfgeschehen, die es sonst bei keinem der Konkurrenztitel gibt. Der Nanosuit ist klar der Star dieses Spiels.
Spielte man vor Jahren noch auf einer malerischen Insel, verschlägt es den Helden jetzt ins apokalyptische New York der nahen Zukunft. Ein mysteriöser Virus macht den Menschen zu schaffen. Als ob das noch nicht reichen würde, sind einmal mehr die bösartigen 'Ceph' Aliens mit im Spiel, welche den Erdlingen auf die Pelle rücken wollen. Hört sich alles nach einer belanglosen Ego-Shooter Story an, wird aber packend und meist plausibel präsentiert. So bietet sich eine mitreissende Erfahrung, die es in diesem Masse nicht auf der zuvor erwähnten Insel gab.
Spielt man Crysis 2 unter Kenntnis des Vorgängers, bleibt das Staunen ob der superben Grafik weg. Von der gigantischen Level-Freiheit dürfen wir uns auch verabschieden. Gleich zu Beginn sehen wir die Freiheitsstatue nicht weit entfernt und nur durch Wasser getrennt. Also gleich mal ins kühle Nass gehüpft und rüber geschwommen. Nach wenigen Metern hält uns eine unsichtbare Wand auf - Welcome Railshooter denken wir uns. Wo wir gleich beim Wasser sind; selbst das Wasser im Brunnen drin bietet nicht die grafische Sensation, die der komplette Ozean aus Teil eins noch vorzuweisen hatte. Zu guter Letzt trennen wir uns geistig von der Möglichkeit, immer und überall zu speichern. Checkpoints olé, Konsolenspieler kennen es nicht anders, PC Gamer müssen es nicht verstehen. Wenigstens sind die Speichermöglichkeiten meistens relativ gutmütig gesetzt und lassen keine Frustattacken zu.
Leser des letzten Abschnittes stellen fest, Crysis zwei ist ein Griff in die Tonne? Komplett falsch. Einzig Kenner des Windows Vorgängers fühlen sich technisch 5 Jahre in der Spiele-Zeitrechnung zurückversetzt. Für Konsoleros fährt Crysis 2 die beste Grafik auf, die wir bis jetzt auf dem heimischen Fernseher bestaunen durften. Ein audiovisuelles Feuerwerk erwartet den Spieler in knapp einem Dutzend Kampagnen-Stunden. Details wie am Boden rumlungernde Kriechtiere, bezaubernde Lichteffekte oder Blätter in den Bäumen, die durch den Wind in ständiger Bewegung bleiben, laden zum Sightseeing ein. Im Gegensatz zum Activision Konkurrenten bewegen wir uns verhältnismässig frei durch die Ruinen von New York. Selten gibt es nur einen Weg zum immer markierten Ziel. Der Preis für diese Grafikpracht im Zusammenspiel mit grösseren Weg-Freiheiten ist eine nicht immer stabile Framerate. Entschädigt werden wir durch Action an jeder Ecke. Hubschrauber fliegen durch die Häuserschluchten über uns hinweg; mit 5.1 Sound sind wir mitten drin statt nur dabei. Dazu kommt der phänomenale, orchestrale Soundtrack von Star-Komponist Hans Zimmer (Gladiator), der wirklich gar nichts zu wünschen übrig lässt.
Die Steuerung wurde, wie zu erwarten war, ebenfalls an das Joypad angepasst. Die verschiedenen Nano Suit Fähigkeiten müssen nun nicht mehr einzeln über ein Menü aktiviert werden, sondern lassen sich direkt durch einen Buttondruck ein- und ausschalten. Ob das gut oder schlecht sei, darüber streiten sich die Fans. Uns gefiel die Änderung, das ganze Geschehen wird flüssiger und weniger holprig.
Crysis 2 punktet wie bereits der Vorgänger mit einer meist hervorragenden KI. Wenngleich jene den einen oder anderen Aussetzer hat und Gegner völlig verwirrt stehen bleiben, weiss die Intelligenz der Polygonfeinde mehrheitlich zu überzeugen. Zu guter Letzt liegen in den Levels noch diverse Waffenupgrades und Anzugsverbesserungen rum, die wir selbstverständlich gerne nutzen. Interessant ist, dass die Suit-Upgrades auch beim nochmaligen Spielen von bereits abgeschlossenen Levels vorhanden bleiben und somit der Wiederspielwert deutlich erhöht wurde. Jäger und Sammler erfreuen sich an unnützen Souvenirs die verteilt über die ganze Stadt aufzuspüren sind.
Apropos Wiederspielwert; einen Onlinemodus darf natürlich auch bei Crysis 2 nicht fehlen. Nicht verwunderlich aber, dass jener derzeit durch Suitfähigkeiten dominiert wird. Das ist anders und macht grundsätzlich Spass. Ob die Community dem Titel aber langfristig die Treue halten wird, bleibt abzuwarten.
Fazit:
Obschon mich Crysis technisch enttäuscht, begeistert mich der Titel audio-visuell. Das ganze Spiel wirkt wie aus einem Guss. Stetig werde ich von der adrenalintreibenden Action weitergetrieben. Dadurch bleibt auch weniger Zeit, mich über technische Schwächen zu ärgern. Bei akutem Actionoverkill auftretende Slowdowns sind nicht schön, tun dem fantastischen Gesamtbild aber keinen Abbruch. Für Konsolenspieler steht hier der beste Egoshooter seit Jahren im Handel zum Kauf bereit. Einzig eine enorme Abneigung gegen Actionspiele, Aliens oder gelegentliche Framerate-Einbussen verhindern eine Geldausgabe. Alle anderen kaufen bereits jetzt einen hochkarätigen game-of-the-year Anwärter.
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