Microsoft braucht dringend gute, exklusive Spiele – so der einstimmige Tenor der Xbox-Fans in den letzten zwei Jahren. Nun es gab auch einige, aber einfach viel zu wenige. Zum Glück gibt es jetzt Nachschub, denn nach fast fünf Jahren Entwicklungszeit ist Crackdown 3 endlich da und macht eine bessere Figur als erwartet.
Eigentlich hätte Crackdown 3 bereits 2016 erscheinen sollen, wenn es nach Phil Spencer gegangen wäre. Dieser hatte das Spiel zwei Jahre zuvor an der E3 2014 vorgestellt, zusammen mit einer Cloud-Computing-Lösung, die die nötige Rechenarbeit für die immense Zerstörung im Spiel übernehmen sollte. Es sollte sich alles zerstören lassen, nicht nur Autos und andere Fahrzeuge, sondern ganze Häuser, Brücken, sogar Wolkenkratzer!
Der Umfang der Zerstörung wurde dem staunenden E3-Publikum in einer eindrücklichen Demo vorgeführt. Natürlich ging mit diesem Feature auch die Always-Online Philosophie einher, die später für einen riesen Shitstorm sorgte. Verantwortlich für die Entwicklung der Cloud-Lösung war Cloudgine, eine Software-Firma, die sich auf genau solche Anliegen spezialisierte. Aber nach dem Always-Online-Debakel und der Requirierung von Cloudgine durch Epic Games wurde Crackdown 3 mehrfach verschoben, hing oft in der Luft. Zuerst sollte es im November 2017, dann im zweiten bzw. dritten Quartal 2018 und schliesslich im Februar 2019 erscheinen. Die angekündigte Zerstörungsorgie ist es schlussendlich nicht geworden, schreienden "Fans" sei dank. Die Zerstörung kommt nur noch im Online-Modus zur Geltung, der sogenannten Wrecking-Zone. Die Kampagne muss ohne zerbröselnde Wolkenkratzer auskommen, da diese jetzt sowohl on- als auch offline gespielt werden kann.
Crackdown 3 spielt rund zehn Jahre nach den Ereignissen in Crackdown 2. Nach einem Terror-Angriff, welcher die Stromversorgung der ganzen Welt lahm legt, findet „Die Agentur“ schnell den Ursprung allen Übels; eine mysteriöse Organisation namens Terra Nova, geleitet von der skrupellosen Elizabeth Niemand. Deren Spur führt in die Grossstadt New Providence. Die Neon-Metropole wird von Terra Nova kontrolliert, die Bevölkerung mit Fake-News hinters Licht geführt, mit der Droge „Moonshine“ gefügig gemacht, ausgebeutet und zu allem Übel wird dank Terra Novas Industrie auch noch die Umwelt verschmutzt. Wir lassen das so natürlich nicht auf uns sitzen und kümmern uns in einer rund 15 Stunden langen Kampagne um die Drahtzieher hinter all dem Chaos - entweder solo oder online mit einem Freund im KoOp-Mode.
Elizabeth kontrolliert ihre Stadt mit eiserner Hand und mit Hilfe ihrer sieben loyalen Lieutenants. Die Aufgabe besteht nun darin, jeden einzelnen der drei Geschäftszweige von Terra Nova (Industrie, Sicherheit und Logistik) auszuhebeln, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Jeder Zweig wird von einem oder mehreren Lieutenants geleitet, deren Aufenthaltsort wir aber erst ermitteln müssen. Das läuft ähnlich wie in Just Cause: Möchten wir beispielsweise den Chef der Industrie-Division beseitigen, müssen wir zuerst deren Fabriken angreifen und möglichst viel der Infrastruktur zerstören. Mit zunehmendem Chaos-Level sehen wir uns immer stärkeren Feinden gegenüber, sacken aber mehr und mehr Hinweise ein, wo sich der oder die Schurken aufhalten. Dann folgt der Bossfight und die Liberalisierung der jeweiligen Region auf der Karte. Nebenbei befreien wir Rebellen aus Gefängnissen, erobern Kontrollpunkte, erklimmen dutzende Funktürme (in einem nervenaufreibenden Jump-n-Run Part) und zerstören alle Moonshine-Bars. Das alles stärkt unsere Revolutionsbewegung und wir erhalten mehr und mehr Unterstützung von der Bevölkerung – in Worten und in Taten.
Unser Super-Agent schiesst, fährt, springt von Hausdach zu Hausdach und jagd Dinge in die Luft, wobei er für jede dieser Aktionen spezielle Erfahrungspunkte sammelt, die entsprechende Werte verbessern (Agilität, Stärke, Schusswaffen, Sprengstoff, Erforschung, Fahren). Wer viel ballert, wird im Schiessen besser, wer häufig Autos durch die Luft schmeisst oder Gegner im Nahkampf erledigt, wird immer stärker, und wer viel Auto fährt…. naja, ihr könnts euch denken! Noch mehr Erfahrungspunkte gibt es für das Erledigen aller möglichen Bonus-Aktivitäten. Wie bereits in früheren Teilen sind das vor allem Rooftop- und Auto-Rennen, Stunt-Ringe und das Sammeln der ikonischen, grünen Orbs (und der blauen, versteckten Variante davon). Der Sound-Effekt beim Einsammeln der Leuchtkugeln ist übrigens immer noch der Gleiche, sehr gut! Gerade die Jagd nach diesen Orbs macht viel von der Faszination eines Crackdown aus und ist gleichermassen motivierend und spassig wie eh und je. Sie sind meist an besonders kniffligen Orten versteckt und verbessern die Charakterwerte besonders effektiv. So schalten wir bald auch Schubdüsen, einen Doppel- und Triple-Jump frei, oder verringern den Fallschaden, was das Erkunden der weitläufigen und vertikalen Umgebungen zunehmend angenehmer macht. Dass Crackdown 3 sich mit seiner punktgenauen, stets präzisen Steuerung ausgesprochen gut spielt, trägt massgeblich zum Spielspass bei. Die Kontrollen sind ein Traum und dank der Option, Sprünge und Schubdüsen mit Stick-Klicks zu aktivieren, muss man die Daumen nie von den Thumb-Sticks nehmen.
Die Erkundung der Welt motiviert nicht zuletzt dank eines weiteren, neuen Features; Der Agentur-Wagen besitzt neu drei Transformationsstufen. Form 1: Der Rennwagen, für Highspeed Verfolgungsjagden und Mördersprünge. Form 2: Die Spinne, mit 4Wheel-Drive, Sprung-Option und magnetischen Rädern, mit deren Hilfe wir sogar Hauswände empor fahren können. Form 3: Der Panzer, mit extra fetten Kanonen und extra langer Lebensleiste, da kommt Freude auf! Überhaupt ist das ganze Spiel voll auf Spass getrimmt, ebenso die Waffen. Mit dem ideenreichen Waffen-Arsenal verschiessen wir Kugeln, Laser, Feuer, Elektrizität, Plasma oder gar Säure. Unser Agent kann stets drei Schusswaffen und eine Granaten-Art mit sich tragen. Die Ausrüstung wird an eroberten Kontrollpunkten jederzeit geändert. Wer sich auf die Suche nach versteckter Agenten-DNA begibt, schaltet zusätzliche Agenten frei, jeder mit speziellen Fähigkeiten. Diese werden ebenfalls über das Ausrüstungsmenü ausgewählt bzw. gewechselt. Das tolle ist, dass die Spielstände in Welt- und Agenten-Saves unterteilt sind. Man könnte also jederzeit einen neuen Agenten-Save mit den bereits gesammelten Erfahrungspunkten aus dem Welt-Save erstellen und so nochmal gestärkt ganz von vorne beginnen. Das ist noch besser als ein "New Game Plus".
Technisch hat mich Crackdown 3 überzeugt - im Singleplayer. Die Ladezeiten sind kurz, es sieht hübsch aus, läuft stets flüssig (konstante 30fps bei 4k auf Xbox One X). Die Weitsicht ist traumhaft, mit nur minimalen Pop-Ins... echt alles sehr sauber. Mir sind auch keine Bugs aufgefallen – wie das in letzter Zeit bei anderen Triple-A Spielen leider immer häufiger der Fall ist. Besonders gut fand ich die wuchtigen Sound-Effekte. Die Ballerei macht einfach noch viel mehr Bock, wenn es so richtig rumst!
Wie sieht es denn im Multiplayer-Modus aus?
Leider nicht so berauschend. Zehn Agenten bekämpfen sich in zwei 5er-Teams auf einer Handvoll Karten und in einer ebenso überschaubaren Anzahl Game-Modi. Soweit so bekannt. Das grosse Feature hier; die Zerstörung und die Cloud. Letztere soll laut Microsoft Crackdown 3 zu noch nie dagewesenen Zerstörungs-Orgien verhelfen, mit physikalisch korrekt einstürzenden Objekten und allem Pipapo. Die Cloud übernimmt die dafür notwendige Rechenarbeit und sei so stark wie 10 Xbox One Konsolen. Komplette Maps sollen sich zerlegen lassen. Gut, ansatzweise ist das richtig. Tatsächlich lässt sich eine Vielzahl an Gebäuden und Objekten zerstören und sie stürzen auch einigermassen physikalisch korrekt zusammen. Jedoch sah das alles an der E3 2014 viel besser aus. Optisch sind wir im aktuellen Spiel weit vom ersten Präsentationsvideo entfernt und als Alleinstellungsmerkmal kann das Ganze in dieser Qualität auch nicht herhalten. Denn bereits vor 10 Jahren erschien ein Spiel, dass die Zerstörung mindestens ebenso spektakulär präsentierte, wie jetzt Crackdown 3. Die Rede ist von Red Faction: Guerilla (welches übrigens 2018 als Remaster erschien). Überzeugt bin ich von der Cloud-Power noch nicht und auch ich muss leider das Wort „Downgrade“ bemühen.
Was mir ebenfalls bitter aufgestossen ist: Online läuft Crackdown 3 praktisch nie wirklich flüssig und wird von Framepacing- und Streaming-Problemen geplagt. Es scheint fast so, als würde die Cloud das Spiel ausbremsen, negativ beeinflussen. Ein unschönes Dauerruckeln ist die Folge und ich hab hier eine sauschnelle Glasfaser-Leitung, an mir kann es also nicht liegen.
Zu den technischen Problemen gesellt sich der traurige Fakt, dass Crackdown 3 online einfach keinen Spass macht. Ständig wird einem der Boden unter den Füssen weggeballert, man versucht sich dann unbeholfen auf die nächste Plattform zu retten. Kurz bevor wir die erreichen, zerbröselt sie auch schon vor unseren Augen, wir stürzen in die Tiefe. Da man im Sprung nur zweimal Boosten und zweimal die Schubdüsen verwenden kann, wird man in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dann das gruselige Dauergeruckel, wie soll man sich noch auf einen Feind konzentrieren oder gar richtig zielen? Das haben die Entwickler wohl auch gemerkt und spendieren allen Teilnehmern ein praktisches Lock-On Feature, das selbst auf weite Distanzen greift und durch Wände funktioniert. So macht das alles einfach keinen Spass. Und darf ich nicht mal mit Freunden online spielen!? Ein Party-Feature fehlt komplett, was einfach unverständlich ist! Wenn Microsoft hier nicht schleunigst nachbessert, prophezeie ich dem Multiplayerpart einen schnellen Tod. Schade.
Fazit:
Ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass mich Crackdown 3 gross faszinieren würde, auch wenn ich die Vorgänger ziemlich gut fand. Ich hab das "Projekt Crackdown 3" lange belächelt und dank der vielen Verschiebungen eigentlich bereits abgeschrieben. Umso schöner, dass mich das Spiel jetzt doch noch überzeugen konnte. Zumindest "offline" bin ich mit Crackdown 3 happy! Es spielt sich super, sieht in 4k/HDR sauber aus und ist technisch quasi fehlerfrei. Zugegeben, die Open-World-Formel von Crackdown ist etwas in die Jahre gekommen und die Story arg flach. Dank dem Humor, der übertriebenen Action und der direkten, hervorragenden Steuerung spielt das alles keine Rolle. Hier steht der Spielspass im Fokus und da punktet Crackdown 3 durch die Bahn. Es macht einfach eine Menge Laune über die Dächer zu hopsen, Orbs zu sammeln und überall für das grosse Chaos zu sorgen. Schade, dass sich die Versprechen in Sachen Online-Multiplayer und Cloud im wahrsten Sinne des Wortes als Sturm im Wasserglas herausstellen. Ich persönlich werde dank einer Vielzahl an Mängeln keine weitere Minute im MP-Modus verschwenden und konzentriere mich lieber auf die KoOp-Kampagne. Dort hat Sumo Digital glücklicherweise alles richtig gemacht. Dass Crackdown 3 im Rahmen des Gamepass von Tag Null an für nur 9.- Franken zur Verfügung steht, verdient ein Extra-Lob.
Comments